„Arm, aber sexy“ 10 Gründe, warum Union Berlin eine Bereicherung für die Bundesliga wäre

Berlin · Zweitligist Union Berlin kämpft in der Relegation gegen den VfB Stuttgart um den Aufstieg in die erste Liga. Wir erklären, warum die Premiere des Vereins aus dem Berliner Osten eine Bereicherung für die Liga wäre.

 1998: Nina Hagen singt die Hymne von Union Berlin „Eisern Union“.

1998: Nina Hagen singt die Hymne von Union Berlin „Eisern Union“.

Foto: dpa/Peer Grimm

Union Berlin lässt Fußballromantiker-Herzen noch höher schlagen. Der Verein aus Köpenick, tief im Berliner Osten verwurzelt, kann in der Relegation gegen den VfB Stuttgart seinen ersten Aufstieg in die Bundesliga schaffen. Am Donnerstag (20.30 Uhr/Eurosport Player) sind die Berliner bei den Schwaben zu Gast, das Rückspiel steigt am Montag im Stadion an der Alten Försterei. Union wäre der 56. Verein in der Geschichte der Bundesliga und der erste Neuling seit RB Leipzig 2016 den Sprung ins Oberhaus schaffte. Wir nennen zehn Gründe, warum der Klub eine Bereicherung für die erste Liga wäre.

1) Gegenentwurf zu Hertha BSC

Während der deutschen Teilung standen die Fan-Lager von Hertha BSC im Westen und Union im Osten über die Mauer hinweg im Austausch miteinander. Hertha-Fans reisten sogar zu Heimspielen nach Ostberlin und Union-Anhänger begleiteten die Hertha zu Europapokal-Auftritten auf der östlichen Seite des Eisernen Vorhangs. Sie brachten sogar gemeinsame Fanartikel heraus. Mit einem Aufnäher, der die Aufschrift „Hertha und Union - eine Nation“ trug, bekannten sich die Anhänger als Gegner der Spaltung.

Seit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung vor fast 30 Jahren ist von der einstigen Verbundenheit nicht viel geblieben. Insbesondere in der jüngeren Vergangenheit gab sich der Stadtrivale mehr und mehr der von treuen Union-Fans verhassten Kommerzialisierung hin. Kampagnen wie „In Berlin kannst du alles sein. Auch Herthaner“ und der von Hertha-Spielern kopierte Kniefall von US-Sportlern wie Colin Kaepernick, der sich später als PR-Maßnahme entpuppte, machen den Fußball zunehmend zum Produkt. Als die Hertha-Bosse die Hymne von Frank Zander „Nur nach Hause“ durch „Dickes B“ von Seeed ersetzen, brach ein Proteststurm aus, und Hertha machte schnell eine Rolle rückwärts - bei Union undenkbar.

2) Das Stadion an der Alten Försterei

Das Stadion liegt - wie der Name schon vermuten lässt - am Rande eines Waldgebiets, dem Volkspark Wuhlheide. Wer an der Tramstation „Alte Försterei“ aussteigt, macht zum Stadion einen idyllischen kleinen Spaziergang durch das Grüne und wird schließlich von einer Backsteinfront, die an englische Stadien erinnert, empfangen.

Die Bezeichnung stammt von dem neben dem Platz gelegenen Forsthaus, das den Namen „Alte Försterei“ trug. Mit einem Fassungsvermögen von 22.012 Zuschauern ist die Alte Försterei das größte „reine“ Fußballstadion in Berlin. Nur 3.617 Plätze sind Sitzplätze. Ein besonderes Schmankerl für Nostalgiker ist die Steckanzeigetafel, auf der der Spielstand händisch angezeigt werden muss.

Im kommenden Jahr feiert die Anlange 100-jähriges Bestehen.Ursprünglich sollte das Stadion bis dahin auf 37.000 Plätze erweitert werden, doch die Pläne sind ins Stocken geraten.

3) Offen für Neues

Überregional bekannt wurde Union mit seiner Alten Försterei als Veranstaltungsort für das Weihnachtssingen und das „WM-Wohnzimmer“.

Seit in der Saison 2003/04 einen Tag vor Heiligabend 89 Mitglieder des Fanclubs „Alt-Unioner“ nach einer Negativserie heimlich bei Kerzenschein Weihnachtslieder sangen, ist die Aktion zu einer beliebten Tradition geworden und hat viele Nachahmer in anderen Städten wie Köln und Gelsenkirchen gefunden. Seit 2014 müssen sogar Eintrittskarten verkauft werden, im Jahr darauf wurde mit 28.500 Teilnehmern ein Rekord aufgestellt.

