Neue Regeln für Astrazeneca NRW bietet jetzt Kreuzimpfungen an

Düsseldorf/Berlin · Bund und Länder setzen die geänderte Empfehlung der Impfkommission um. Ärzte in NRW erwarten Patienten-Ansturm, weil die Bürger einen anderen Impfstoff wollen. Spahn und die Kassenärzte rüffeln die Impfkommission für schlechte Kommunikation.

 Impfzentrum Düsseldorf.

Impfzentrum Düsseldorf.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Nordrhein-Westfalen und andere Länder wollen rasch die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) umsetzen, die nach einer Erstimpfung mit Astrazeneca als zweite Dosis den Impfstoff von Biontech oder Moderna empfiehlt. Darauf haben sich am Freitag die Gesundheitsminister von Bund und Ländern verständigt. Es solle sofort flächendeckend damit begonnen werden, als zweite Dosis einen mRNA-Impfstoff zu verabreichen, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nach den Beratungen. Diese Kreuzimpfungen seien besonders wirksam, zudem ständen nun immer mehr Dosen der mRNA-Impfstoffe Biontech und Moderna zur Verfügung.

Mit ihrer neuen Empfehlung hatte die Stiko Ärzte und Politik überrumpelt. „Dies kommt für die Impfzentren wie für die niedergelassenen Ärzte sehr überraschend“, erklärte Andreas Daniel, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen. Viele Ärzte hätten sich bei der KV gemeldet. Denn der Impfstoff für die nächste Woche habe bis vergangenen Dienstag bestellt werden müssen, natürlich noch mit einem hohen Anteil an Astrazeneca.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erwartet nun einen Ansturm der Patienten, die einen anderen Impfstoff haben oder - falls nicht möglich - ihren Termin umlegen wollen. „Der Vorschlag der Stiko, den Impfschutz dadurch zu erhöhen, indem nach der Erstimpfung mit dem Vakzin von Astrazeneca als Zweitimpfung ein mRNA-Impstoff verabreicht und gleichzeitig der Impfabstand deutlich verkürzt wird, kam sehr überraschend. Dies wird einen erneuten Run auf die Praxen auslösen“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. Der Düsseldorfer Orthopäde fordert, dass Bund und Länder nun ausreichend Biontech und Moderna bereitstellen. „In den nächsten Wochen stehen in den Praxen über drei Millionen Astrazenca-Zweitimpfungen an.“ Auch Jens Spahn rüffelte die Stiko: Die neue Empfehlung verunsichere erst einmal die Menschen, Wissenschaft und Politik müssten besser kommunizieren. Die Stiko empfiehlt einen Abstand der zweiten zur ersten Impfung von nur vier Wochen.

Auch Kanzlerin Angela Merkel hat bereits eine Kreuzimpfung erhalten. Sie wurde als erstes mit Astrazeneca und dann mit Moderna geimpft. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist ebenfalls kreuzgeimpft. „Ich kann nur dafür werben, sich für eine Kreuzimpfung zu entscheiden und habe dies in der Kombination Astrazenca und Biontech selbst getan“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. „Ich halte die Entscheidung der Stiko für richtig und medizinisch geboten.“ Die Wirkung der Kreuzimpfung sei vergleichbar hoch wie die einer reinen Impfung mit Biontech oder Moderna. „Damit wird der Astrazeneca-Impfstoff aufgewertet und kann für die Erstimpfungen der Älteren als wichtiges Instrument der Pandemiebekämpfung eingesetzt werden.“ Es sei erschreckend, dass die Nachfrage nach Astrazeneca in Deutschland stark eingebrochen sei. Praxen müssten, so zeigten Gespräche mit Ärzten, bereits ein Drittel der Astrazeneca-Dosen vernichten, weil sie diese nicht rechtzeitig loswürden.

Hartleibig bleibt die Stiko beim Kinder-Impfen. Sie will weiter an der Einschränkung festhalten und die Impfung nur für Kinder mit Vorerkrankung empfehlen. „Im Augenblick gibt es keinen Grund für eine hastige Änderung, auch wenn dies manchmal gefordert wird“, sagte Stiko-Chef Thomas Mertens dem „Spiegel“. Bei der Delta-Variante sei keine verstärkte Erkrankung von Kindern festgestellt worden.

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