Terror in Nordirland Ein Land starrt in den Abgrund

Düsseldorf (RPO). Zwei Anschläge, drei Tote innerhalb von 48 Stunden. Mit extremer Brutalität haben Splittergruppen der IRA den Friedensprozess in Nordirland ins Wanken gebracht. Politiker warnen vor einer Spirale der Gewalt. Die Gräben zwischen Katholiken und Protestanten sind unverändert tief.

Nordirland: Tödlicher Anschlag auf Polizisten
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Die Anschläge der irischen Extremisten waren kaltblütig, präzise, brutal. Zuerst verloren am Samstagabend, die Soldaten Mark Quinsey (23) aus Birmingham und Patrick Azimka (21) aus London ihr Leben. Im trügerischen Schutz des Stützpunkts Massereene im nordirischen Städtchen Antrim traten die Pioniere arglos vor das Tor, um Imbissboten zu bezahlen.

Sie hatten keine Zeit, um zu fliehen, nur um zu brüllen: "Runter auf den Boden!". In den letzten Sekunden ihres Lebens versuchten Quinsey und Azimka noch, die Zivilisten mit den Pizzakartons auf die tödliche Gefahr aufmerksam zu machen, ehe sie selbst von mehreren Dutzend Kugeln aus Maschinenpistolen durchsiebt wurden. Als die Attentäter in einem grünen Vauxhall Cavalier mit quietschenden Reifen von den Massereene Baracks davonfuhren, blieben sechs Männer auf dem Boden liegen, davon vier schwer verwundet.

Ähnlich kaltblütig spielt sich auch der Mord an dem 48-jährigen Polizisten Stephen Carroll ab. Eine scheinbar verängstigte Frau hatte unter der Notrufnummer 999 um Hilfe gerufen. Carroll fuhr daraufhin mit seinem Dienstwagen in die Ortschaft Craigavon, 30 Kilometer südwestlich von Belfast. Die Mörder schossen ihm aus nächster Nähe in den Kopf.

Ein Trauma ist wiedererweckt

Für Nordirland ist es wie in einem Albtraum. "Wir starren in einen Abgrund", sagt die katholische Politikerin Dolores Kelly. Sie gehört einem Gremium an, das Katholiken und Protestanten gemeinsam besetzten. Sie weiß, was auf dem Spiel steht. Fast 30 Jahre lang hat der Nordirlandkonflikt das Land gequält. Erst 1998 fand die Gewalt ein Ende.

Im Karfreitagsabkommen einigten sich die Konfliktparteien auf eine friedliche politische Zusammenarbeit. Im Regionalparlament sitzen nun ehemalige Feinde Seite an Seite. Die Regierung besteht aus pro-irischen Katholiken und pro-britischen Protestanten. Entscheidungen sind nur im Konsens möglich. Einer der Schlüssel zum Erfolg: Die Einbindung der Radikalen.

Ein Blutbad als Antwort auf den Friedensprozess

Doch eine Handvoll von Exremisten blieb unversöhnlich. Dazu zählen auch die zwei aus der ehemaligen IRA hervorgegangenen Splittergruppen, die sich zu den jüngsten Anschlägen bekannt haben: die "Real IRA" und die "Continuity IRA." Beide haben die 1997 verkündete Waffenruhe der IRA nie akzeptiert.

Im Gegenteil: Die "Real IRA" richtete in Reaktion auf das Friedensabkommen ein Blutbad an. Im August 1998 kamen in Omagh 29 Menschen ums Leben, überwiegend Frauen und Kinder. Seitdem blieb es in Nordirland weitgehend friedlich.

Umso schockierender wirkt wirkt das Doppel-Attentat nun auf die britische Öffentlichkeit. Das Attentat vom Samstagabend war der erste tödliche Anschlag auf britische Soldaten in Nordirland seit zwölf Jahren.

Die Angst greift um sich

Nun wächst die Sorge vor einer Rückkehr der Gewalt. Das Misstrauen zwischen den ehemals verfeindeten Bevölkerungsteilen ist geblieben. Zwölf Jahre reichen bei weitem nicht aus, um 30 Jahre Gewalt und Terror aus den Köpfen zu vertreiben.

Anhänger der IRA-Splittergruppe Real IRA versteckten die Täter vermutlich irgendwo in einem der katholischen Bezirke. Das weiß auch die Polizei. Es werde sicher schwierig werden, die Täter zu finden, wenn deren Nachbarn nicht kooperierten, erklärte Derek Williamson, der die Ermittlungen zu dem Anschlag auf die Soldaten leitet.

Williamson versprach, die Polizei werde alles tun, um die zu schützen, die ihr Schweigen brächen. Die Fronten zwischen Katholiken und Protestanten sind in Nordirland aber immer noch so verhärtet, dass dies eher unwahrscheinlich ist.
Doch unter dem Strich überwiegt die Zuversicht. Neben allen Beschwörungen des Friedensprozesses von politischer Seite, zeigen sich auch Experten zuversichtlich. Die Radikalen stellen den Friedensprozess zwar auf eine harte Probe, aber zerstören können sie ihn nicht, heißt es.

mit Agenturmaterial

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