Kommunalwahl 2020 „Mein Wahlrecht ist ein Luxusgut“

Wermelskirchen · Lisa-Marie Günther und Anna Hummel gehören zu den jüngsten Wählern, die im September ihr Kreuzchen machen. Die Kommunalpolitik erreiche sie selten, sagen die beiden jungen Frauen und wünschen sich mehr Echtheit.

  Engagiert im Juca und überzeugte Jung-Wähler: Anna Hummel (l.) und  Lisa-Marie Günther.

Engagiert im Juca und überzeugte Jung-Wähler: Anna Hummel (l.) und Lisa-Marie Günther.

Foto: Theresa Demski

„Geht ihr wählen?“ Anna Hummel und Lisa-Marie Günther haben es sich im „Juca“ gemütlich gemacht. Gleich beginnt ihre Schicht. Dann öffnen sie die Türen des Jugendcafés für junge Menschen, die einen Raum suchen, um für eine Weile sie selbst sein zu können. Dann schenken sie Getränke aus, kommen ins Gespräch und laden ein. Aber jetzt nehmen sie sich Zeit für ein Gespräch über Kommunalwahlen, über Politiker, über ihre eigenen Wünsche und Erwartungen und über die Dinge, die schief laufen. Also: „Geht ihr wählen?“

Die beiden jungen Frauen antworten beinahe zeitlich: „Warum sollten wir nicht?“ fragt Lisa-Marie Günther dann. „Es gibt keinen einzigen Grund, nicht wählen zu gehen“, ergänzt sie, „mein Wahlrecht ist ein Luxusgut.“ Und genauso sieht das auch Anna Hummel (17), die in diesem Jahr zum ersten Mal ihre Stimme abgeben darf. „Es gibt so viele Länder in der Welt, in der Menschen nicht mitentscheiden dürfen, in denen über ihre Köpfe hinweg entschieden wird“, sagt die 17-Jährige, „was sollte mich abhalten, wählen zu gehen?“

Und dann folgt ein engagiertes Plädoyer für Mitbestimmung, für Demokratie. Wer nicht wählen gehe, stimme lautlos zu. Der verändere nichts und stärke am Ende diejenigen, die er gar nicht stärken wolle. „Die Einstellung zu meinen, man könne ohnehin nichts verändern, ist gefährlich“, sagt Anna Hummel, „wer nicht wählt, der überlässt anderen die Veränderung.“ Das gelte auch für die Wahlen des Stadtrats und des Bürgermeister im September: Was dort entschieden werde, habe schließlich auch Konsequenzen für ihr eigenes Leben. „Kommunalpolitik betrifft auch uns“, sagen die beiden jungen Frauen.

Und dann folgt jenes betrübte und ein bisschen trotzige „Aber“, das viele Jugendliche und die Kommunalpolitik voneinander trennt: „Aber mich erreicht Kommunalpolitik gerade nicht“, erklärt Anna Hummel. Sie erzählt von der schleppenden Digitalisierung, die während der Corona-Pause noch mal offenkundiger geworden sei. „Nach drei Monaten bekommen wir Schüler am Gymnasium nun Post, um Video-Konferenzen zuzustimmen“, sagt sie und wiederholt, „nach drei Monaten.“ Oder sie denkt an die Anträge, die sie als Mitglied der Schülervertretung ins Rathaus schickt. „Das dauert oft sehr lange und manchmal bekommen wir auch gar keine Antwort“, sagt sie. Und als es um die Wiederöffnung des Juca gegangen sei, habe sie wenig Unterstützung von Seiten der Stadt empfunden, ergänzt Lisa Marie-Günther. „Obwohl es uns doch darum ging, das Juca gerade für benachteiligte Jugendliche wieder als Raum zu öffnen“, sagt sie.

Und ganz ehrlich: Wer sich um den Posten des Bürgermeisters bewerbe, habe sich bis zu ihnen noch nicht rumgesprochen. „Wir wissen, wo wir uns informieren können“, sagt die 25-Jährige, „und kurz vor der Wahl kommen wir ja auch mit unseren Familien und unseren Freunden darüber ins Gespräch.“ Dann würden Politiker auch immer häufiger in der Öffentlichkeit auftauchen. Und wieder das „Aber“: „Politiker müssten immer präsent und erreichbar sein“, sagt Anna Hummel, „auch für uns Jugendliche.“ Ihr helfe es nicht, wenn die Politiker vor einer Wahl Blumen verteilen und ihre Infozettel unters Volk bringen. „Die sollten mit anpacken, mittendrin sein und uns zuhören“, sagt Lisa-Marie Günther. Bänke schleppen, sich in der Hoffnungswoche einbringen, mal ins Juca kommen: nicht nur während des Wahlkampfes, sondern immer. „Und dann dürfen sie die Situation nicht ausnutzen: Sobald sie Werbung für sich machen, haben sie verloren. Dann hört ihnen hier keiner mehr zu.“

Politik habe viel zu viel mit Masken zu tun. „Politiker müssten ihre Masken ablegen und Mensch sein“, sagt Anna Hummel. Es dürfe nicht nur darum gehe, eigenen Ideen unters Volk zu bringen: „Sie sollten zuhören und miterleben“, sagt die 17-Jährige. Statt einer Podiumsdiskussion denkt sie an einen Abend in der Katt – mit Gesprächen und neuen Ideen. „Allerdings werden damit auch viele Jugendliche nicht erreicht“, räumt Lisa-Marie Günther ein. Also vielleicht lieber ein Konzert auf dem Markt – wenn Corona das denn wieder zulasse würde: Musik, Geselligkeit und Zuhören. „Es sollte einfach vieles echter und authentisch sein“, wünscht sich Anna Hummel.

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