Harsche Kritik an neuem Tennis-Format in Madrid Der Davis Cup wird verramscht

Madrid · Der Tennis-Weltverband reformierte das traditionelle Format, um mehr Geld zu verdienen – und verkaufte dadurch die Seele des Wettbewerbs. Horst Klosterkemper, langjähriger Europa-Chef der ATP, ist entsetzt über das Final-Turnier in Madrid.

 Der Fußballprofi Gerard Pique mit seiner Partnerin, der Sängerin Shakira.

Der Fußballprofi Gerard Pique mit seiner Partnerin, der Sängerin Shakira.

Foto: dpa/Greg Allen

Für Tennis-Traditionalisten ist David Haggerty das Feindbild Nummer eins. Denn der mächtige Funktionär, Präsident des Weltverbands ITF, hatte durchgesetzt, dass der Davis Cup in seinem alten Format beerdigt wurde – nach 118 Jahren. Kroatien steht als letzter Sieger nach altem Regelwerk in den Statistikbüchern. In diesen Tagen wird ein Nachfolger gesucht. In Madrid werden die sogenannten Finals ausgetragen. Und die schlimmsten Befürchtungen der Kritiker dieser Reform scheinen sich zu bestätigen.

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Haggerty befand, es sei Zeit für etwas Neues. Mehr Unterhaltung. Mehr Spannung. Vor allem aber bessere Vermarktungschancen für seinen Verband. Anstelle von vier über das gesamte Jahr verteilten Runden mit Heim- und Auswärtsspielen in der Weltgruppe, spielen nun 18 Teams in einem einwöchigen Turnier in der zweiten November-Hälfte um die Trophäe. Nach einer Vorrunde folgt eine Finalrunde im Knock-out-Format mit jeweils zwei Einzeln und einem Doppel über zwei Gewinnsätze. In einem Qualifikations-Turnier im Februar sind 16 Teilnehmer ermittelt worden, zwei weitere erhalten eine Wildcard. Die großen Tennisnationen Großbritannien, Australien und Deutschland waren gegen eine Änderung, konnten sich aber nicht durchsetzen.

Nicht ganz so überraschenderweise hatte Haggerty ein verlockendes Argument für seine Pläne: mehr Geld. „Die ITF ist die einzige Organisation, die Geld in die Entwicklung des Spiels steckt. Und dieses Projekt versetzt uns dazu in die Lage“, sagt er. Hinter der Finanzierung steckt die Investmentgruppe Kosmos. Zu deren Gründern gehört Spaniens ehemaliger Fußball-Weltmeister Gerard Pique. Drei Milliarden Dollar für 25 Jahre – so steht es zumindest in den Verträgen. Wie das Paket praktisch funktionieren soll? Genaues ist nicht bekannt. Die ersten Eindrücke sprechen jedenfalls nicht dafür, dass daraus wirklich eine Traditionsveranstaltung erwachsen könnte.

Und das hat eine Reihe von Gründen. Der Davis Cup war einerseits ein tatsächlich leicht verstaubtes Produkt. Die Partien erstreckten sich über drei Tage und mehrere Monate, bis am Ende ein Sieger feststand. Doch genau in dieser Entschleunigung lag auch der große Reiz. Sich auf das Morgen freuen. Aufgeheizte Atmosphäre. Zuschauer, die eigentlich unterlegene Spieler doch noch zum Erfolg gepeitscht haben. Heimspiele und Auswärtsfahrten. „Ich bin sehr traurig, dass unbezahlbare, unvergessliche Momente so einfach und ohne viel Gegenwehr geopfert wurden“, sagt der Düsseldorfer Horst Klosterkemper, langjähriger Europa-Präsident der Profi-Vereinigung ATP. „Das aktuelle Format bietet doch überhaupt keine Verbesserung, vielleicht für den Austragungsort. Wenn er denn was daraus macht. Doch in einer Stadt wie Madrid fällt der Davis Cup nicht weiter auf. Dafür gibt es viele Verlierer. Zum Beispiel die vielen Länder, in denen durch das alte Format Werbung für Tennis gemacht werden konnte.“

Nun also die spanische Hauptstadt. Das Tennis kreiert dort nur noch ein weiteres Ereignis mehr für den TV-Markt. Die Sportart als solche verliert immer mehr an Identität. Das Teilnehmerfeld mit 18 Mannschaften ist für eine Veranstaltung in einer Woche einfach zu groß, der Spielplan daher zu dicht gedrängt. Immer wieder fangen Spiele der Night Session später an, weil die um 11 Uhr begonnenen Begegnungen noch nicht beendet waren. Die Folge: Zahlreiche Spiele endeten erst weit nach Mitternacht. Das Doppel zwischen den USA und Italien sogar erst um 4.04 Uhr. „Das sorgt für Probleme für uns, aber auch für die Zuschauer, die hier auf die Anlage kommen“, kritisiert der Weltranglisten-Erste Rafael Nadal. Ein Desaster ist indes auch das Auftreten der Mannschaften. Die Kanadier hatten sich durch die beiden siegreichen Einzel gegen die USA vorzeitig qualifiziert und waren zum abschließenden Doppel nicht mehr angetreten. Den USA wurden bei diesem Modus also einfach ein Punkt geschenkt – absolute Wettbewerbsverzerrung.

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Die Stimmung in der spanischen Metropole ist, gelinde gesagt, die meiste Zeit eher mau. Wenn nicht gerade Spanien mit Nadal spielt, bleiben viele Plätze in den drei Arenen leer. Vor allem in den beiden kleineren Stadien fanden einige Partien fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bei den beiden deutschen Gruppenspielen gegen Argentinien und Chile war das 3500 Zuschauer fassende Stadion 2 nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Amerikanische oder deutsche Anhänger sind fast gar nicht in Madrid. Der Fanclub aus Frankreich, in der Vergangenheit stets für gute Stimmung gut, boykottiert das Event wegen des neuen Formats.

Die Stars sind nur widerwillig nach Madrid gereist. Bei Nadal und Novak Djokovic soll es einen deutlichen Zuschuss für die Reisekasse gegeben haben. Alexander Zverev dagegen war auch so nicht zu bewegen. Er spielte lieber mit Roger Federer (war mit der Schweiz nicht qualifiziert) einen Schaukampf in Südamerika. Federer hat allerdings ganz eigene geschäftliche Interessen. Mit seiner Vermarktungsagentur „Team8“. Ihr prestigeträchtiges Projekt ist der Laver Cup, dabei tritt einmal im Jahr eine Auswahl der besten Tennisspieler Europas gegen eine Weltauswahl an – angelehnt an den Ryder Cup im Golf. Als ob der Tenniskalender nicht schon voll genug gewesen wäre. Aber wenn es ums Geld geht, findet sich offenbar immer noch eine Lücke im Terminplan. (mit dpa)

(gic/dpa)
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