Ratlosigkeit beim FC Bayern München Viele Einzelkönner, aber keine Mannschaft

München · Den Meistertitel hat Bayern München vorerst abgehakt. Es spricht allerdings wenig dafür, dass der deutsche Rekordmeister in dieser Saison noch eine Wende schafft. Mannschaft, Trainer und Vorstand scheinen ratlos.

Bundesliga 11/12: Bayern-Frust nach Pleite in Leverkusen
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Das Wetter passte zur Stimmung. Nasskalt war es am Montag in München, bisweilen ging sogar Schneeregen über dem Trainingsgelände des FC Bayern nieder. Aber es war eh nicht viel los an der Säbener Straße, zumindest nicht im Freien: Die Mannschaft von Trainer Jupp Heynckes hatte frei - erst ab Dienstag wird wieder der Versuch unternommen, eine Saison zu retten, die nicht mehr zu retten scheint. Die Meisterschaft ist ohnehin schon abgehakt, vorerst zumindest, aber eine Wende ist in der Tat nicht absehbar.

Die Krise, behauptete Präsident Uli Hoeneß vor gut einer Woche nach dem 2:0 gegen Schalke 04, "ist eine Erfindung der Medien." Erfindung? Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel zur Saison 94/95 ist es keiner Mannschaft gelungen, einen Rückstand von sieben Punkten nach dem 24. Spieltag noch aufzuholen.

"Es müsste schon was Außergewöhnliches passieren", sagte Thomas Müller am Sonntag - nur: was? Außergewöhnlich ist derzeit unter anderem nur: Achtmal lagen die Münchner in dieser Saison 0:1 zurück, nur einmal gewannen sie noch. Eine Erfindung?

Begeisterung verflogen

Die Begeisterung über die Hinrunde, die der FC Bayern mit drei Punkten Vorsprung auf Meister Borussia Dortmund beendete, ist längst verflogen. Das "beste Trainingslager aller Zeiten" vor Beginn der Rückrunde? Wohl eine Fata Morgana. "Mia san mia"? Derzeit wohl eher ein "mia san ratlos", und vor allem: "mia san koa Mannschaft." Die Spieler, sagte DFB-Sportdirektor Matthias Sammer am Sonntag in der Sendung Sky90, "müssen begreifen, dass es nicht sein kann, dass jeder seine persönlichen Egoismen in den Vordergrund stellt".

Die Spieler. "Wir haben die besten Einzelspieler", sagte Toni Kroos am Montag im "kicker"-Interview. Aber: Eine Einheit sind diese Spieler nicht. Auf dem Platz jedenfalls nicht. Hinzu kommt: Thomas Müller streitet sich in aller Öffentlichkeit mit Jerome Boateng; Mario Gomez trifft nicht mal mehr das leere Tor; Arjen Robben stichelt; Torhüter Manuel Neuer hält mal überragend, leitet dann aber auch Niederlagen ein, wie beim Rückrundenbeginn in Gladbach, wie nun in Leverkusen. Ein Gegentor, und die Mannschaft fällt fast auseinander.

"Mia san mia" - im Augenblick verkörpert es kein Spieler. Kapitän Philipp Lahm, ohnehin seit längerer Zeit nicht mehr der Weltklasseverteidiger, für den er sich hält und andere ihn halten, wirkt in seiner Rolle völlig überfordert: Ein Anführer auf dem Platz, dort wo es zählt, ist er jedenfalls nicht. Allzu offensichtlich wird nun: Der FC Bayern hängt mehr von Bastian Schweinsteiger ab, als ihm lieb sein mag, zumindest auf dem Platz fehlt er als Stratege, als Schwungrad, als die Klammer, die das Münchner Spiel zusammenhalten könnte.

Trainer wirkt verbraucht

Die Verantwortlichen scheinen ihr Pulver bereits verschossen zu haben. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende, hat sich die Mannschaft nun schon zweimal zur Brust genommen, erst vor, dann nach dem Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Basel (0:1).

Doch "aus der Scheiße" hat sich der FC Bayern nicht herausgespielt. Präsident Hoeneß lenkte in gewohnter Münchner Manier von den Problemen ab, indem er willkürlich die Schiedsrichter angriff oder die Medien. Hat auch nichts genutzt.

Auch der Trainer, dem die Bosse noch im Spätherbst so eine Art Vertrag auf Lebenszeit anboten, wirkt derzeit verbraucht. Als Moderator der Krise macht er noch immer eine ganz gute Figur, die Mannschaft aber, mit der er sich anfangs und bis Weihnachten prima verstand, scheint Heynckes irgendwie zu entgleiten.

Transfers im Winter lehnte er ab, eine Stammformation hat er seit dem Ausfall von Schweinsteiger nicht, im Mittelfeld wird munter gewechselt, am System hält er stur fest, seine Ein- und Auswechslungen sind mitunter fragwürdig.

"Als Verlierer hast du keine Argumente", sagte Heynckes am Samstag. Er wird aber ein paar finden müssen. Ebenso wie die Vorständler und der Präsident, die seltsam gelähmt wirken, so, als sei ihr einziger Plan für die Zukunft Heynckes gewesen, als stellten sie nun allerdings schockiert fest, dass die Wirkung des vermeintlichen Allheilmittels überraschend nachlässt.

Zu "gegebener Zeit", gab Sportdirektor Christian Nerlinger am Samstag zu verstehen, "werden wir mit dem Trainer über die Lage reden." Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die Meisterschaft ist wohl weg. Am 13. März aber kommt der FC Basel zum Rückspiel, am 21. März gehts wieder nach Gladbach, DFB-Pokal, Halbfinale. Die Lage ist kritisch. Am Montag wäre Gelegenheit gewesen zu reden.

(sid)
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