Bundesverteidigungsminister skeptisch Lob und Kritik für neuen US-Afghanistankurs

Brüssel/Faisabad (RPO). Der neue Afghanistankurs von Barack Obama stößt in Berlin auf geteiltes Echo: Während der Staatsminister im Auswärtigen Amt für die mögliche Zusammenarbeit mit moderaten Taliban Unterstützung signalisierte, äußerte sich Verteidigungsminister Jung skeptischer.

Afghanistan: Welche Länder wieviele Soldaten stellen
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Foto: AP

Washingtons Gesprächsangebot an gemäßigte Taliban sei ein "konsequenter Schritt", sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), dem "Handelsblatt" vom Dienstag. US-Vizepräsident Joe Biden bekräftigte das Vorhaben bei einem Besuch in Brüssel und rief die Nato-Staaten zur Einheit im Kampf gegen den Terrorismus auf.

Das Gesprächsangebot der USA an gemäßigte Taliban sei "ein konsequenter Schritt, wenn man die afghanische Politik ernst nimmt", sagte Erler dem "Handelsblatt". Die Taliban seien "ein außerordentlich bunter Flickenteppich verschiedener Gruppierungen, die nicht alle mit der Terrororganisation El Kaida zusammenhängen".

Zurückhaltender äußerte sich Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Bei einem Truppenbesuch im nordafghanischen Faisabad sagte er, Gewaltverzicht sei "eine unbedingte Voraussetzung für eine Annäherung". Ob das eine realistische Perspektive sei, müssten die afghanische Regierung und die afghanische Bevölkerung entscheiden.

Mit Blick auf die US-Forderungen nach mehr Unterstützung in Afghanistan verwies Jung darauf, dass Deutschland 600 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan schicken werde. "Das ist ein Beitrag, der sich sehen lassen kann und auch von unseren amerikanischen Freunden gewürdigt wird", sagte Jung während eines Besuchs bei einem deutschen Wiederaufbauteam (PRT). Zuvor hatte der Minister in Masar-i-Scharif am ersten Spatenstich für den Ausbau des Flughafens teilgenommen und eine von Deutschland geförderte Polizeiakademie besucht.

Biden sagte nach Gesprächen mit den Verbündeten im Nato-Hauptquartier in Brüssel, die USA suchten nach "pragmatischen Lösungen" und die Taktik einer Einbindung gemäßigter Taliban sei es "wert, geprüft zu werden". US-Präsident Barack Obama hatte diese Möglichkeit am Wochenende erstmals öffentlich in Erwägung gezogen. Ebenso wie Obama gestand Biden ein, dass die USA den Krieg in Afghanistan derzeit nicht gewinnen könnten, aber er sei "alles andere als verloren". Die USA wollen eine Neubewertung des Einsatzes in Afghanistan noch vor dem Nato-Gipfel Anfang April abschließen.

Die Nato-Staaten rief Biden zum gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus auf. Schließlich bedeute die sich verschlechternde Sicherheitslage in Afghanistan und Pakistan nicht nur für die USA eine Bedrohung. Der Angriff auf das World Trade Center am 11. September 2001 in New York sei ebenso wie die Bombenanschläge in Madrid und London in dieser Region geplant worden, hob Biden hervor. Er betonte zugleich den Willen der neuen US-Regierung, mit den Nato-Partnern über eine gemeinsame Strategie für in Afghanistan zu beraten. Er sei gekommen, um "zuzuhören", sagte Biden.

EU-Chefdiplomat Javier Solana hob vor seinem Treffen mit Biden hervor, dass sich die Lage in Afghanistan nicht nur auf militärischem Wege verbessern lasse. "Es gibt viel zu tun, wobei es nicht ausschließlich um die Aufstockung der Truppen geht", sagte er dem staatlichen spanischen Rundfunk. Die EU-Staaten wollten ihre Truppenzahl in Afghanistan "im Prinzip" nicht aufstocken. Vielmehr gelte es, sich um politische Fragen wie die Beziehungen zwischen Afghanistan und Pakistan und den zivilen Wiederaufbau zu kümmern.

(AFP)
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