Schauspielerin in Wermelskirchen geboren Von wegen dünn, zart und blond

Wermelskirchen · Die Schauspielerin Nelly Politt kam in Wermelskirchen zur Welt. In starken, frechen Frauenrollen zeigt sie ihr Können.

 Atemholen auf ihrer Insel: Nelly Politt lebt von ihrer Arbeit als Schauspielerin. Geboren wurde sie in Wermelskirchen.

Atemholen auf ihrer Insel: Nelly Politt lebt von ihrer Arbeit als Schauspielerin. Geboren wurde sie in Wermelskirchen.

Foto: Theresa Demski

Es ist ein verwunschener Ort. Im Grunde eine perfekte Filmkulisse. Die große Holztüre quietscht ein bisschen, die Dielen im Treppenhaus haben schon viele Besucher erlebt – und als Nelly Politt schließlich die Wohnungstüre öffnet und in die Küche geht, da fällt der Blick über den Holzboden auf die offene Balkontür, schmiedeeiserne Stühle und rankendes Efeu bis in den Garten. „Das ist meine Insel“, sagt Nelly Politt. Was für den Besucher wie ein Film-Set und ein Zuhause gleichermaßen wirkt, ist für Nelly Politt einer der wenigen Orte, an dem sie keine Schauspielerin ist – sondern Tochter und Freundin. Auf diese Insel am Rande von Wuppertal kehrt sie zurück, wenn sie Theater- oder Drehpause hat. Dann verlässt sie ihre Wohnung in Neuss, setzt sich in den Zug und fährt nach Hause.

„Ich bin bergisch“, sagt sie, „und hier gibt es immer irgendwo ein gutes Schwarzbrot.“ Wenn man es genau nimmt, dann ist Nelly Politt Wermelskirchenerin – zumindest sagt das der Blick in ihren Ausweis. Allerdings sei das mehr ein Zufall gewesen, sagt die heute 26-Jährige. Die Hebamme sei aus Wermelskirchen gekommen, und deswegen sei sie am Ende auch jenseits der Wuppertaler Stadtgrenze geboren worden. Ihr Zuhause aber ist das alte, große, verwunschene Haus in Wuppertal geworden – und die Bühne.

„Mein Zuhause ist auch das Theater“, sagt Nelly Politt heute, „das ist meine zweite Familie.“ Die 26-Jährige ist Schauspielerin – mit Leib und Seele. Und mit viel Erfolg. Inzwischen hat sie ihre ersten Filme für die ARD abgedreht, aktuell ist sie mit dem Rheinischen Landestheater in Neuss auf Tournee. Sie hat das geschafft, wovon viele träumen. „Mein Vater ist Radiomacher“, erzählt sie. Und eines Tages, Nelly war gerade fünf, da nahm ihr Vater sie mit ins Tonstudio beim WDR. Irgendjemand forderte sie auf: Erzähl doch mal eine Geschichte über den höchsten Berg der Welt. Nelly erzählte und erzählte, und so entdeckte der WDR das Mädchen noch bevor sie eingeschult wurde. „Ich habe mir nichts dabei gedacht“, sagt sie heute, „ich habe einfach Spaß gehabt.“ Und im Grunde sei es so auch immer geblieben. Es sei nicht der Wunsch nach Ruhm oder Geld. Zufrieden sei sie vor allem dann, wenn sie auf der Bühne oder vor der Kamera steht. „Ich bin eine laute Person“, sagt Nelly Politt über sich und blickt einen mit diesen ausdrucksstarken Augen an, die tieftraurig, aber auch übermütig und lustig blitzen können. Und weil ihre Stimme schon in der Schule immer deutlich zu hören gewesen sei und sie ständig „Spökes gemacht“ habe, sei sie wohl auch eines Tages auf der Schulbühne gelandet. „Das hat niemanden verwundert“, sagt sie und lacht. Und als sie ihren Eltern schließlich verkündete, Schauspielerin werden zu wollen, da blickte sie in verständnisvolle Augen. „Rechtfertigen musste ich mich nie“, sagt sie. Aber ihre Mutter habe sie damals gewarnt: „Das ist ein schweres Feld. Du kannst es leichter haben.“ Aber Nelly Politt wollte es nicht leichter.

Also bewarb sie sich frohen Mutes an der Schauspielschule in Essen – und scheiterte. „Krachend“, sagt sie. Der Anfang vom Glück? Das sei dann das Praktikum im Theater in Bochum gewesen. Sie spülte Tassen und sog auf, was ihr die Schauspieler anboten. Der Tag dauerte 14 Stunden, aber die junge Wuppertalerin war selig. Sie studierte Theaterwissenschaft und Kultur, Individuum und Gesellschaft in Bochum und versuchte es dann mit einer zweiten Bewerbung – an der renommierten Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt. Und sie wurde genommen. „Ich habe nur noch geheult und gedacht: Jetzt hast du es geschafft. Dann fängst du an zu studieren und du siehst, was du alles noch nicht kannst.“ Aber Nelly Politt lernte, fiel, stand auf – und machte 2015 nach der Uni in Bochum ihren zweiten Abschluss in Frankfurt.

Seitdem zeigt sie ihr Können. „Für viele bin ich erstmal die Kleine, Dünne, Blonde, Zarte“, sagt sie, „da habe ich mich gewehrt.“ Starke, freche Frauenrollen gefallen ihr. Ein Gretchen würde sie nie zart und unschuldig auf die Bühne bringen. „Überrasch die Menschen, biete ihnen etwas an“, hat ihr ein Lehrer geraten. Und das hat sie ernst genommen. Sie sucht die Sehnsucht in den Figuren, ist sich nicht zu schade, sich ihren eigenen Geistern zu stellen, um an die Gefühle ihrer Figuren heranzukommen. „Das erste, was ich gelernt habe, ist Menschenliebe“, sagt Nelly Politt, „ich vergöttere Menschen dafür, dass sie nicht normal sind.“

Inzwischen steht sie auch vor der Kamera, spricht Hörspiele und Dokumentationen. Aber die meiste Zeit verbringt sie im Theater. „Ich weiß nicht, wie das weitergeht. Aber gerade bin ich einfach da“, sagt Nelly Politt, greift zu ihrer großen Tasse Tee, setzt sich in den Schneidersitz und genießt ihre Auszeit auf ihrer Insel.

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