Galeria und die Staatshilfe Warenhaus ohne Perspektive

Essen · Das dritte Bemühen um Staatshilfe binnen zwei Jahren zeigt, wie schlimm die Situation ist. Das Geschäftsmodell funktioniert nicht, die Kunden bleiben weg, und der Umsatz zerbröselt.

Eine Frau geht mit Regenschirm an einer geschlossenen Kaufhof Filiale vorbei.

Eine Frau geht mit Regenschirm an einer geschlossenen Kaufhof Filiale vorbei.

Foto: dpa/Oliver Berg

Es ist Donnerstagvormittag. Ein Tag im Oktober, an dem die Menschen wie häufig die Große Straße in der niederrheinischen Kreisstadt Kleve rauf- und runtergehen. Vorbei an einer Immobilie, die einst wie in so vielen anderen Städten der Republik ein Anziehungspunkt war. Drinnen findet Warenhaus-Geschäft statt, jenes der Galeria, die entstanden ist aus den einstigen Großkonzernen Karstadt und Galeria Kaufhof. Tatsächlich verliert sich drinnen in diesem Moment so etwas wie ein Häufchen der Aufrechten. Oben, in der zweiten Etage, in der Herrenabteilung, laufen gerade mal zwei potenzielle Kunden herum, in der entgegengesetzten Ecke sortiert ein Beschäftigter Ware ein. Auf den anderen Etagen sieht es voller aus, wirklich viel ist nicht los. Natürlich nur eine Momentaufnahme, aber vermutlich auch kein Einzelfall „Das ist am Wochenende auch immer anders, da kommen noch mehr Niederländer“, sagt ein Insider. Ohne die, so sagen andere, sähe es düster aus. Dabei soll die Filiale in Kleve doch eines der Flaggschiffe sein, eines der lokalen Foren, die einen Teil der schönen neuen Galeria-Welt verkörpern sollten. Doch das Lokale erkennt man vermutlich nur, wenn man ganz genau hinschaut.

Und es bleibt wieder einmal die Frage, ob das Geschäftsmodell Warenhaus prinzipiell in der jetzigen Form nicht funktioniert. Oder ob es einfach bei Galeria nicht klappt. Vor Jahrzehnten, in den guten alten Zeiten der frühen Bundesrepublik, wurde den Warenhäusern noch als Konsumtempel gehuldigt, in denen einkaufende Frauen ihr Paradies entdecken sollten. Es war die große Zeit der Karstadts, Kaufhofs, Herties und Hortens. Davon ist kaum etwas geblieben. Und das liegt auch, aber beileibe nicht nur an Energiekrise, Inflation und Corona-Folgen, schon gar nicht am Onlinehandel, gegen den so mancher Einzelhändler immer noch ankämpft.

Zum dritten Mal binnen zwei Jahren hat der Konzern nach Staatshilfe gefragt. Wieder geht es um mehrere hundert Millionen Euro, mit denen der Steuerzahler aushelfen soll. „Bei Galeria ist der Umsatz seit der Fusion von Karstadt und Kaufhof mehr als halbiert worden, während andere Händler schon wieder auf dem Niveau von 2019 liegen“, sagt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Mit anderen Worten: Galeria kommt deutlich schlechter durch die Krise als andere. Zwei Milliarden Euro Forderungen sind dem Unternehmen im Insolvenzverfahren 2020 erlassen, rund 680 Millionen Euro Staatshilfe seither schon geleistet worden, und doch ist Galeria offensichtlich in einer existenzbedrohenden Lage.

Dass das Modell Warenhaus nicht mehr zeitgemäß ist, wird von seinen Gegnern schon seit Jahrzehnten propagiert. Und doch ist es immer noch da. Bei der heutigen Galeria haben sich nach der Insolvenz des damaligen Karstadt-Eigentümers Arcandor vor 13 Jahren zweimal Eigentümer gefunden: erst der Deutsch-Amerikaner Nicolas Berggruen, dann der Österreicher René Benko als das Gesicht der Unternehmensgruppe Signa. Beide taten und tun sich offenbar unglaublich schwer mit der Vorstellung, dass man als Eigentümer auch mal nennenswert Geld ins Unternehmen schießen muss, wenn’s nicht läuft. Stattdessen sind seit Jahrzehnten die Beschäftigten in schöner Regelmäßigkeit per Gehaltsverzicht zur Kasse gebeten worden. Ohne ihre Opferbereitschaft sähe alles noch viel schlechter aus. Ein wirklich tragfähiges Geschäftsmodell, mit dem man den immer stärker werdenden Online-Händlern und den Shopping-Centern mit ihren vielen kleinen Läden begegnen sollte, hatte in wechselnden Führungspositionen bis jetzt niemand. Woher soll das jetzt kommen?

