Interview mit Norbert Walter-Borjans "Koalition wird an der Steuerfrage nicht scheitern"

Berlin · Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans sieht Union und SPD in Berlin noch lange nicht auf der Zielgeraden bei den Koalitionsverhandlungen. An ein Scheitern an der Steuerfrage glaubt er allerdings nicht.

 Norbert Walter-Borjans sagt, in vielen Arbeitsgruppen gebe es noch eine Menge ungeklärter Punkte.

Norbert Walter-Borjans sagt, in vielen Arbeitsgruppen gebe es noch eine Menge ungeklärter Punkte.

Foto: dpa

Wie wahrscheinlich ist heute, acht Wochen nach der Wahl, die Bildung einer Großen Koalition in Berlin?

Walter-Borjans Das kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht einschätzen. Wir erleben in vielen Arbeitsgruppen, dass wir noch eine Menge ungeklärter Punkte haben. Was die Arbeitsgruppe Finanzen angeht, stellen wir in freundlicher Verbindlichkeit immer wieder fest, dass wir in vielen Punkten unterschiedliche Positionen haben.

Franz Müntefering hat gesagt: Opposition ist Mist. Finden Sie das auch?

Walter-Borjans Opposition ist immer Mist insofern, als man in der Opposition nur wenige politische Ziele durchsetzen kann. Die Frage ist aber, ob man in einer gemeinsamen Regierung mit der Union genügend eigene Ziele durchsetzen kann. Die Frage ist, ob die SPD bei den Verhandlungen zu Ergebnissen kommt, bei denen man mit Überzeugung sagen kann: Das ist für uns ein Fortschritt, und eine Große Koalition lohnt sich. Es gibt ja auch schon eine Reihe wichtiger Vereinbarungen. In solchen Verhandlungen darf man aber nicht einmal um fünf vor zwölf erwarten, das Ergebnis vorhersagen zu können.

Im Wahlkampf hat die SPD gesagt, sie halte Steuererhöhungen für die Vermögenden und Besserverdienenden auch aus Gerechtigkeitsgründen für nötig. Rücken Sie davon jetzt ab?

Walter-Borjans Wir sind auch weiterhin für eine höhere Steuerbelastung hoher Einkommen und Vermögen. Wenn die Steuererhöhungen mit der Union nicht zu machen sind, soll uns die Union sagen, wie sie die gemeinsamen Projekte anders finanzieren will. Die Steuerschätzung hat nur Spielräume von 0,3 Prozent des gesamten Steueraufkommens ergeben.

Die Koalition muss also nicht an der Steuerfrage scheitern?

Walter-Borjans Wenn es eine andere Finanzierung für mehr Investitionen in Infrastruktur und Bildung, für bessere Renten und eine bessere Finanzausstattung der Kommunen gibt, wird die Koalition an der Steuerfrage nicht scheitern. Wir wollen gemeinsam Steuerbetrug und Steuervermeidung bekämpfen. Beim Steuerbetrug geht es um mindestens 30 Milliarden, bei der Steuervermeidung um 130 Milliarden pro Jahr. Wenn es uns gelingt, von diesen großen Summen auch nur einen Teil in die Kasse zu bekommen, wäre das nur gerecht.

Michael Bröcker und Birgit Marschall führten das Gespräch.

(brö, mar)
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