Notfallplan für die Kultur „Wir müssen jetzt von Tag zu Tag sehen“

Düsseldorf · Die Folgen von Corona: Düsseldorfs Kulturinstitute ändern für einige Wochen ihren Spielbetrieb. Viele Aufführungen fallen aus.

 Der russische Pianist Grigory Sokolov bei einer Probe in der Düsseldorfer Tonhalle. Dort soll er am 20. April konzertieren. Ob das klappt, ist offen.

Der russische Pianist Grigory Sokolov bei einer Probe in der Düsseldorfer Tonhalle. Dort soll er am 20. April konzertieren. Ob das klappt, ist offen.

Foto: Horst Ossinger / dpa

(RP) Viele Kultureinrichtungen in der Stadt haben ihren Spielbetrieb wegen Corona eingestellt. Andere versuchen vor nicht mehr als 1000 Zuschauern ihre Programme fortzusetzen. Gerade für kleine Bühnen ist das eine existenzielle Frage. Sie können auf die Einnahmen nicht verzichten und auch bereits verkaufte Tickets nicht ohne weiteres zurücknehmen. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, sorgt sich vor allem um private Theater und freiberufliche Künstler, die ohne öffentliche Förderung überleben müssen und daher ganz auf die Ticketeinnahmen angewiesen sind. Daher fordert der Kulturrat, dass Bund und Länder einen Notfallfonds für betroffene Künstler auflegen. Wie reagieren die Veranstalter in der Region? Und was bedeutet es für Theater und Konzerthallen, wenn sie auf Publikum verzichten? Wir haben uns in der Kulturszene umgehört.

Zakk

Im Zakk beobachtet man die Entwicklung mit Sorge. Das Haus hat eine Eigenfinanzierungsquote von 70 Prozent. „Da ist nicht klar, wie lange man durchhielte, wenn es hieße, wir müssten schließen“, sagt Heike Billhardt. Die Besucherzahlen gehen noch nicht zurück: 450 Leute kamen am Wochenende zur Technoparty. Mehrere Veranstalter und Künstler hätten ihre Termine indes abgesagt. Intern arbeite man nun so, dass von den unterschiedlichen Teams jeweils mindestens einer im Home Office sei.

Schauspielhaus

Im Schauspielhaus hätte am Samstag Strindbergs „Ein Traumspiel“ Premiere haben sollen. Solche Produktionen werden nun fertig geprobt auf Eis gelegt. Auch Stücke wie „Volksfeind for Future“ oder „Gott“, die noch in einem viel früheren Probenstadium stecken, werden bis zur Aufführungsreife gebracht und dann auf Eis gelegt – bis zu einem neuen Premierentermin. Der Arbeitsbetrieb im Theater geht also weiter, nur der Spielbetrieb am Abend ist ausgesetzt. „Wir haben uns dafür entschieden, weil wir ein Zeichen der Solidarität und Verantwortung setzen wollen“, sagt Intendant Wilfried Schulz. „Die gesamte Gesellschaft muss jetzt alles daran setzen, die Infektionsrate in Deutschland zu verlangsamen, damit das Gesundheitssystem arbeiten kann. Das möchten wir natürlich unterstützten.“ Auch die Vorbereitungen für das Festival „Theater der Welt“ gehen unverändert weiter. „Wir sind mit allen Projektpartnern dauernd im Gespräch und hoffen, dass sich die Lage bis Mitte Mai wieder entspannt hat“, sagt Schulz.

Filmkunstkinos

Bei den fünf Düsseldorfer Filmkunstkinos gebe es einen „kleinen Besucherschwund“, sagt Eric Horst. Mehrere Gästevorstellungen und Schulveranstaltungen wurden abgesagt, „aber nicht alle“. Im Arbeitsauflauf habe sich außer einer gesteigerten Händewasch-Frequenz noch nichts geändert. „Aber klar: Kino lebt von den Zuschauern. Man muss von Tag zu Tag sehen.“ Wenn es schlimmer würde, würde man zunächst wie im Sommer verfahren und die Vorstellungen reduzieren. Ein nächster Schritt wäre Kurzarbeit.

Kom(m)ödchen

Im Kom(m)ödchen läuft das Programm unverändert weiter. „Wir können es uns gar nicht leisten, irgendetwas abzusagen“, sagt Kay Lorentz. Bisher verzeichnet das Theater mit seinen 200 Plätzen auch kaum Besucherrückgänge. Als nächstes sind die Kabarettisten Robert Griess und Thomas Reis dort zu erleben.

Capitol-Theater

Auch im Capitol-Theater laufen die Vorstellungen unter der Maßgabe, dass nie mehr als 1000 Zuschauer gleichzeitig im Haus sind, weiter. Nur die „Robinson Forever Night“ am Wochenende musste wegen Corona abgesagt werden. Im Internet hält das Theater unter www.capitol-theater.de sein Publikum auf dem Laufenden.

Tonhalle

Die Düsseldorfer Tonhalle erwischt die Absage von Konzerten in einer komplett internationalen Woche. Am Freitag sollte der französische Pianist David Fray auftreten, am Samstag das Bach Collegium Japan, am Sonntag das London Philharmonic Orchestra, am Montag das hr-Orchester aus Frankfurt. Alles fällt aus, obwohl es möglicherweise gelungen wäre, die eine oder andere Veranstaltung auf unter 1000 Besucher zu drücken. Der Düsseldorfer Kurs ist rigoros. Die Vermeidung von Infektionen steht an oberster Stelle.

