Borussia Mönchengladbach Gelangweilter Sommer und vier für drei bis sechs

Mönchengladbach · Auf Schalke hat sich die Borussia in einem ereignisarmen Spiel zu einem Saisonrekord gepasst. In der Tabelle machen vier Teams die Plätze hinter Bayern und Wolfsburg vorerst unter sich aus. Die meiste Aufregung herrschte abseits des Rasens.

FC Bayern München: "Besser geht es nicht" - Pressestimmen
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Die Pressestimmen zum 20. Spieltag

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1. Bayerische Verhältnisse

Zwischen Gefühlen und Statistik sollte es im Fußball eine klare Hierarchie geben: Erst fühlen, dann mit Zahlen belegen. Auf Schalke am Freitag fühlte es sich jedenfalls so an, als habe die Borussia in dieser Bundesliga-Saison noch nie so häufig den Ball gehabt und noch nie so häufig gepasst. Und tatsächlich — Trommelwirbel an — sind 69 Prozent Ballbesitz und 720 Abspiele Rekord für diese Spielzeit. Trommelwirbel aus. Selbst der FC Bayern passte sich den Ball bei seinem Gastspiel am Niederrhein seltener zu.

2. Zwo, eins, kein Risiko

Dass diese Statistik an Brotlosigkeit kaum zu überbieten war, lässt sich für den Freitag am Beispiel Roel Brouwers verdeutlichen. Von seinen 84 Pässen brachte der Niederländer 82 zum Mitspieler — die beste Quote der Bundesliga an diesem Wochenende. Dabei ging Brouwers jedoch so wenig Risiko ein, dass nur sieben Versuche außerhalb seines Dunstkreises landeten. Heißt: Er suchte fast ausschließlich Co-Innenverteidiger Alvaro Dominguez, Rechtsverteidiger Tony Jantschke und einen der beiden Sechser, die im wahrsten Sinne naheliegenden Optionen. Mehr Ideenreichtum hätte dem VfL nicht geschadet. Raum und Zeit wären da gewesen, schließlich hielt sich das Schalker Pressing in Grenzen. So erreichten Keeper Yann Sommer deutlich weniger Rückpässe als in den ersten beiden Spielen des Jahres. "Mir war fast schon langweilig", bemängelte der Schweizer deshalb auch den Unterhaltungswert aus Torwartsicht.

3. Auf der Suche nach dem Torschuss

Manch eine Zahl erfordert im Nachhinein investigative Höchstleistungen, um sie mit Leben zu füllen. In dem Fall ist es die Zahl Eins. In 90 Minuten soll die Borussia laut Statistik genau einen Schuss auf das Tor von Schalkes Ersatz-Ersatztorwart Timon Wellenreuther gebracht haben. Der Beitrag im vereinseigenen Fohlen.TV kommt ohne ihn aus, der Spielbericht auf kicker.de auch. In der Erinnerung schwirrt lediglich ein Schüsschen von Granit Xhaka herum, das Wellenreuther in der ersten Halbzeit problemlos aufnahm. Für eine eidesstattliche Aussage zu den Torerzielungsversuchen der Borussia reicht das aber wohl nicht.

4. Stopp-Ball in den Strafraum

In solch einem Spiel das Glück über Standards zu erzwingen, zählt auch nicht zu den Gladbacher Paradedisziplinen. Lediglich beim 1:1 in Leverkusen konnte Brouwers' Tor nach einer Ecke (das bislang einzige in dieser Saison) den Unterschied ausmachen. Bezeichnend waren auf Schalke zwei Situationen jeweils am Ende der Halbzeiten. Zunächst flog ein Hazard-Freistoß auf Kniehöhe in Richtung Sechzehner, kurz vor dem Abpfiff schnibbelte Ibrahima Traoré wie beim Tennis einen Stopp-Ball in die Gefahrenzone, die sogleich nur noch eine Zone war.

5. Keine Chance für Kramer

Immerhin zählte der Afrika-Cup-Rückkehrer zu den vagen Lichtblicken dieser Partie. An der dürftigen Joker-Statistik konnte jedoch auch Traoré nichts ändern. Seit dem ersten Spieltag hat die Borussia in der Bundesliga kein Tor durch einen Einwechselspieler erzielt, länger als Lucien Favre wartet kein Trainer auf das "Goldene Händchen". Vielleicht hätte er sein Wechselkontingent mit der Hereinnahme von Christoph Kramer ausschöpfen sollen — immerhin war der Nationalspieler Ende August gegen den VfB Stuttgart als einziger erfolgreich.

