Eine Meisterschaft mit vielen Nebengeräuschen Der Höhepunkt einer chaotischen Bayern-Saison

Analyse | Düsseldorf/Köln · Der FC Bayern München gewinnt in einem irren Fernduell mit Borussia Dortmund noch die elfte Meisterschaft in Folge. Am Ende wird aber weitaus weniger über den Titelgewinn der Münchner gesprochen, sondern vielmehr über das Aus von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic. Es ist der Höhepunkt einer chaotischen Bayern-Saison voller Tiefen und voller Unruhe.

Durften sich am Ende doch wieder jubeln: Die Spieler des FC Bayern München feiern den Gewinn der 33. deutschen Meisterschaft der Vereinsgeschichte.

Durften sich am Ende doch wieder jubeln: Die Spieler des FC Bayern München feiern den Gewinn der 33. deutschen Meisterschaft der Vereinsgeschichte.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Dieser Meistertriumph wird den Münchnern wahrscheinlich deutlich länger in Erinnerung bleiben als bei den meisten vorherigen Titeln in der Bundesliga, die meist schon lange vor dem letzten Spieltag feststanden und weitaus weniger Dramatik mit sich brachten. Denn diesmal wurde die Meisterschaft erst auf dem allerletzten Drücker entschieden. Der FC Bayern nutzte in einem wahren Herzschlagfinale den Patzer von Borussia Dortmund (2:2 gegen Mainz) aus und konnte sich durch das späte 2:1-Siegtor von Jamal Musiala im Duell mit dem 1 FC. Köln doch noch den 33. Meistertitel der Vereinsgeschichte sichern.

Diese ganze Dramatik fügt sich nahtlos in die komplette Saison des FC Bayern ein. Und der Rekordmeister setzte nach dem Schlusspfiff noch einen oben drauf, indem man nur wenige Augenblicke nach dem Titelgewinn verkündete, dass man sich mit sofortiger Wirkung von Vorstandschef Oliver Kahn und von Sportvorstand Hasan Salihamidzic trennt.

So wurde der Gewinn der Bundesliga schnell zur Nebensache, was man sogleich auch Trainer Thomas Tuchel auf der Pressekonferenz nach dem Spiel ansehen konnte. Der 49-Jährige wirkte sichtlich niedergeschlagen und frustriert. Über seinen ersten Meistertitel seiner Karriere konnte er sich gar nicht richtig freuen. „Es passt aber zu dieser Saison: Statt zu feiern haben wir das nächste politische Thema“, sagte Tuchel in Hinblick auf die Entlassungen von Kahn und Salihamidzic, die beide maßgeblich für seine Verpflichtung verantwortlich waren.

Deutscher Meister FC Bayern München feiert Titel mit Meisterschale
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FC Bayern feiert mit der Meisterschale

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Aber auch ohne diesen vom Zeitpunkt her sehr unglücklich kommunizierten Personalwechsel täuscht der Meistertitel nicht über eine bestenfalls durchwachsene Saison des Rekordmeisters hinweg. Dabei sah zu Beginn eigentlich alles ganz rosig aus. Mit Julian Nagelsmann hatte man einen aufstrebenden Trainer in seinen Reihen, der beim FC Bayern eine neue Ära prägen sollte. Als man die ersten drei Saisonspiele jeweils haushoch gewann, gingen viele bereits von der nächsten dominanten Bayern-Saison aus. Auch in der Champions League zeigte man sich zunächst von seiner besten Seite und fegte ohne einen einzigen Punktverlust durch die Gruppenphase.

Doch in der Bundesliga-Hinrunde kamen zwischenzeitlich immer auch mal wieder ein paar kleine Dämpfer hinzu. Zunächst ein 1:1-Unentschieden gegen Gladbach, dann ein 2:2-Remis gegen den VfB Stuttgart und später sogar eine 0:1-Niederlage gegen den FC Augsburg. Das wirkliche Chaos begann beim FC Bayern aber erst nach der WM-Pause im Winter. Als Erstes verletzte sich Stammkeeper Manuel Neuer beim Ski fahren, wodurch der Mannschaft ein wichtiger Rückhalt und Führungsspieler für den Rest der Saison verloren ging. Kurz darauf wurde Torwarttrainer und Neuer-Vertrauter Toni Tapalovic entlassen, obwohl sich die Spieler öffentlich für ihn aussprachen. Im März verlor man dann die Tabellenführung an den BVB. Weil die Bayern-Bosse plötztlich die Saisonziele als gefährdet erachteten, entschied man sich Ende März dazu, Nagelsmann rauszuwerfen und Tuchel als neuen Cheftrainer zu verpflichten. In der Kommunikation des Trainerwechsels machten Kahn und Co. jedoch keine gute Figur.

Und dann blieb auch noch der erhoffte positive Effekt des Trainerwechsels aus. Innerhalb von zwei Wochen verspielte der Rekordmeister unter Tuchel zwei Titel, da man sowohl im DFB-Pokal als auch in der Champions League ausschied. Generell wirkte die Mannschaft nach dem Nagelsmann-Aus sehr verunsichert und fiel nach Gegentreffern meist regelrecht auseinander. Die Bayern-Bosse verteidigen ihre Entscheidung jedoch immer wieder. „Tuchel kann auch nicht Hand auflegen und dann ist alles besser“, sagte beispielsweise Präsident Herbert Hainer. Doch wirklich sattelfester wurde die Bayern-Mannschaft auch in den nachfolgenden Wochen nicht.

So war es auch nicht wirklich überraschend, dass der FC Bayern die Steilvorlage des BVB am Samstag fast selbst noch einmal verspielt hätte. Im Laufe der Partie wurden die Münchner nämlich erneut immer passiver und passiver, bis die Kölner in der 81. Minute per Elfmeter zum 1:1 ausglichen. Ohne die grandiose Einzelaktion von Musiala kurz vor dem Abpfiff ständen die Bayern heute wohl vor einem noch größeren Scherbenhaufen als zuletzt. Die Außendarstellung des Vereins hat nach dieser chaotischen Saison aber so oder so gelitten. Und dann benötigt man nun auch erstmal einen neuen Sportvorstand für die Kaderplanung der neuen Saison. Dem FC Bayern steht nun also trotz der elften Meisterschaft in Folge eine ganze Menge Arbeit bevor.

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