Marokko schielt auf spanische Exklaven und die Kanaren Nächstes Ziel Teneriffa?

Madrid (RP/rpo). Im Konflikt um Perejil schielt Marokko offenbar in Wahrheit auf die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla sowie die Kanarischen Inseln. Deswegen startete die spanische Außenministerin am Donnerstag eine eingeschränkte diplomatische Initiative: Man könne über alles reden, außer Ceuta und Melilla.

Einen Tag nach der militärischen Besetzung der vor Marokko gelegenen Felseninsel Perejil hat die spanische Regierung eine diplomatische Initiative zur Lösung des Konflikts gestartet. Außenministerin Ana Palacio sagte am Donnerstag in Madrid, Spanien werde seine Soldaten von dem fußballfeldgroßen Eiland abziehen, wenn Marokko zusichere, es nicht wieder zu besetzen. Der Streit mit Marokko könne nach spanischer Ansicht ohne Vermittlung von außen beigelegt werden. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte zuvor seine Dienste angeboten.

Die Hintergründe des Konflikts um Perejil, zu deutsch "Petersilie", sind durchaus schwerwiegend. Deshalb griff Spanien mit Hunderten von Soldaten und bemerkenswert viel Kriegsgerät ein. Spanien und Portugal errichteten im 15. Jahrhundert mehrere Festungen an der afrikanischen Nordküste, um Piraten besser bekämpfen zu können. 1668 übertrug Portugal diese Festungen der spanischen Krone, darunter die beiden noch heute spanischen Städte Ceuta und Melilla und auch das kleine Perejil. Bis in die 60er Jahre blieben spanische Soldaten auf dem Felsen stationiert. Dann vereinbarten Diktator Franco und König Hassan II., das Eiland solle frei von Militär bleiben.

Marokko betreibt seit Jahrzehnten eine expansive Politik. Es beansprucht Ceuta und Melilla. In beiden Städten leben knapp 130.000 Einwohner, fast ausschließlich spanische Staatsangehörige. Zudem annektierte Marokko vor 25 Jahren die ehemals spanische Westsahara und blockiert seither eine von der Uno beabsichtigte Volksabstimmung zur Zukunft dieser Region. Wenige Kilometer vor dieser Küste liegen die Kanarischen Inseln, die Marokko immer wieder als "Reste der Kolonialzeit" bezeichnet. Ein kanarischer Abgeordneter befürchtete gestern im Parlament in Madrid, mit Perejil sollte nur erneut ein weiterer Präzedenzfall für die marokkanische Expansion geschaffen werden. Von der Gefahr eines marokkanischen Überfalls auf die Kanaren war die Rede und von der Notwendigkeit einer Verstärkung des spanischen Militärs auf den Inseln.

Marokko spricht von "Kriegserklärung"

Madrid habe es nicht akzeptieren können, dass Marokko vollendete Tatsachen schafft, sagte Außenministerin Ana Palacio. In Rabat sprachen Oppositionspolitiker von einer "Kriegserklärung" Spaniens. Die marokkanische Regierung kündigte an, den Weltsicherheitsrat anzurufen. Ein echter Krieg gilt zwar als unwahrscheinlich. Aber die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind für die nächsten Jahre wohl vollkommen zerrüttet. Schon seit mehr als einem Jahr lässt Marokko die Stelle seines Botschafters in Madrid unbesetzt, weil Spanien auf dem Westsahara-Referendum besteht.

Die Spannungen kommen der marokkanischen Führung freilich keineswegs ungelegen: Die patriotische "Perejil-Frage" lenkt von sozialen Missständen, den hohen Ausgaben der Königsfamilie und Behörden-willkür ab.

"Wir wünschen, zum Status quo ante (vormaligen Zustand) zurückzukehren", sagte die spanische Außenministerin Palacio am Donnerstag. Dafür bedürfe es Garantien. "Diese sind: Wenn wir gehen, kommen die Marokkaner nicht zurück und wir haben wieder den Zustand, den wir vorher hatten."

Palacio sagte, Spanien genüge zur Lösung der Krise eine Zusage von König Mohammed VI. und ein allgemeiner politischer Wille, die Krise zu lösen. Man könne über alles reden, außer den beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, fügte sie hinzu. Nach einer Einigung über Perejil könnte auch an gemeinsame Patrouillen spanischer und marokkanischer Polizisten gegen Rauschgiftschmuggler und illegale Einwanderer gedacht werden.

AP/HANS-GÜNTER KELLNER

(RPO Archiv)
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