Im WM-Sommer 2014 erlangte das Stadion internationale Bekanntheit, weil Berliner ihr Sofa im Stadioninnenraum aufstellen durften, um gemeinsam die Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien anzuschauen. Bei Partien mit deutscher Beteiligung fanden sich bis zu 12.000 „Sofa-Gäste“ in Köpenick ein.

4) Endlich (wieder) Hauptstadtderby in der Bundesliga!

Das letzte Berliner Derby in der Fußball-Bundesliga liegt lange zurück: Ein erstklassiges Hauptstadtderby gab es zuletzt vor 42 Jahren in der Saison 1976/77 zwischen Hertha BSC und Tennis Borussia Berlin. Das letzte Duell zwischen Stadtrivale Hertha BSC und Union gab es zuletzt 2013 in Herthas Abstiegssaison in der 2. Bundesliga.

5) Ritter Keule würde sofort zum coolsten Maskottchen der Liga werden

Während die anderen Erstligisten Bienen, Bären, Wölfe und andere Tiere als Maskottchen haben, hat Union Berlin seit 2000 Ritter Keule. Er ist „ein wahrhaft eiserner Ritter mit einem mutigen Herz“, schreibt Union. Besonderes Accessoire: sein Dreschflegel.

6) Die Mär von „RB hat dem Osten einen Erstligisten beschert“ wäre beendet

Kritiker des von Brausegeldern finanzierten Klubs RB Leipzig müssen sich häufig anhören: „Aber Klub-Boss Dietrich Mateschitz hat dem Osten einen Erstligisten beschert“. Das sei eine Bereicherung für die Region. Das mag stimmen.

Doch der Osten hat längst seine Klubs. Und RB Leipzig steht für alles, was Unioner verachten. Sie sind antikapitalistisch und wissen um die Historie im geteilten Deutschland und Berlin.

Denn die Wende wurde wie für viele Bürger auch für Union zum finanziellen Überlebenskampf. 1993 wurde den Berlinern wegen einer gefälschten Bankbürgschaft die Lizenz entzogen und der Aufstieg in die 2. Bundesliga verweigert. 1997 schien der Konkurs unabwendbar, doch die Fans organisierten eine Rettet-Union-Demonstration, und ein Fünfjahresvertrag mit dem Sportartikelhersteller Nike bewahrte den Verein vor der Zahlungsunfähigkeit. 2004 folgte der Absturz in die vierte Liga, doch seit 2009 spielt der Verein durchgehend in der 2. Bundesliga.

7) Nina Hagen singt die Hymne

Nicht viele könnten so authentisch „Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen?“ - eine Zeile im Refrain - grölen wie die schrille Nina Hagen. Die in Ostberlin geborene Punksängerin singt mit ihrer Reibeisenstimme seit 1998 die neu geschriebene Hymne „Eisern Union“. Auch wenn die Hymne bisweilen sehr martialisch klingt, ist sie so rau wie Union selbst.

8) Gute Arbeit lohnt sich

Würde Union Berlin aufsteigen, wäre es der Lohn für jahrelange, seriöse, harte und akribische Arbeit. In den vergangenen acht Jahren belegten die „Eisernen“ zum Schluss einen einstelligen Tabellenplatz, 2014 waren sie mit Platz vier ganz nah dran am Aufstieg. Der Verein hat aus den vergleichsweise geringen Mitteln, die er hat, kontinuierlich viel gemacht. Viele Grüße nach Hamburg, möchte man sagen. Aber das wäre vielleicht zu gemein.

9) Frischer Wind für die Liga

Union Berlin hat noch nie in der Bundesliga gespielt. Der Verein würde bei einem Aufstieg also ein völlig neues Wappen in die Liga tragen. 56 Jahre nach der Gründung der Bundesliga wäre Union der 56. Bundesligist. Neue Auswärtsfahren stünden an, neue Rivalitäten und neue Fan-Freundschaften könnten entstehen.

10) Die Fans

Nicht viele können von sich behaupten, am Stadion des Liebelingsklubs mitgebaut haben zu können und schon gar nicht, dass es ihnen gehört. Nachdem rund 2000 freiwillige Helfer in fast 140.000 unbezahlten Arbeitsstunden das Stadion 2008 umgebaut hatten, kauften sie es vor sieben Jahren und halten seitdem rund 44 Prozent an der Stadionbetriebs AG. 5473 Alte-Försterei-Aktien im Wert von 2,7 Millionen Euro wurden erworben.

In Köpenick wird dewegen nie ein Autohersteller oder Versicherungsunternehmen dem Stadion seinen Namen geben.

(eh)
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