Flugverkehr Ryanair-Streik löst Urlaubschaos aus

Düsseldorf · Europas Luftlinien entwickeln sich zur Krisenbranche: 600 Flüge sagt Ryanair ab, im ersten Halbjahr waren mehr als tausend Flüge extrem verspätet. Jetzt verstärkt die Politik den Druck.

 Reisende am Flughafen Düsseldorf (Archiv).

Reisende am Flughafen Düsseldorf (Archiv).

Foto: dpa/Marius Becker

Die Verspätungskrise in der Luftfahrt verschärft sich. 600 Flüge von und nach Spanien, Portugal und Belgien sagte Europas größter Billigflieger Ryanair für nächste Woche wegen Streiks ab. Während dieser Arbeitskampf Flüge ab Deutschland nur teilweise direkt trifft, haben Fluglotsen in der Schweiz, Frankreich und Italien neue Arbeitskämpfe angekündigt. „Diese angekündigten Streiks werden zu Umleitungen und Verzögerungen bei vielen Flügen in den Süden führen“, sagte Roland Keppler, Geschäftsführer von Tuifly, unserer Redaktion.

In Düsseldorf kamen am Sonntag 19 Jets erst nach 23 Uhr an, obwohl dann der Flugverkehr eigentlich beendet sein soll. Vier Maschinen landeten erst zwischen 23.30 Uhr und 0 Uhr. Sechs Maschinen mussten zu anderen Flughäfen umgeleitet werden, weil Düsseldorf ab Mitternacht geschlossen ist.

In Deutschland nahm im ersten Halbjahr die Zahl der Flüge stark zu, die mindestens drei Stunden verspätet ankamen oder gar ausfielen. Das ergab eine Untersuchung des Flugrechteportals Airhelp. Während zwischen Januar und Juli 2017 rund 860 Flüge aus Deutschland mindestens drei Stunden verspätet waren, waren es 2018 etwa 1130 Flüge mit einer solchen Verspätung. Die Anzahl an Flugausfällen stieg von 3920 im Jahr 2017 auf 9660 im Jahr 2018.

„Die Lage ist angespannt“, sagte Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Er sieht den schnell wachsenden Flugverkehr, viele Streiks, Gewitter sowie erhebliche Effizienzdefizite bei der Flugsicherung in Europa als Ursache der Krise. Hinzu kommt, dass nach der Insolvenz von Air Berlin viele Airlines wie Eurowings oder auch Condor Schwierigkeiten haben, ihre Kapazitäten zu erhöhen.

Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) sagte, alle Beteiligten müssten aktiv werden. „Ich erwarte von den Fluggesellschaften, dass sie ihre betrieblichen Abläufe so gestalten, dass Verspätungen die Ausnahme bleiben und nicht die Regel.“ Er ergänzte: „Auch der Staat muss seine Hausarbeiten machen.“ So schlägt er vor, die Personenkontrollen moderner zu organisieren. „In Amsterdam-Schiphol kann man sehen, dass es schneller geht.“

Angesichts der Flugausfälle und Verspätungen rief Verbraucherschutzministerin Katarina Barley die Fluggesellschaften dazu auf, ein funktionierendes Beschwerdemanagement aufzubauen, bei dem die Kunden ernst genommen würden. „Die Airlines müssen transparenter machen, warum ein Flug ausgefallen oder stark verspätet ist“, sagte die SPD-Politikerin unserer Redaktion. Da gebe es „noch Luft nach oben“. Gerade in der Urlaubszeit seien Flugausfälle und große Verspätungen „ein echtes Ärgernis“, sagte die Ministerin.

Passagiere hätten in diesen Fällen Anspruch auf Entschädigung. Häufig sei der Ärger dennoch groß, weil sich die Airlines nicht kundenorientiert verhielten. „Auch mit außergewöhnlichen Umständen ist eine ausbleibende Entschädigung nicht pauschal zu rechtfertigen“, unterstrich die SPD-Politikerin. Sie riet Passagieren, sich im Zweifel an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennachverkehr oder die Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz zu wenden. Das sei „unkompliziert und kostenlos“.

Die Reiseexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Marion Jungbluth, sprach von einem „Sommerdrama“, das Reisende erlebten. Es gebe massenhafte Flugausfälle bei Lufthansa und Eurowings, und nun lasse auch noch der Streik bei Ryanair Urlaubspläne platzen.

Das sei „bitter für Verbraucher“, da es bei Streik laut EU-Fluggastrechte-Verordnung keine Entschädigung gebe. Wenn eine Airline keinen Ersatzflug oder eine andere Reisealternative anbiete, bleibe den Verbrauchern nur, „das Ticket zurückzugeben und ihr Geld zurückzufordern“, so Jungbluth. „Die katastrophalen Zustände in der Flugbranche müssen die Bundesregierung endlich zum Handeln veranlassen“, forderte die Verbandssprecherin. Es sei Aufgabe der Politik, die Fluggesellschaften zu „mehr Verlässlichkeit“ zu bewegen.

Der Verkehrsexperte und Unionsvize Ulrich Lange nannte die häufigen Verspätungen und Flugausfälle „auf Dauer nicht akzeptabel“. Die Tarifpartner - ob Fluglotsen im Ausland oder Flugzeugbesatzungen - seien aufgerufen, verantwortlich mit Streiks umzugehen. Lufthansa und ihre Töchter müssen nach der Integration von Air Berlin „schnellstens wieder ihre volle Leistungsfähigkeit erreichen“.

Zudem müsse die zersplitterte Organisation der Flugsicherung in Europa endlich zu mehr Kapazitäten durch einheitliche Rahmenbedingungen kommen. Lange versprach, die Passagierkontrollen an den Flughäfen leistungsfähiger aufzustellen, indem die Luftsicherheit neu organisiert werde.

„Was Touristen auf dem Weg in den Urlaub derzeit erleben, ist unglaublich“, sagte auch SPD-Vize Sören Bartol. „Die Fluggesellschaften dürfen nach der Pleite von Air Berlin ihren Wettbewerb um die besten Strecken nicht auf dem Rücken der Passagiere ausführen“, unterstrich der Verkehrsexperte.

Verkehrsminister Andreas Scheuer müsse dafür sorgen, dass personelle Engpässe bei der Deutschen Flugsicherung behoben werden. Und Innenminister Horst Seehofer solle erkennen, dass er mit der Bundespolizei für die Passagierkontrollen verantwortlich sei und hier für eine bessere Organisation sorgen müsse, unterstrich der SPD-Politiker.

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