Russlands Angriffskrieg Aufruf zu weltweiten Friedensdemos, heftige Kämpfe - die Nacht im Überblick

Kiew · Der ukrainische Präsident wendet sich per Video an die ganze Welt. Eine russische Reporterin stirbt in Kiew. In Tschernobyl werden Brände gelöscht. Ein Überblick über die Geschehnisse in der Nacht.

 Ein verletzter Mann in Mariupol auf dem Weg zu einem Kontrollpunkt, der aus der belagerten Stadt Mariupol in das Gebiet Donesz führt.

Ein verletzter Mann in Mariupol auf dem Weg zu einem Kontrollpunkt, der aus der belagerten Stadt Mariupol in das Gebiet Donesz führt.

Foto: dpa/Maximilian Clarke

Genau einen Monat nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Menschen weltweit für den heutigen Donnerstag zu Protesten gegen den Krieg aufgerufen. „Kommen Sie im Namen des Friedens, kommen Sie mit ukrainischen Symbolen, um die Ukraine, die Freiheit und das Leben zu unterstützen!“, sagte Selenskyj in einer Videoansprache in der Nacht zu Donnerstag.

Auch für die Reaktion der westlichen Länder auf den Krieg soll der Donnerstag ein entscheidender Tag werden: In Brüssel stehen Gipfeltreffen der Nato, der Siebener-Gruppe wichtiger Industrieländer (G7) und der Europäischen Union (EU) an. Dazu ist US-Präsident Joe Biden nach Europa gekommen. Die Spitzenberatungen sollen nach Worten seines Sicherheitsberaters Jack Sullivan die „nächste Phase“ der militärischen Unterstützung für die Ukraine einläuten.

„Auf diesen drei Gipfeln werden wir sehen: Wer ist ein Freund, wer ist ein Partner, und wer hat sich verkauft und betrogen?“, sagte Selenskyj. Man müsse zusammenarbeiten und verhindern, dass Moskau Mitglieder der Nato, EU oder G7 auf die Seite des Krieges ziehe.

Die Kämpfe in der Ukraine gingen unterdessen weiter. Wie auch in den vorherigen Nächten ist die Lage unübersichtlich. Unabhängige Berichte mit Augenzeugen fehlen an vielen Orten. Offizielle Mitteilungen der Kriegsparteien können von Eigeninteressen gefärbt sein.

Nach den Angaben des ukrainischen Militärs greifen russische Soldaten weiter zahlreiche Städte und Gebiete an, sind aber bei Kiew am Vorrücken gehindert worden. Auch ein Angehöriger des US-Militärs sagte, russische Truppen hätten wenig bis gar keine Fortschritte bei der Annäherung an das Stadtzentrum von Kiew gemacht.

Im Gebiet Donezk im Osten stand nach Kiewer Angaben die überwiegende Mehrheit ukrainischer Einheiten unter Beschuss. Russische Truppen wollten dort die Orte Werchnoterezke, Marjinka und weiterhin die hart umkämpfte Großstadt Mariupol einnehmen. Die Berichte aus den Kampfzonen lassen sich aber weiterhin nicht unabhängig überprüfen.

Durch russischen Beschuss in Kiew wurde am Mittwoch die russische Journalistin Oxana Baulina getötet, die für das unabhängige Investigativportal The Insider (theins.ru) arbeitete. Seit Beginn des Kriegs gab es Berichte über mindestens sechs getötete Journalisten.

Im Sperrgebiet um das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl sind mehrere Flächenbrände erfolgreich bekämpft worden. Die ukrainische Atomaufsichtsbehörde habe die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) darüber informiert, dass die Feuerwehr der Stadt Tschernobyl vier Brände gelöscht habe. Das teilte Generaldirektor Rafael Grossi am Mittwochabend mit. Zur Ursache der Feuer gab es keine Angaben. Russische Truppen hatten das Gelände um das AKW vor rund einem Monat unter ihre Kontrolle gebracht. Dort kam es 1986 zum schwersten Atomunglück in der Geschichte der zivilen Nutzung der Kernkraft.

Am Mittwoch versuchten erneut viele Menschen, dem Beschuss durch russische Soldaten in belagerten Städten zu entfliehen. Sowohl aus der Ukraine als auch aus Russland gibt es offizielle Angaben über Fluchtkorridore. Sie stimmen allerdings nicht überein.

Nach ukrainischen Angaben sind im Laufe des Tages mehr als 4500 Menschen aus belagerten und umkämpften Städten evakuiert worden. Das teilte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kyrylo Tymoschenko, am Mittwochabend (Ortszeit) auf Telegram mit. Der Großteil von ihnen, fast 3000 Menschen, habe aus der Hafenstadt Mariupol kommend mit privaten Transportmitteln die Großstadt Saporischschja erreicht.

Von russischer Seite hieß es, rund 8500 Bewohner Mariupols seien ohne Beteiligung der Kiewer Führung evakuiert worden. Aus Russland hieß es zudem, rund 180 Bewohner zweier Dörfer in der Region Belgorod an der ukrainischen Grenze seien am Mittwochabend evakuiert worden. Auch diese Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Die Ukraine setzt die umstrittene Gesichtserkennungssoftware von Clearview AI ein, um die Leichen gefallener russischer Soldaten zu identifizieren und ihre Familien ausfindig zu machen, sagt der ukrainische Vizepremierminister Mykhailo Fedorow. "Aus Höflichkeit gegenüber den Müttern dieser Soldaten verbreiten wir diese Informationen über die sozialen Medien, damit die Familien zumindest wissen, dass sie ihre Söhne verloren haben, und damit sie die Möglichkeit haben, die Leichen abzuholen", sagt Fedorow in einem Reuters-Interview. Gegner der Gesichtserkennung, darunter auch Bürgerrechtsgruppen, haben die Einführung der Clearview-Software in der Ukraine abgelehnt. Sie verweisen auf mögliche falsche Identifizierungen.

Russland erinnerte unterdessen erneut an seine Atomwaffen. In einer am Mittwoch im Fernsehen übertragenen Rede wies der Chef der russischen Weltraumbehörde, Dmitri Rogosin, darauf hin, dass das russische Atomwaffenarsenal neben den Interkontinentalraketen mit Nuklearspitze auch taktische Atomwaffen umfasse. Rogosin erklärte, das russische Atomwaffenarsenal sollte den Westen vom Eingreifen in den Krieg in der Ukraine abhalten. Rogosin verwies außerdem auf die Warnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin an andere Länder, sich nicht in das russische Vorgehen in der Ukraine einzumischen.

Der ukrainische Präsident Selenskyj wandte sich ein weiteres Mal auf Russisch an die Bürger Russlands. Er sei überzeugt, dass es dort viele Menschen gebe, denen schon „schlecht sei“ von den „Lügen der Propagandisten“. Die Ukraine habe nie die Sicherheit der Russischen Föderation bedroht, und Kiew tue alles, um den Krieg zu beenden.

(peng/dpa/Reuters/AFP)
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