Grenzüberschreitung mit Kunst Künstlergruppe aus Schermbeck zeigt Aktion in Berlin

Schermbeck · Die Gruppe „Nebelhorn“ zieht für eine Woche in das Kunstquartier Bethanien in der Bundeshauptstadt. Das mit 130.000 Euro geförderte Projekt thematisiert Diskriminierungen, Mobbing, Machtmissbrauch und häusliche Gewalt. Was genau geplant ist.

 Die Künstlergruppe „Nebelhorn“ fährt heute mit einem Lkw nach Berlin, um dort ein künstlerisches Projekt zu gestalten.

Die Künstlergruppe „Nebelhorn“ fährt heute mit einem Lkw nach Berlin, um dort ein künstlerisches Projekt zu gestalten.

Foto: Helmut Scheffler

Der kurzzeitige Wechsel vom eigenen Atelier im ehemaligen Schweinestall der Stiftung Lühlerheim in die schmucken Atelierräume des Berliner Kunstquartiers Bethanien ist für die Mitglieder der Schermbecker Künstlergruppe „Nebelhorn“ schon eine recht aufregende Angelegenheit. Heute morgen startet die von Raúl Avellaneda geleitete 13-köpfige Künstlergruppe mit weiteren Begleitern in Richtung Bundeshauptstadt, um sich künstlerisch mit dem Thema Grenzüberschreitungen zu befassen.

Die Idee zu einem Auftritt der Schermbecker Gruppe in Berlin entstand im Jahr 2018. Mitglieder von „Nebelhorn“ beteiligten sich im September 2018 in Berlin am Kongress „MitSprache“, dem weltweit größten Kongress von und für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch in Berlin. In Gesprächen mit den Veranstaltern und Teilnehmern verwies Raúl Avellaneda auf die von der Gruppe „Nebelhorn“ durchgeführte Ausstellung „Macht-Missbrauch“, die im Herbst 2015 in der Duisburger Cubus-Kunsthalle stattfand und in deren Rahmenprogramm sich mehrere Referenten mit sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Institutionen und von Erwachsenen befassten.

„Die Qualität unserer künstlerischen Arbeit, die man auch von unserer Internet-Seite kannte, war so überzeugend, dass man Interesse an einem Projekt mit uns in Berlin zeigte“, sagt Avellaneda. Mit dem Angebot, im Kunstquartier Bethanien arbeiten zu dürfen, kehrten die Schermbecker in ihr Weselerwalder Atelier zurück. Man war sich einig, ein Projekt zum Thema Grenzüberschreitung zu erarbeiten.

Dazu musste erst einmal die Finanzierung gesichert werden. Bei der „Aktion Mensch“, die die Arbeit von „Nebelhorn“ seit vielen Jahren schätzt, fanden die Künstler offene Ohren für ihr Anliegen und die Empfehlung, beim Paritätischen Wohlfahrtsverband einen Finanzierungsantrag zu stellen. Das bedeutete ein gehöriges Stück Arbeit für Raúl Avellaneda, um ein förderungsfähiges Konzept für ein 18 Monate währendes Projekt vorlegen zu können. Die Arbeit lohnte sich, denn das Projekt wird mit etwa 130.000 Euro gefördert. Da die Corona-Pandemie dazwischen kam, wurde die zugesagte Förderung zeitlich gestreckt – bis zum Herbst 2022. Zum Projekt gehört auch eine wissenschaftliche Begleitung. Die wird von der Fakultät Rehabilitationswissenschaften der Technischen Universität Dortmund übernommen, deren Mitarbeiterin Monika Schröttle bereits als Referentin bei der Ausstellung „Macht-Missbrauch“ mitwirkte.

Die Künstlerinnen und Künstler von „Nebelhorn“ haben sich intensiv Gedanken gemacht, wie sie ihre Projektarbeit in Berlin gestalten wollen. In der Zeit vom 12. bis 27. Oktober wohnt die Gruppe in einem Spandauer Ferienhaus. Tagsüber treffen sich die Künstler im Kunstquartier Bethanien. Dort stehen ihnen mehrere Räume zur Verfügung. „Grenzüberschreitungen wie Diskriminierungen, Mobbing, Machtmissbrauch oder häusliche Gewalt sind häufig Ursachen von unausgesprochenen, schweren seelischen Verletzungen“, so Avellaneda. „Besonders Menschen mit Behinderungen erleben Grenzüberschreitungen oft, ohne sich darüber mitteilen zu können.“

Die Gruppe „Nebelhorn“ hat sich seit 2019 an verschiedenen Stellen mit dem Thema auseinandergesetzt, in Berlin und in mehreren Ausstellungen im niederrheinischen Moers. Weitere Ausstellungen sollen bis 2022 folgen. In Berlin haben nun auch Besucher die Gelegenheit, anhand von Zeichnungen, Bildern, Collagen, Rauminstallationen, Texten, theatralischen Darstellungen, Tonaufnahmen, Fotografien und Filmen, ihre persönlichen Erfahrungen und Meinungen zu äußern.

Im Lkw wurden jede Menge Bühnenelemente, Kostüme, Masken, Musik- und Tongeräte verpackt, um die Performances, die jeweils etwa zwei Stunden dauern, optimal gestalten zu können. Ziel der Aktionen sei es, so Avellaneda, für das Thema zu sensibilisieren und Lösungen oder Anregungen zu finden. Alle künstlerischen Beiträge werden gefilmt und später auf die Homepage www.nebelhorn.org gesetzt.

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