Regierungsbefragung des Bundesfinanzministers Pfiffiger Lindner, harmlose Opposition

Berlin · Bundesfinanzminister Christian Lindner legt bei der Regierungsbefragung im Bundestag eine souveräne Vorstellung hin, dabei ist er in der Ampel-Koalition alles andere als in einer komfortablen Situation. Lindner muss in den Haushaltsverhandlungen viele Wünsche der Koalitionspartner abwehren und darf dabei trotzdem nicht als destruktiver Nein-Sager da stehen.

FDP-Chef Christian Lindner im Bundestag bei der Regierungsbefragung.

FDP-Chef Christian Lindner im Bundestag bei der Regierungsbefragung.

Foto: dpa/Julian Weber

Selbst die AfD meint es an diesem Mittwoch im Bundestag gut mit dem Bundesfinanzminister. Der AfD-Abgeordnete Albrecht Glaser stellt ihm eine komplizierte Frage zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und garniert sie nebenbei mit einem Kompliment für Christian Lindner. „Mit der ihm eigenen Pfiffigkeit“ habe der FDP-Vorsitzende derlei Fragen schon früher ausgesessen, bemerkt Glaser bei der Regierungsbefragung des Ministers im Parlament. Über dessen Gesicht huscht ein kleines Lächeln. Auch dieses Mal kann er die EZB-Frage mit der ihm eigenen rhetorischen Pfiffigkeit abblocken. Es ist auch egal, was Glaser konkret gefragt hat. Wichtig ist, dass Lindner den Kopf immer oben behält, souverän und unangreifbar bleibt.

Dabei ist der FDP-Vorsitzende gerade in keiner politisch komfortablen Situation. Seine FDP hat fünf Landtagswahlen in Folge seit der Bundestagswahl verloren. In der Ampel-Koalition muss Lindner aufpassen, dass er sich gegen SPD und Grüne behauptet und den versprochenen Mitte-Kurs verteidigt. Die laufenden Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2024 sind die Projektionsfläche der zunehmenden Spannung unter den Parteien: SPD und Grüne wollen neue soziale und ökologische Projekte umsetzen wie etwa die Kindergrundsicherung oder Verkehrs- und Klimawende. Doch Lindner sitzt auf der Kasse, lehnt Steuererhöhungen und mehr neue Schulden ab. Der unlängst öffentlich gewordene unfreundliche Briefwechsel zwischen Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) und Lindner hatte grundlegende Meinungsunterschiede über den Kurs der Finanzpolitik offenbart.

Lindner glaubt, die besseren Argumente zu haben. Die Zinsausgaben für frühere Schulden würden sich im laufenden Jahr im Vergleich zu 2021 auf 40 Milliarden Euro verzehnfachen, sagt er im Bundestag. Das sei ein „unüberhörbares Signal“, dass „wir mit Krediten auf Dauer nicht Politik machen können“. Die Regierung müsse Haushaltspolitik „aus den Augen der Kinder“ machen, denn sie müssten die Schulden später tragen. „Wir müssen lernen, dass der Wohlstand erst erwirtschaftet werden muss, bevor er danach von uns mit edlen Motiven verteilt werden kann“, sagt Lindner.

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Christian Lindner – der Überflieger

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Doch Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg vermutet, dass die Koalition am Ende übrig gebliebenes Geld aus dem 200-Milliarden-Euro-Sondervermögen, dem so genannten „Doppel-Wumms“, der eigentlich zur Dämpfung der Energiepreise vorgesehen ist, nutzen würde, um andere Projekte zu finanzieren. Aber auf Middelbergs Frage, ob Lindner zusichern könne, dass genau das nicht passieren werde, antwortet der Minister mit einem schlichten „Ja“.

Der AfD versichert Lindner, dass die Koalition nach 2023 auch 2024 die Schuldenbremse einhalten werde, „sofern nicht unerwartete neue Ereignisse eintreten“. Wie er das ohne Steuererhöhungen und neue Schulden bewerkstelligen will, lässt er hier und heute allerdings noch offen, die harmlose Opposition nimmt es hin. Lindner will den laufenden Haushaltsverhandlungen nicht vorgreifen. Am 15. März legt er dem Kabinett Eckpunkte für den Etat 2024 vor, bis dahin wird das Armdrücken vor allem mit Habeck andauern.

Der Grüne hat in seinem Brief an Lindner Einnahmeverbesserungen gefordert, etwa durch Steuererhöhungen, um mehr Geld für die soziale Kindergrundsicherung zu organisieren, die jährlich etwa zwölf Milliarden Euro zusätzlich kosten soll. Lindner hatte sich skeptisch zu den Plänen der Familienministerin Lisa Paus (Grüne) geäußert. Im Bundestag wiederholt er, dass es für ihn bei der Bekämpfung von Kinderarmut „zunächst um eine Aufgabe der Vereinfachung und Digitalisierung“ bestehender staatlicher Leistungen gehe. Über weitere „Handlungsnotwendigkeiten“ berate derzeit eine „interministerielle Arbeitsgruppe“, die Ergebnisse noch nicht vorgelegt habe.

Etatlücken will Lindner vor allem durch Subventionsabbau schließen. Einig ist er sich immerhin mit den Grünen, vor allem Subventionen mit falscher ökologischer Lenkungswirkung zu überprüfen, auch die staatliche Förderung des für die Landwirtschaft wichtigen Agrardiesels.

Viele Fragen werden an Lindner gestellt, dabei gerät Bauministerin Klara Geywitz (SPD) in den Hintergrund. Auch sie stellt sich dem Parlament an diesem Mittwoch, soll erklären, wie sie den Wohnungsbau ankurbeln will und was sie zum von Habeck geplanten Verbot neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024 sagt. Die Pläne seien mit ihr abgestimmt, sagt Geywitz. Dann ist es wieder Lindner, der sich souverän vor die Kollegin stellt: Es sei das Recht der Opposition, „irgendwelche Risse und Unterschiede in der Koalition zu finden...“. Am Ende aber werde sie „wie immer, auch wenn es das eine oder andere Geräusch gibt, ein Ergebnis finden, dass ökologische und soziale Belange gut ausbalanciert“, sagt er mit der ihm eigenen Pfiffigkeit.

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