Propaganda im Internet Russische Lügen über den Krieg überfordern Facebook

New York · Seit Beginn des Ukraine-Kriegs nehmen pro-russische Falschinformationen in sozialen Medien zu. Der Facebook-Konzern Meta zieht Konsequenzen – diese reichen aus Sicht von Experten aber noch lange nicht aus.

Die Facebook-App auf einem Tablet (Symbolbild).

Die Facebook-App auf einem Tablet (Symbolbild).

Foto: dpa/Uli Deck

Cyberangriffe, Propaganda und gezielt gestreute Lügen: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine treibt einem Bericht des Facebook-Mutterkonzerns Meta zufolge das Ausmaß der Desinformation in sozialen Medien in die Höhe. Hacker mit Verbindungen zu Russland drangen demnach in die Social-Media-Accounts Dutzender ukrainischer Militäroffiziere ein. Sie hätten dort Videos hochladen wollen, die andere ukrainische Soldaten zum Kapitulieren aufrufen. Das Vorhaben sei gestoppt worden, heißt es in dem Report des Konzerns, zu dem auch Instagram gehört.

Dem Unternehmen zufolge gibt es grundsätzlich eine Zunahme von Falschinformationen und Propaganda in Ländern weltweit. Der Bericht deutet darauf hin, dass solche Methoden, die einst vor allem von Geheimdiensten genutzt wurden, inzwischen auf breiterer Front verwendet werden. Russland und seine Verbündeten sind hier wichtige Player: Mit dem Kreml verbundene Gruppen bringen laut Meta falsche Informationen über den Ukraine-Krieg in Umlauf und verbreiten im eigenen Land prorussische Verschwörungstheorien.

Das Facebook-Unternehmen konnte den Versuch, die Social-Media-Accounts Dutzender ukrainischer Militärkommandeure zu übernehmen, nach eigenen Angaben bis zu einem undurchsichtigen Hacker-Kollektiv namens „Ghostwriter“ zurückverfolgen. Dieses steht früheren Recherchen zufolge in Verbindung mit dem russischen Verbündeten Belarus. In der Vergangenheit hat „Ghostwriter“ Nato-kritische Inhalte verbreitet und versucht, E-Mail-Accounts zu hacken.

Dies sei ein bewährtes Vorgehen der Gruppe, sagt Ben Read, Experte für Cyberspionage beim US-Internetsicherheits-Unternehmen Mandiant, das die Aktivitäten von „Ghostwriter“ seit Jahren beobachtet. Digitale Spuren deuteten darauf hin, dass die Hacker in Belarus ansässig seien, hatte Mandiant im vergangenen Jahr erklärt. Die EU hatte zuvor Moskau für die Angriffe der Organisation verantwortlich gemacht worden. Weder Belarus noch Russland äußerten sich zu den Vorwürfen.

Meta schilderte weitere Desinformations-Kampagnen in Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Eine davon umfasste Dutzende Fake-Accounts, die anti-ukrainische Rhetorik verbreiteten. Ein weiteres Netzwerk reichte Tausende gefälschte Beschwerden über ukrainische Facebook-Nutzer ein, um diese von der Plattform entfernen zu lassen. Dies wertet Meta als den Versuch, ukrainische und kritische Stimmen in dem Netzwerk auszuschalten. Die Verantwortlichen verbargen ihre Aktivitäten in einer Facebook-Gruppe, in der es angeblich um das Thema Kochen ging.

Innerhalb Russlands hat der Kreml Hunderte Medien und Nachrichten-Websites blockiert, darunter Facebook und Twitter. Wer über den Krieg berichtet, riskiert eine Haftstrafe. Staatliche Medien verbreiten anstelle von seriösem Journalismus Verschwörungstheorien, die dazu dienen, Zustimmung für die Kriegspolitik des Kreml zu schüren und die Ukraine in ein schlechtes Licht zu rücken. Staatliche russische Medien verbreiten beispielsweise Falschmeldungen über ukrainische Nazis oder geheime US-Biowaffenlabore.

Meta und andere große Tech-Unternehmen reagierten, indem sie auf ihren Seiten russische Staatsmedien entfernten oder beschränkten, gegen Desinformations-Netzwerke vorgingen und nicht entfernte Inhalte mit entsprechenden Hinweisen versahen. Twitter kündigte vor wenigen Tagen an, auch staatlich kontrollierte Medien aus Belarus derart labeln zu wollen. Facebook hatte bereits im Oktober 2019 angekündigt, die Inhalte russischer Staatsmedien mit Warnhinweisen zu versehen. Allerdings zeigte eine Studie des Center for Countering Digital Hate im Februar 2022, dass 91 Prozent dieser Inhalte von Facebook nicht gekennzeichnet wurden.

Die Zunahme an russischer Propaganda und Falschinformation in sozialen Medien zeige, dass eine aggressivere Antwort notwendig sei, erklärte das gemeinnützige Center for Countering Digital Hate in London, das für eine stärkere Regulierung sozialer Netzwerke eintritt. In einer Studie stieß das Zentrum etwa auf zahllose Facebook-Erwähnungen zu der russischen Biowaffen-Verschwörungstheorie.

Meta habe zwar unter enormem Druck Maßnahmen gegen staatliche russische Kanäle ergriffen, sagt der Geschäftsführer des Zentrums, Imran Ahmed. Dennoch gelinge es dem Konzern nicht, weitverbreitete Desinformations-Narrative zugunsten des Regimes von Russlands Präsident Wladimir Putin einzudämmen.

Das Facebook-Unternehmen wehrt sich seit Jahren gegen gesetzliche Vorschriften gegen die Verbreitung von Desinformation. Es kündigte für die kommenden Wochen und Monate weitere Schritte gegen Gruppen an, die seine Plattformen für Falschinformationen und Propaganda ausnutzen wollen. Allerdings passten auch diese Gruppen ihre Taktiken an, sagt Meta-Sicherheitschef Nathaniel Gleicher: „Wir rechnen damit, dass sie zurückkommen werden.“

(peng/dpa)
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