Richter dementiert Einstellung des Verfahrens Zugunglück: Lokführer hätte nicht eingestellt werden dürfen

Köln (rpo). "Vorsichtig ausgedrückt hanebüchen": So stufte ein Gutachter die Umstände bei der Bahn ein, unter denen der Lokführer des Unglückszuges von Brühl eingestellt wurde. Das wurde jetzt in dem Prozess um das Unglück in Brühl bekannt.

Der Lokführer des Unglückszugs von Brühl, Sascha B., war nach eigenen Worten völlig überrascht, als der D-203 auf einer nach links gestellten Weiche am Eingang des Personenbahnhofs entgleiste. Das geht aus der Tonbandaufzeichnung einer ersten Aussage des 29-Jährigen gegenüber einem Notfallmanager der Bahn AG noch in der Unglücksnacht hervor, die am Dienstag vor dem Landgericht Köln gegen den Protest der Verteidigerin abgespielt wurde.

Sascha B. äußert sich mit klarer Stimme, ohne Stocken. Der befragende Notfallmanager sagte allerdings aus, der Lokführer habe einen verzweifelten Eindruck gemacht und sei äußerst nervös gewesen. Möglicherweise habe er unter einem leichten Schock gestanden. Sascha B. muss sich zusammen mit drei weiteren Bahnmitarbeitern wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Er hat vor Gericht bisher die Aussage verweigert und lediglich eine Erklärung verlesen lassen. Bei dem Unglück kurz nach Mitternacht am 6. Februar 2000 waren neun Menschen getötet und 149 Passagiere verletzt worden.

Der Lokführer sagte in der Unglücksnacht, er sei vorschriftsmäßig mit Tempo 40 an einem Ersatzsignal vorbeigefahren und habe wieder beschleunigt, als der komplette Nachtexpress das Signal passiert hatte. Dann habe er auf einmal gesehen, dass die nächste Weiche nach links gelegen habe. Der Zug sei wegen der hohen Geschwindigkeit - die Ermittlungen ergaben 122 Kilometer pro Stunde - entgleist und die Böschung hinuntergefahren. Sascha B. sagte weiter, nach seinem Ermessen hätte die Weiche geradeaus stehen müssen. Es habe keine Unterrichtung über die Abweichung durch die Fahrdienstleitung gegeben.

In der zu Prozessbeginn verlesenen Erklärung hatte der Lokführer betont, er habe geglaubt, nach dem Güterbahnhof Brühl wieder auf freier Strecke zu sein. Danach wäre es korrekt gewesen, nach Vorbeifahrt an dem Ersatzsignal zu beschleunigen. Innerhalb eines Bahnhofs gilt das Tempolimit nach dem so genannten Signal ZS 1 allerdings bis zum nächsten Hauptsignal. Nach den Regularien der Bahn war dies in Brühl der Fall, da dort Güter- und Personenbahnhof trotz ihres Abstandes von etwa einem Kilometer als zwei Teile eines Bahnhofes gelten.

Als fertiger Lokführer eingestellt

Am sechsten Prozesstag vor der Ersten Großen Strafkammer wurde aus den Aussagen mehrerer Zeugen auch deutlich, dass Sascha B. 1994 zwei Mal die Lokführerprüfung bei der Bahn AG nicht bestanden hatte. Er war dann zur privaten Hafen- und Güterbahn Köln (HGK) gegangen.

1999 bewarb sich Sascha B. wieder bei der Bahn, die damals unter anderem wegen der Expo in Hannover dringend Lokführer suchte. Sascha B. habe einen Lokführerschein der HGK vorgelegt und in seiner Bewerbung erwähnt, dass er die Zwischenprüfungen der Lokführerausbildung bei der Bahn sämtlich bestanden habe, erklärte der für die Einstellung verantwortliche Vorgesetzte. An der Eignung habe kein Zweifel bestanden, B. sei als fertiger Lokführer eingestellt worden. Dann erst habe ein Teamleiter, der B. von damals kannte, auf das frühere Scheitern in der Abschlussprüfung hingewiesen. Sascha B. sei deshalb im August 1999 noch einmal mündlich geprüft worden, habe dabei aber alle Fragen zur Zufriedenheit beantwortet.

Zu Beginn Verhandlung war der Vorsitzende Richter Heinz Kaiser entschieden Berichten entgegengetreten, es stehe eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldbuße bevor. Kaiser sagte, dies sei eine Falschmeldung. "Ich will klarstellen, dass hier nicht über eine Einstellung des Verfahrens gesprochen wurde."

(RPO Archiv)
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