6. Quartett auf Augenhöhe

Nach 20 Spieltagen zeichnet sich überraschend deutlich ab, wo es in dieser Saison hingeht. Der Vorsprung auf den Siebten beträgt sieben Punkte, der Zweite ist acht Punkte weg. Schalke, Augsburg, Gladbach und Leverkusen werden bis weit in den Frühling unter sich bleiben, solange keiner der Europacup-Anwärter in eine veritable Krise abdriftet (oder Bremen noch einmal vier Spiele in Folge gewinnt). Von Langeweile kann da oben kaum die Rede sein, auch wenn fußballerisch am meisten noch die Augsburger überzeugen. Schließlich gibt es keine Tabellenregion, in der vier verschiedene Positionen jeweils eine unterschiedliche Belohnung bringen. Vergangenes Jahr war die Borussia mit 33 Punkten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Dritter, der Champions-League-Zug fuhr jedoch gerade ab und der Neunte war bis auf drei Punkte herangerückt.

7. Wolfsburg nicht erreichbar

Die Tordifferenz war damals (36:25) ähnlich wie heute (27:17). In der großen Mehrheit aller Spiele geht es so eng zu, dass zwei oder drei Tore mehr einen echten Quantensprung bedeuten würden. Je dreimal spielten Favres Minimalisten 1:0, 0:1, 0:0 und 1:1. 15 von 20 Partien der Borussia endeten mit maximal einem Tor Unterschied (vier Siege, eine Niederlage in den klareren Konstellationen). Die gleiche Bilanz hat Leverkusen, Schalke gewann viermal deutlich und verlor zweimal mit mindestens zwei Toren Unterschied. Wolfsburg kommt in dieser Statistik auf eine 7:0-Bilanz, der Siebte aus Hoffenheim steht bei 3:4, der Achte aus Bremen bei 3:6. Zumindest hier präsentiert sich die Tabelle sehr ehrlich.

8. Verspäteter Beginn

"Bedrohungsszenario" — dieses Wort stiftete am Freitag vor allen Dingen Verwirrung. In der offiziellen Mitteilung, die die Polizei Gelsenkirchen, die Feuerwehr und der FC Schalke um 20.36 Uhr herausgegeben haben, tauchte es auf. Da hätte die Partie bereits laufen sollen, der Anpfiff war jedoch um zehn Minuten nach hinten verschoben worden. In den Gesprächen vor dem Stadion, im Stadion und in den sozialen Netzwerken machte längst das Wort "Bombendrohung" die Runde, nachdem der WDR es getwittert hatte.

9. Ungeordnet

Nicht nur deshalb ging es bei den Kontrollen vor am Gästeblock zeitweise chaotisch zu. Aufgrund des mobilen Schalker Rasens, der unter der Woche hinter der Südtribüne auf Sonnensuche geht, führt zu den Stehplätzen ein langer, schmaler Weg. Ähnlich sieht der Sammelpunkt vor den Einlasstoren aus, Marke "Upps, den Gästeblock hätten wir beinahe vergessen". So nahm das Gedränge zeitweise gefährliche Züge an. Je näher der Anstoß kam, desto unruhiger wurde es. Gerade freitags reisen Fans später an. Stellenweise wirkte der Schalker Ordnungsdienst, der vor dem Rückrundenstart nach einem WDR-Bericht in der Kritik gestanden hatte, überfordert. Von sorgfältigeren Kontrollen angesichts der Bombendrohung war wenig zu spüren.

10. Trauerflor vergessen

Mit dem Anpfiff um 20.40 Uhr hatte sich alles gelegt. Aber bald stellte sich erneute Verwunderung ein: Wollte die Borussia nach dem Tod von Meistertrainer Udo Lattek nicht mit Trauerflor spielen? Erst in der zweiten Halbzeit lief die Mannschaft dann mit schwarzen Armbinden auf. Im Trubel rund um die Bombendrohung und die Spielverzögerung sei es leider durchgegangen, teilte der Verein auf Anfrage unserer Redaktion mit. Darüber sei man selbst sehr verärgert. Auf Twitter waren die User vor allem überrascht. Einer hatte aufgrund der untypischen Gladbacher Spielkleidung spontan eine Erklärung parat: Die schwarzen Hosen könnten als Trauerflor zählen.

@DeinSkySport Gladbach hat gar keinen Trauerflor. Oder zählt die Hose?

(jso)
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