Gesellschaften warten noch auf zugesagte Finanzhilfe aus letzter Session Karnevalisten in der Krise

Leverkusen · Künstleragenturen bestehen auf Erfüllung der Verträge trotz des Ausfalls der Saalveranstaltungen in dieser Session. Die Karnevalsgesellschaften fürchten zudem Mitgliederflucht. „Die Menschlichkeit fällt hinten runter“, sagt etwa Dietmar Beck von den Neustadtfunken.

 Tanscorps trainieren das Jahr über hart und dürfen schon das zweite Jahr in Folge nicht auf einer Bühne stehen. Da kommt Frust auf.

Tanscorps trainieren das Jahr über hart und dürfen schon das zweite Jahr in Folge nicht auf einer Bühne stehen. Da kommt Frust auf.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Krisensitzung beim Festausschuss Leverkusener Karneval (FLK) kurz vor Weihnachten. Ein wichtiges Thema: die Folgen durch die Corona-Schutzmaßnahmen. Trotz Absage von närrischen Veranstaltungen bestehen Künstleragenturen, Bands, Büttenredner & Co. auf Erfüllung ihrer Verträge. Zumindest die meisten. Sie fordern die vereinbarten Gagen, egal wie.

Nicht wenig Geld für die ehrenamtlich geführten Leverkusener Karnevalsgesellschaften. Eine Sitzung im Forum liegt leicht bei 30.000 Euro Gesamtkosten, eine Herrensitzung im Zelt bei 21.000 Euro. Weitaus schlimmer stufen viele Karnevalisten den Verlust der sozialen Kontakte ein: „Die Menschlichkeit fällt derzeit hinten runter“, sagt Dietmar Beck, Schatzmeister der Neustadtfunken Opladen.

Trotz dieser Zwickmühle betont FLK-Präsident Thomas Lingenauber: „Wir Karnevalisten stehen dazu: Zum Schutz der Besucher, unserer Mitglieder und Freunde fallen diese Session die Saalveranstaltungen wieder aus.“ Auch die Neustadtfunken Opladen wollen heute, Donnerstag, die Annullierung ihrer Termine veröffentlichen. Derzeit beraten die Vertreter der Karnevalsgesellschaften, wie sie an die von Bund und Land zugesagten Hilfsgelder kommen. Bis zu 90 Prozent der Kosten sollen die Vereine wegen des erzwungenen Stillstand ersetzt bekommen.

Alles gar nicht so einfach, meint Lingenauber, zumal die versprochene finanzielle Unterstützung für die vergangene Session in Leverkusen noch nicht angekommen sei. Dem FLK-Präsidenten geht das momentane „Wischiwaschi“ der Politik ziemlich auf den Nerven. Eine juristische Grundlage im Umgang mit Verträgen sehe er deshalb nicht. „Wir fühlen uns alleine gelassen.“ Schatzmeister Beck hat sich besonders intensiv in die Beantragung der Ausfallgelder eingearbeitet. „Eine sehr schwierige Materie“, bestätigt er. Das störe viele Agenturen und Künstler nicht. Sie verlangten massiv ihre Honorare. Der Verband der Künstler forderte sogar „ein bisschen unsanft“ (Beck) von den Gesellschaften eine Vertragserweiterung, damit die Künstler über die Vereine auf jeden Fall an ihr Geld kommen.

Eine Ausnahme bildet Büttenredner Jens Singer (heutige Kunstfigur: Schofför des Kanzleramtes). Der gebürtige Leverkusener hat allen Gesellschaften die kostenfreie Aufhebung seiner Verträge angeboten. „Mir geht es um die existenzielle Sicherung der Gesellschaften“, begründet Singer, der in der Bundestagsverwaltung arbeitet. In der Berliner Machtzentrale beobachtete man übrigens genau die närrischen Massenveranstaltungen, etwa in Köln zum 11.11.. Jeck fand das in der Bundeshauptstadt kaum jemand. Für den Karneval fehle angesichts Corona mehr und mehr das Verständnis, berichtet Singer.

Sorgen bereitet den närrischen Funktionären der Wegfall von Auftritten. „Ich trainiere doch nicht Monat für Monat, um dann zwei Jahre auf keiner Bühne stehen zu dürfen“, kritisieren Mitglieder von Tanz- und Traditionscorps – und verlassen dann irgendwann den Verein.  Dies gilt auch für die Kinderabteilungen der Gesellschaften, die in Leverkusen anerkannt ganzjährig viel Jugendarbeit leisten. Immerhin: Bei den Neustadtfunken hängen für 12.000 Euro Kostüme im Schrank. „Wir sind in normalen Zeit auch sozial unterwegs, etwa im Altenheim Ulrichstraße“, erinnert dazu Beck. Vom vergangenen Sommerfest spendeten die Neustadtfunken 1700 Euro für die Flutopfer.

Ex-Prinz Lingenauber bilanziert: Derzeit gebe es eine FLK-Krisensitzung nach der anderen. „Seit Corona haben wir uns öfter getroffen als in den zehn Jahren davor insgesamt.“ Er schätzt: Dies werde wohl 2022 so bleiben.

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