"Immer Ärger mit 40" im Kino Eine ganz moderne Familienkomödie

Judd Apatow ist der Komödienkönig des US-Kinos. Von ihm stammen Produktionen wie "Superbad", "Brautalarm" und die TV-Serie "Girls". Sein neuer Film "Immer Ärger mit 40" zeigt ein Ehepaar in den letzten Tagen der späten Jugend.

Man kann viel über eine Zeit erfahren, wenn man sich die Komödien genauer ansieht, die besonders populär sind. In den vergangen Jahren wurde der Amerikaner Judd Apatow zu einer Marke, er war an maßgeblichen Komödien beteiligt, zum Teil als Inspirator, manchmal als Regisseur.

"Superbad" heißt einer der berühmtesten Filme, "Brautalarm" ein anderer, von Apatow stammen außerdem "Männertrip" und "Fast verheiratet. Auch an der gefeierten US-Serie "Girls" arbeitet er mit. Er fördert Talente und schiebt Karrieren an, gilt als "King of Comedy".

Nun kommt das neue Werk ins Kino, bei "Immer Ärger mit 40" führte Apatow Regie, und für das Drehbuch, so verriet er in Interviews, bediente er sich in der eigenen Biografie — dazu passt, dass er seine Frau Leslie Mann als Hauptdarstellerin besetzte, auch die gemeinsamen Töchter Maude und Iris spielen mit.

Es geht um Pete und Debbie, ein Ehepaar in Los Angeles, beide stehen vor dem 40. Geburtstag. Die besten Stellen des Films sind die, in denen das Familienleben mit zwei Töchtern abgebildet wird, dieses Leben in der iPad-Hölle der modernen Großstädter. Die Kinder schauen selbst beim Essen auf die Displays der Firma Apple, der Humor des Vaters wirkt arg verspätet, und die Mutter ist so verzweifelt, dass sie Entschleunigung verordnet: Salat statt Fast Food, und die Internet-Verbindung wird gekappt.

Man weiß bloß nicht, was und wie

Das hätte eine sensible und in der Wirkung schmerzhafte Studie über den Punkt im Leben werden können, an dem man merkt, es muss sich etwas ändern — man weiß bloß nicht, was und wie. Die Wirtschaftskrise bildet den Hintergrund dieser Geschichte.

Pete arbeitete einst bei Sony, machte sich in besseren Tagen mit einer Plattenfirma selbständig und bringt nun neue Alben alter Helden heraus, die indes kaum jemand kauft. Sein aktuelles Projekt ist Graham Parker, dessen große Zeit endete in den frühen 80er Jahren, Pete glaubt an ein Comeback, aber nur 600 Fans wollen noch für die Songs des Musikers bezahlen.

Die Bank rät: Haus verkaufen, kleinere Autos, runter mit den Standards. Dann gibt es da noch die Eltern von Pete und Debbie, sie kommen in das Alter, da man sich um sie kümmern muss, sie können nicht mehr geben, sondern müssen nehmen — die Rollenzuschreibungen werden neu definiert.

"Dramedy" nennt man das Genre, in dem es Apatow in seinen besten Filmen zu einiger Virtuosität gebracht hat. "Jungfrau (40), männlich sucht" ist ein Beispiel dafür. Darin spielt der wunderbare Steve Carell einen Mann, der noch als 40-Jähriger in einem wichtigen Lebensbereich ein Neuling ist, das aber nicht länger sein möchte.

Ihm beim Liebe-Suchen zuzusehen, ist so amüsant wie traurig. In seinen großen Momenten steht Apatow zwischen den melancholischen Beziehungskomödien Woody Allens aus den späten 70er Jahren und dem intelligenten Klamauk der Farrelly-Brüder ("Verrückt nach Mary"). Man lacht, und dann mag man nicht mehr, weil man Beschämung spürt.

Als habe man lange nicht geblinzelt

"Immer Ärger mit 40" leidet darunter, dass es keinen Handlungsbogen gibt, der Film ist mit 133 Minuten zu lang, denn er reiht Probleme aneinander, die er nicht löst, sondern in Pointen explodieren lässt. Monothematische Sketchparade. Zudem ist das soziale Milieu, auf das sich Apatow beschränkt, dann doch nicht so interessant, dass es für das große Generationenporträt reichen würde.

Es gibt Leute, die vergleichen Apatow mit seinem deutschen Pendant Til Schweiger. Tatsächlich sind da viele Parallelen. Beide pflegen den Traum von der Familie als Zelle, die den sozialen Wandel unbeschadet übersteht; der Anstrich ist heutig, das Muster konservativ.

Die Interieurs werden warm ausgeleuchtet, die Bilder verschwimmen an den Rändern, es wirkt, als habe man lange nicht geblinzelt. Letztlich geht es Schweiger wie Apatow darum, dass sich die Zuschauer bei ihnen wohlfühlen. Das ist nicht schlimm, im Falle Apatows aber doch zumindest ein wenig schade.

"Immer Ärger mit 40" hat viel Potenzial. Die Schauspieler, allen voran Paul Rudd als Pete, legen es nicht darauf an, gemocht zu werden; sie spielen Menschen, die es tatsächlich gibt: scheinbar angekommen, aber an einem Ziel, das kein Ausruhen zulässt: Leben heißt Überspielen, das Gefühl des Mangels ist exitenziell.

Wenn es indes ernst wird, es ans Reflektieren gehen müsste, flüchtet sich Apatow ins Zotige, mitunter in den Fäkal-Humor. Auch bei "Jungfrau (40), männlich sucht" wurde es laut und kreischig, aber der Film hatte eine Intention, er war sich seiner Sache gewiss. "Immer Ärger mit 40" wirkt hingegen fahrig, unkonzentriert, bisweilen geradezu neurotisch — und der Conclusio weicht er aus.

So bleiben einige Dialoge, die wahrhaftig sind, und vom Leben abgeschriebene Diskussionen wie jene gleich zu Beginn, in dem es um die Einnahme von Viagra geht und um die unterschiedlichen Schlüsse, die Männer und Frauen daraus ziehen.

Am Ende dieser Komödie über unsere Zeit weiß man jedoch nicht, was man fühlt: Wehmut? Oder Trauer?

(RP/csr/pst)
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