Die Forderungen nach einer starken Beteiligung von Signa auch aus der Politik sind zuletzt klarer und drängender geworden. „Ich glaube, Herr Benko ist am Zug, auch Kapital mit hereinzugeben", sagte NRW-Wirtschaftmsinisterin Mona Neubaur (Grüne) jüngst vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung" in Düsseldorf. Eine Forderung, die weniger ökonomisch denn moralisch um so mehr Berechtigung hätte, wenn der Galeria-Eigentümer Signa wie kolportiert tatsächlich eine halbe Milliarde Euro Gewinn gemacht haben sollte. Und Benko selbst dürfte eigentlich auch gar kein Interesse an leer stehenden Warenhäusern haben. „Steht ein Haus leer, sinkt auch der Wert der Immobilie erheblich“, sagt Experte Heinemann. Und Immobilien sind das Leib-und Magengeschäft des smarten Österreichers, der damit schon Milliarden scheffelte. Im Vergleich dazu ist das Geld, das er im Laufe der Jahre in Galeria und seinen Vorläufer Karstadt pumpte, viel zu wenig.

Neubaurs Einschätzung klingt plausibel. Aber die Grünen-Politikerin ist Landesministerin in Nordrhein-Westfalen, die Entscheidung über die Zukunft von Galeria eine des Bundes. Böse Zungen verweisen in solchen Momenten gern auf die Verbindungen zwischen der Bundesregierung und der RAG Stiftung, die Miteigentümer von Signas Edel-Ableger Signa Prime Selection (Altershaus, KaDeWe, Oberpollinger, Carschhaus und anderes) ist und in deren Kuratorium unter anderem der Bundesfinanz-und der Wirtschaftsminister sowie der NRW-Ministerpräsident als sogenannte geborene Mitglieder sitzen. Doch so einfach dürfte die Bereitschaft, Galeria zu helfen, nicht zu entfachen sein.

Viel staatstragender scheint da die regelmäßig wiederholte Aussage, dass die Innenstädte massiv unter dem Abgang von sogenannten Ankermietern wie den Warenhausbetreibern leiden würden. Die Verödung der Innenstädte ohne Warenhaus wird indes zum Ammenmärchen, wenn Galeria und Co. überhaupt nicht mehr die Massen zum Besuch der Innenstädte mobilisieren können. „Galeria ist kein Frequenzbringer mehr für die Zentren“, sagt Heinemann. Dann stellt sich aber in Zeiten des tiefgreifenden Strukturwandels im Handel die Frage, ob Galeria jemals so stark werden könnte, dass es Staatshilfen in dreistelliger Millionenhöhe zurückzahlen könnte, und wie die Fortführungsperspektive aussähe. Nur dann hätte Hilfe durch den Bund wirklich ihre Berechtigung.

Der drohende Wegfall von Jobs, so traurig er im Einzelfall wäre, liefert diese Berechtigung nicht. Mehr als 16.000 Arbeitsplätze gibt es noch im Warenhauskonzern, und fünfstellige Stellenzahlen sind in solchen Fällen immer ein öffentlichkeitswirksames Argument, während anderswo der kleine Händler um die Ecke still und leise die Tür abschließt. Ohne Staatshilfe, aber auch ohne Insolvenz..

Die Jobs sind naturgemäß auch das, was der Gewerkschaft Verdi am meisten am Herzen liegt. Deshalb soll nach der Kündigung des Integrationstarifvertrages durch Galeria vor zwei Wochen wieder verhandelt werden. „Nicht nur das Unternehmen, auch die rund 17.000 Beschäftigten befinden sich in einer Notlage. Deshalb werden wir einen Tarifvertrag verhandeln, der existenzsichernde Einkommen garantiert", so Verdi-Bundesvorstand Stefanie Nutzenberger. Ihre „persönlichen Verluste“ hätten die Beschätigten in Galeria investiert. „Das Minimum an Gegenleistung ist ein Tarifvertrag, der existenzsichernde Einkommen garantiert und nicht als Verhandlungsmasse des Eigentümers herhalten soll", sagte Nutzenberger. Doch solche Appelle sind bisher meist weitgehend ungehört verhallt. Die Aussicht auf Rettung liegt allein beim Steuerzahler und der Belegschaft. Ein Trauerspiel.

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