Was das vertragsrechtlich bedeutet, erklärt Michael Becker, der Intendant der Tonhalle: „In einem solchen Fall greift der Passus der ,höheren Gewalt‘, der in diesem Fall zum Nachteil der Künstler ist.“ Er selbst hatte für das Festkonzert des Freundeskreises der Tonhalle das Bach Collegium Japan eingeladen, das Bachs „Johannes-Passion“ aufführen sollten. Daraus wird nun nichts. Für die Künstler ist das bitter, denn auch andere Städte haben die Konzerte der Tournee gecancelt.

Becker nennt einen weiteren Betroffenen, nämlich die Agenturen der Künstler. „Die werden von den Künstlern aus ihren Auftrittshonoraren bezahlt. Wenn diese Honorare ausfallen, bekommen die Agenten auch kein Geld.“

Rheinoper

Die Deutsche Oper am Rhein hat ebenfalls entschieden, den Spielbetrieb bis einschließlich Donnerstag, 2. April 2020, auszusetzen. Das gilt auch für sämtliche Vorstellungen im Theater Duisburg.

Theater an der Kö

Das Theater an der Kö hält den Spielbetrieb in gewohnter Weise aufrecht. „Wir haben nur Platz für 400 Menschen, deswegen betrifft uns die Regelung nicht“, sagt Pressesprecher Torsten Trenz. Trotzdem hält sich das kleine Theater strikt an die behördlichen Vorgaben und Experten-Hinweise, es ist TÜV-geprüft und mit einer Klimaanlage ausgestattet. Die Proben laufen weiterhin, die Premiere des neuen Stücks „Extra Wurst“ soll wie geplant am 20. März stattfinden. Die Besorgnis der Menschen sei aber zu spüren: „Uns erreichen täglich Anrufe, viele möchten ihre Tickets zurückgeben. Wir sind sehr kulant und tauschen sie gegen Gutscheine um“, sagt Trenz.

Roncallis Apollo Varieté

Das Varieté-Theater ist mit nur 500 Sitzplätzen nicht von den aktuellen Bestimmungen betroffen, sodass der Spielbetrieb wie gehabt weiterläuft. Veranstaltungstickets seien momentan aber kein Kassenschlager, ein Rückgang im Verkauf sei deutlich zu spüren, so Pressesprecherin Miriam Sagolla: „Wir werden regelmäßig angerufen und gefragt, ob unsere Veranstaltungen überhaupt noch stattfinden“, sagt sie.

Robert-Schumann-Saal

Am Sonntag soll im Robert-Schumann-Saal das Vision String Quartet spielen, dort gibt es noch nicht viele Ticketkäufe – und nach jetzigem Stand findet das Konzert statt. Es gibt Streichquartette von Robert Schumann und Grazyna Bacewicz. Saalmanager Eckart Schulze-Neuhoff möchte inden kommenden Wochen Veranstaltungen durchführen, wenn nicht mehr als 400 Besucher kommen. Das Konzert mit Pepe Romero und dem Cuarteto Quiroga am 22. März wird aber ausfallen. Karten können, sagt Schulze-Neuhoff, ausschließlich bei der Vorverkaufsstelle, bei der sie gekauft wurden, zurückgegeben werden.

Marionettentheater

Im Marionettentheater „bleibt alles beim Alten“. Mir nur 100 Sitzplätzen gebe es keinen Grund, die aktuellen Vorstellungen abzusagen, auch die Vorbereitungen für das nächste Stück „Ronja Räubertochter“ laufen weiter. Ob sich der Ausbruch des Virus auf den Ticketverkauf ausgewirkt hat, kann Markus Hilscher aus der Theaterwerkstatt nicht sagen. „Nach Karneval lässt der Besucherstrom insgesamt nach, deswegen ist es schwierig, Statistiken aufzustellen“, sagt er.

Forum Freies Theater

Das Forum Freies Theater (FFT) hält den Spielbetrieb aufrecht, einzelne Veranstaltungen wurden allerdings abgesagt. So entfallen die „Phaedra“-Aufführungen der Gruppe Monster Truck am 13. und 14. März. Im Ensemble gebe es ein Mitglied, das zur Risikogruppe gehöre und das man nicht gefährden wolle, heißt es vom FFT. Gekaufte Tickets können zurückgegeben werden. Abgesagt wurden außerdem die für Ende des Monats geplanten Düsseldorfer Schultheatertage. Alle anderen Veranstaltungen sollen – Stand jetzt - wie geplant stattfinden, so ein Sprecher. Welchen finanziellen Schaden Corona für das Theater bedeutet, konnte der Sprecher noch nicht sagen. Der Trägerverein des FFT wird mit Mitteln von Stadt und Land gefördert.

Tanzhaus NRW

Das Tanzhaus befindet sich im Austausch mit den Behörden und bewertet jede Veranstaltung individuell: Die wöchentlich stattfindende Noche de la Salsa wird vorsorglich bis Ende März abgesagt. Die Vorstellungen von „Club27“ von Enis Turan am Freitag, 13.03., und Samstag, 14.03., werden verschoben. Aufgrund von Reisebeschränkungen der israelischen Regierung müssen die Vorstellungen von „Practicing Empathy #1 – 2“ von Yasmeen Godder am Freitag, 27.03., und Samstag, 28.03, auf Herbst 2020 verschoben werden. Nach Rücksprachen mit dem Kulturamt der Stadt Düsseldorf werden aber alle Kurse und Workshops weiterlaufen, solange öffentliche Einrichtungen, wie die Volkshochschule, Stadtbücherei, Schulen, etc. nicht geschlossen werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort