Wohin mit dem radioaktiven Müll? Atom-Endlager dringend gesucht

Berlin · Wohin mit dem radioaktiven Müll? Bund und Länder wollen noch einmal ganz von vorn anfangen – ohne Vorbedingungen.

Wohin mit dem radioaktiven Müll? Bund und Länder wollen noch einmal ganz von vorn anfangen — ohne Vorbedingungen.

Es ist fast 20 Jahre her, als eine gewisse Angela Merkel "die Lösung" für die Endlagerfrage von Atommüll präsentierte. Die damalige Umweltministerin brachte neben dem umstrittenen Standort Gorleben ein altes Salzbergwerk in Morsleben in Sachsen-Anhalt als Endlager ins Gespräch.

Doch die Wissenschaftler hatten rasch Bedenken. Das Trinkwasser könnte durch das radioaktive Material gefährdet sein, wenn die morsche Grube vollläuft. Ähnliche Probleme werden im niedersächsischen Zwischenlager Asse später offenkundig. Merkels Lösung war keine. Auch ihre Nachfolger im Amt, Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel, kamen einer Lösung für die Lagerung des radioaktiven Materials nicht wirklich näher. Das Endlager in Gorleben, bereits 1977 erstmals erkundet, stand regelmäßig im Mittelpunkt handfester Auseinandersetzungen. Ein Gutachten folgte auf das andere, eine Demonstration auf die nächste. Inzwischen wurde die Erkundung ausgesetzt.

Nun wagten Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und die rot-grün geführte Landesregierung in Niedersachsen einen kompletten Neustart. Mit dem Gesetz zur Endlagersuche soll das Verfahren wieder bei null beginnen. Alles ist wieder offen. Es gibt keine Vorbedingungen oder Vorfestlegungen. So sieht es die grundsätzliche Einigung vor, die Altmaier gestern Abend mit den Ministerpräsidenten der Länder erzielte. Das Gesetz dazu soll noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden.

Als Kanzlerin Merkel Altmaiers Vorgänger Norbert Röttgen wegen der CDU-Wahlschlappe in Nordrhein-Westfalen im Mai 2012 entließ, war das Gesetz fast ausverhandelt. Es war Norbert Röttgen, der die überparteilichen Verhandlungen zur Energiewende geschickt mit einem Konsens über die Endlagerfrage verknüpft hatte. Nach seiner Entlassung hoffte Altmaier daher auf einen schnellen Durchbruch, verständigte sich bei einem abendlichen Treffen mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin auch auf die Grundzüge. Doch der Widerstand der Grünen in Niedersachsen und des damaligen SPD-Spitzenkandidaten Stephan Weil, die vehement forderten, Gorleben komplett aus der Suche herauszunehmen, ließ den Kompromiss platzen.

Erst nach der Landtagswahl, die SPD und Grüne knapp für sich entschieden, kam wieder Bewegung in die Verhandlungen. Altmaier verhängte ein Moratorium für Arbeiten im Erkundungsbergwerk Gorleben und stimmte so die Landesgrünen milde. Nach dem Scheitern seiner Strompreisbremse wäre der Endlagerkompromiss der erste und wohl einzige vorzeigbare Erfolg des Ministers Altmaier. Immerhin haben Weil und dessen grüner Umweltminister Stefan Wenzel nun zugesichert, dass Gorleben beim Neustart der Suche einbezogen werden darf. Dort wurden bisher 1,6 Milliarden Euro investiert. Eine Kommission, die aus 24 Experten, Politikern und Wissenschaftlern von Bund und Ländern besteht, soll nun einen neuen Standort finden. Landstriche im Südwesten der Republik sowie die Gegend rund um die niedersächsischen Standorte Gorleben, Asse und entlang der Grenzen Sachsen-Anhalts gelten aufgrund ihrer tektonischen Beschaffenheit als mögliche Endlagerstandorte. Deutschland setzt als eines von wenigen Ländern bisher auf die Einlagerung in Salzstöcken. Wird Salz von der Kommission etwa wegen Risiken durch Wassereinbrüche als zu unsicher bewertet, könnte eine Lagerung in Ton oder Granit favorisiert werden.

Erneute juristische Streits und Proteste sind in der Planung für die Suche noch gar nicht berücksichtigt. Der Atommüll — er bleibt ein Dauerthema der Bundesrepublik.

(brö)
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