Künstler Dietmar Lutz Ein Buch über 365 Malertage

Düsseldorf · Der Künstler Dietmar Lutz hat über seine tägliche Arbeit in seinem Atelier in Wittlaer ein Buch gemacht. Sein Motto: „Denken ist wie Zeichnen.“

 Der Künstler DietmarLutz in seinem Wittlaerer Atelier.

Der Künstler DietmarLutz in seinem Wittlaerer Atelier.

Foto: Helga Meister

Der Künstler Dietmar Lutz (53) hätte sich in der Pandemie bemitleiden können, denn an Ausstellungen ist angesichts des Lockdowns nicht zu denken. Doch der Meisterschüler von Dieter Krieg und zeitweilige Vertretungsprofessor jammert nicht über sein Schicksal, sondern greift zum Pinsel. Seit August 2020, als das Kultusministerium des Landes NRW sein Projekt unterstützte, malt er tagtäglich ein Bild auf lange Rollen vorgrundierter Leinwand. Nun ist ein Buch daraus geworden. Es handelt vom Strom der Zeit, vom nicht endenden Fluss von Bildern. Es ist ein glückliches Buch.

Er hat kein Tagebuch geführt und keine Kamera bemüht, sondern das Malen als tägliche Tätigkeit begriffen. Von seinem Atelier in Wittlaer schweift der Blick über das Rheinufer, den Fluss, die Tiere auf der Weide, die Wolken und zuweilen auch über die Menschen, die dort wohnen oder zu Besuch kommen. Es entstehen keine Porträts und keine Abbilder, aber Menschen wie Landschaften und Gegenstände können auftauchen. Alles wirkt wie ein kollektives Erlebnis, ähnlich den Erinnerungen, die sichtbar werden und auch schon verschwunden sind. Der Künstler beobachtet sich in seiner Welt und definiert seine Rolle darin.

Zum Malen braucht dieser Virtuose der Malerei fast nichts. Er verzichtet auf einen Keilrahmen, baut nichts, konzentriert nichts, zwingt nichts in ein Format. Er liebt auch kein Konzept und keinen Armuts-Schick, sondern lediglich einen fast mönchischen Tagesrhythmus. Für ihn ist der Lockdown eine ungeheuer produktive Zeit. Wie jede Zeit. Nun macht er das Prinzip sichtbar in einem visuellen malerischen Tagebuch. Es ist formlos. Er signiert nichts, datiert lediglich. Alles wirkt entspannt.

Er schwört aufs Zeichnen: „Es ist wie Denken, und es hört nie auf. Es geht vom Gehirn über die Hand aufs Papier. Das ist das Unmittelbarste. Alles andere wird davon abgeleitet. Die Expressionisten, vor allem Kirchner, liebten das schnelle Zeichen. Es ist die Schule des Sehens, um die Welt unmittelbar einzufangen. Das muss eine tägliche Übung sein. Manche Menschen sind besessen von ihrem Körper und machen täglich Liegestützen. Ich male jeden Tag.“

Wie real kann Kunst sein? Die Antwort kennt er seit Jahrzehnten: „Ich male das, was ich sehe. Ich denke mir nichts aus. Das eigentliche Thema ist ja: Wie stellt man Wirklichkeit da? Die Motive existieren. Die Gegenstände sind nicht nur da, sondern sie sind auch gleichwertig.“ Er zögert etwas in seinem Redeschwall, dann kommt das entscheidende Wort: „Alles ist beseelt. Die ganze Welt ist beseelt. Das spüre ich, und das versuche ich darzustellen.“

So ist es selbstverständlich, dass die Bilder privat und öffentlich, flüchtig und doch auch treffend sind. Sie zeigen Motive, die figurativ und abstrakt sind. Sie wirken banal und schön zugleich. Vor allem die Gartenbilder, die tatsächlich auch bei besserem Wetter im Garten entstehen, erinnern an die Plein-Air-Malerei. Vanessa Joan Müller, die ehemalige Leiterin des Düsseldorfer Kunstvereins, zieht im Vorwort zum Buch Vergleiche zu Henri Matisse und zu David Hockney, die vor ihm den banalen Alltag in Szene gesetzt haben. Der Raum sei da, damit das Bild ihn fülle.

Der Maler gehört zur Gruppe „Hobbypop-Museum“, die gern gemeinsam arbeitet und ausstellt. Man kennt sich seit Studentenzeiten unter Dieter Krieg, dessen Meisterschüler sie sind. Als Gruppe wie als Einzelpersonen propagieren sie das, was Dietmar Lutz als „Leichtigkeit“ definiert. „Wir sind nicht angestrengt, aber ernsthaft in dem, was wir machen. Das muss man sich erst einmal erarbeiten, dass zwei Striche eine Form und eine ganze Welt bilden.“

Die Bilder entstehen auf langen, vorgrundierten, leicht saugenden Leinwänden in Acryl, Aquarell oder Bleistift, werden anschließend aufgerollt und im Keller gelagert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort