Torhüter wäre 100 Jahre alt geworden Toni Turek, du bist ein Fußballgott

Düsseldorf · Er gehörte zu den Helden von Bern, die 1954 die erste Fußball-Weltmeisterschaft für Deutschland gewannen. Seine größte Zeit hatte er bei Fortuna Düsseldorf. Am Freitag wäre Torwart Turek 100 Jahre alt geworden.

 Toni Turek hechet im Spiel der Fortuna gegen Borussia Mönchengladbach nach dem Ball.

Toni Turek hechet im Spiel der Fortuna gegen Borussia Mönchengladbach nach dem Ball.

Foto: Horstmueller/HORSTM†LLER GmbH

Dem Reporter Herbert Zimmermann verdankt das Gedächtnis der Sportnation Deutschland drei große Sätze. Der erste: „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt.“ Der zweite, der eigentlich nur aus einem Wort besteht: „Tor, Tor, Tor, Tor!“ Und der dritte: „Toni, du bist ein Teufelskerl, Toni, du bist ein Fußballgott.“ Außer Atem, mit überschlagender Stimme rief Zimmermann diese Sätze ins Hörfunkmikrofon. Er rief sie während der Übertragung des Finales um die Fußball-Weltmeisterschaft 1954. Deutschland holte durch einen 3:2-Erfolg über den großen Favoriten Ungarn zum ersten Mal den Titel. Es war eine Sensation, zu der nicht nur der Siegtorschütze Rahn entscheidend beitrug, sondern auch der Fußballgott im Tor. Toni Turek würde am Freitag 100 Jahre alt.

Wie seine zehn Kollegen im Endspiel von Bern ist Turek schon zu Lebzeiten eine Legende geworden. Und wie seine Mitspieler ist es ihm nicht immer leicht gefallen, mit diesem plötzlichen Ruhm klarzukommen. Eigentlich waren die elf späteren Helden ganz einfache Fußballspieler. Dass sie für ein Land, das neun Jahre nach Kriegsende aus dem Weltmeistertitel neues Selbstbewusstsein schöpfte, zu überlebensgroßen Figuren wurden, überforderte alle.

Fortuna Düsseldorf: Das sind die deutschen Nationalspieler​ des Klub
27 Bilder

Das sind die deutschen Nationalspieler der Fortuna

27 Bilder
Foto: Horstmueller/HORSTMUELLER GmbH

Das Zeitalter der Sportstars war noch nicht angebrochen, es waren deshalb neue Rollen, die der Finalsieg schuf. Aber selbst wenn die Namen der Helden ebenso im kollektiven Gedächtnis blieben wie Zimmermanns Radioreportage, führten die Weltmeister bald wieder ihr normales Fußballerleben. Turek ebenfalls, der zumindest über ein paar Eigenschaften verfügte, die ihn sogar heute zu einem außergewöhnlichen Spieler, zu einem Star gemacht hätten.

Denn er galt als Zocker auf der Linie. Bälle, die nach seiner Überzeugung das Ziel verfehlen würden, strafte er mit Missachtung. Er blickte ihnen nicht mal nach. Natürlich ist das manchmal ins Auge gegangen. Aber es trug Turek ebenso Bekanntheit ein wie seine guten Reflexe.

Seine größte Zeit hatte der Duisburger bei Fortuna Düsseldorf. Erst als er für den Erstligisten aus der NRW-Hauptstadt spielte, schaffte er es ins Tor der DFB-Auswahl. 31 Jahre war er da bereits. Und es wurden auch nur 20 Länderspiele, Drei Monate nach dem Triumph von Bern machte er bei der 1:3-Niederlage gegen Frankreich sein letztes Spiel in der Nationalmannschaft. In der Begegnung gab eine andere Legende des deutschen Fußballs ihr Debüt, der 17 Jahre alte Uwe Seeler. Aber das ist eine andere Geschichte.

Turek hatte in Bern dafür gesorgt, dass fortan jeder Torhüter bei Fortuna Düsseldorf an den großen Vorgänger erinnert wurde. Für die meisten seiner Nachfolger bleibt er ein Idol. Jörg Schmadtke, inzwischen Geschäftsführer beim VfL Wolfsburg und in den 80er und 90er Jahren Bundesliga-Schlussmann bei der Fortuna sagt: „Toni Turek war ein Pionier des Torhüterspiels und für alle Torhüter seiner und meiner Generation ein echtes Vorbild. In Düsseldorf wird er von den Fans immer noch verehrt, und auch im Rest des Landes hat er sich durch seine überragenden Paraden im WM-Endspiel 1954 gegen Ungarn unsterblich gemacht.“ Er bekomme noch heute Gänsehaut, wenn er sich an Zimmermanns legendäre Reportage erinnert. Und umso schöner findet Schmadtke, „dass ihm und den anderen Helden von Bern mit dem Spielfilm ,Das Wunder von Bern‘ ein filmisches Denkmal gesetzt wurde“. Dass der Regisseur Sönke Wortmann dem lockeren Toni den passenden Düsseldorfer Dialekt beimischte, obwohl Tureks Schnabel in Duisburg eher in Richtung Ruhrgebiet gewachsen war, juckt dabei niemanden.

Auch Georg Koch nicht, der Turek ebenfalls nur aus dem Film und aus Erzählungen kennt. „Ich bin sehr stolz, bei Tureks Verein im Tor gestanden zu haben“, erklärt Koch, der Mitte der 90er in Düsseldorf auf Schmadtke folgte, „er war ein großer Mann und ein großer Torwart. Es ist gut, dass vor dem Stadion in Düsseldorf eine Bronzestatue an ihn erinnert.“

Fortuna ist und bleibt Tureks wichtigste Station, obwohl er für TuS Duisburg, die TSG Ulm, Eintracht Frankfurt und zuletzt auch für Borussia Mönchengladbach spielte. Deshalb feiern die Düsseldorfer im Heimspiel gegen RB Leipzig ihren berühmtesten Schlussmann, indem sie in einem Sondertrikot auflaufen. „Das“, sagt Trainer Friedhelm Funkel, „wird eine schöne Sache.“ Auch er weiß, „dass Toni Turek in Düsseldorf immer noch präsent ist“. Für Funkel war „er einer der ersten Torhüter, von denen ich etwas mitbekommen habe und von dem mir als Kind erzählt wurde“.

Da führte Turek, der Fußballgott, schon wieder ein sehr irdisches Leben. Er arbeitete als Angestellter bei der Düsseldorfer Rheinbahn. Allerdings nur bis 1973. Mit 54 Jahren erkrankte er schwer, und er erholte sich davon nicht mehr so recht. Elf Jahre später starb der Torwart der ersten deutschen Weltmeister-Elf – in Neuss, Funkels Geburtsort.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort