Vor Bundesparteitag in Leipzig In der SPD wachsen Zweifel an Großer Koalition

Berlin · Vor dem SPD-Bundesparteitag in Leipzig, der am heutigen Donnerstag beginnt, wachsen bei den Sozialdemokraten die Zweifel am Gelingen der Koalitionsverhandlungen mit der Union. Auch acht Wochen nach der Bundestagswahl gebe es in zentralen Politikfeldern noch immer keine Anzeichen für eine Annäherung, etwa in der Steuer- und Haushaltspolitik, hieß es in sozialdemokratischen Verhandlungskreisen.

"Man kann noch nicht sagen, ob es klappt", sagte der Koordinator der SPD-Linken, Ralf Stegner. Juso-Chef Sascha Vogt zeigte sich mit Blick auf den SPD-Mitgliederentscheid Mitte Dezember über den Koalitionsvertrag skeptisch. "Der Unmut gegen eine Große Koalition ist noch immer enorm. Die wirklich wichtigen Punkte haben wir noch nicht klären können", sagte Vogt.

Die SPD will auf ihrem Parteitag einen Leitantrag beschließen, in dem sie rot-rot-grüne Bündnisse auf Bundesebene für die Zukunft nicht mehr ausschließt. Die SPD will ein solches Linksbündnis zwar erst für die Zeit ab 2017 ins Visier nehmen. Allerdings hatte die Parteispitze am Mittwoch alle Hände voll zu tun, den Eindruck zu zerstreuen, sie setze schon jetzt nicht mehr auf die Große Koalition. Man suche keinen Notausgang aus den Verhandlungen über Schwarz-Rot, beteuerte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Vertreter der Parteilinken erhöhten jedoch den Druck auf die Union und die gemäßigten Teile der SPD.

Borjans: Bei Finanten viele unterschiedliche Positionen

Union und SPD seien noch sehr weit entfernt von einem Erfolg der Koalitionsverhandlungen, erklärte Schleswig-Holsteins SPD-Chef Stegner. Eine Große Koalition würde dann scheitern, wenn es nicht gelänge, bei den zentralen Gerechtigkeitsfragen Mindestlohn, Rente nach 45 Beitragsjahren und der Solidarrente für Geringverdiener Verbesserungen zu erreichen. Juso-Chef Vogt hielt die Zustimmung der SPD-Mitglieder für völlig offen. "Wenn man heute die Mitglieder über eine Große Koalition befragen würde, dann würde es sehr schwierig werden, eine Mehrheit zu gewinnen", sagte er.

Er begrüßte die Entscheidung der Parteiführung, sich keinen Koalitionsoptionen mehr zu verschließen. "Es ist längst überfällig, dass wir den Ausschluss eines Bündnisses mit der Linkspartei aufheben. Das ist ein wichtiger Schritt", sagte Vogt. Als konkrete Drohung an die Union will er die Öffnung nicht verstanden wissen: "Es macht keinen Sinn, Koalitionsverhandlungen zu führen mit dem Ziel, diese platzen zu lassen. Dennoch muss der Prozess ergebnisoffen geführt werden."

Die SPD-Unterhändlerin für Familienpolitik, Manuela Schwesig, hatte die Gespräche am Dienstag abgebrochen, weil sie keine Aussicht auf eine Lösung im Streit mit der Union über das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften sah. "Was die Arbeitsgruppe Finanzen angeht, stellen wir in freundlicher Verbindlichkeit immer wieder fest, dass wir in vielen Punkten unterschiedliche Positionen haben", sagte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans.

(brö, mar, qua)
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