Wermelskirchenerin schreibt Brandbrief Vierfachmutter sieht drohenden Kollaps

Wermelskirchen · Mit einem Brandbrief will Anne Biermann aus Wermelskirchen Druck auf die NRW-Bildungsministerin und den NRW-Familienminister aufbauen. Die Lage in der Pandemie sei eine „totale Katastrophe“ – für Eltern, Lehrer und Kinder.

 Anne Biermann freut sich, dass ihr Schreiben innerhalb von nur einem Wochenende knapp 150 weitere Unterzeichner als Unterstützer gefunden hat.

Anne Biermann freut sich, dass ihr Schreiben innerhalb von nur einem Wochenende knapp 150 weitere Unterzeichner als Unterstützer gefunden hat.

Foto: Stephan Singer

Familien mit Nachwuchs im Kindergarten- und Grundschulalter sind in der Corona-Pandemie die Verlierer. Davon ist Anne Biermann überzeugt und will diese Situation nicht länger tragen. Ihrer Ansicht nach fahren Eltern längst nicht mehr mit abgenutztem Profil, sondern auf der Felge. Die Mutter von vier Kindern, zwei sechs- und achtjährige Grundschüler, ein vierjähriges Kindergarten- und ein zweijähriges Kleinkind, richtet nun einen dreieinhalb DIN-A4-Seiten langen Offenen Brief an die NRW-Minsterien von Yvonne Gebauer (Schule und Bildung) sowie Dr. Joachim Stamp (Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration). Darin heißt es: „Dieses ständige Hin und Her, Hüh und Hott, macht uns krank.“ Anne Biermann spricht von einer „brodelnden Stimmung“ innerhalb der Elternschaft.

Dem Fass den Boden aus schlägt die jüngste Verordnung des nordrhein-westfälischen Bildungsministeriums, wie Anne Biermann meint und sich deshalb zu dem Brandbrief entschloss: „Bei einem positiven Pool (Annm.d.Red.: einer Klasse), sollen wir Eltern uns jetzt bevorzugt um einen Bürgertest kümmern. Am besten morgens noch vor der Schule.“ Die Mutter fragt die Minister: „Wie sie wie schwierig es ist, dort kurzfristig einen Termin zu bekommen? Sollen wir jetzt prophylaktich jeden Tag zum Bürgertest gehen, an denen ein Pool stattfindet?“ Für sie persönlich hätte das an vier Tagen in der Woche einen Nachmittagstermin für ihre Kinder zum Bürgertest zur Folge. „Es wird weiter auf die Eltern und die Lehrerschaft abgewälzt“, moniert Anne Biermann und rückt den Druck in den Fokus, der auf den Familien lastet: „Auf das Ergebnis eines Pooltests warten wir oft bis zum nächsten Morgen. Bei zwei Schulkindern, die an unterschiedlichen Tagen getestet werden, bedeutet das konkret: Montag bis Donnerstag hoffen wir, dass bis sechs Uhr morgens am Folgetag kein positiver Pool vorliegt. Können sie sich vorstellen, dass das an den Nerven zehrt?“

Und die zeitlichen Abläufen, wie zuletzt bei besagter Änderung, dass nach einem positivem Klassen-Pooltest sich die Schüler individuell via Bürgertest für den Schulbesuch „freitesten“ sollen, seien eine „totale Katastrophe“, meint Anne Biermann: „Das erfahren wir am 27. Januar, obwohl das geänderte Verfahren stillschweigend schon seit dem 24. Januar läuft!“

Während Erzieher und Lehrer unzählige zusätzliche Aufgaben übernähmen, für die sie weder ausgebildet seien noch bezahlt würden, steige die Zahl der psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Ess- und Angststörungen bei den Kindern. Die Lage der Eltern bewertet die vierfache Mutter entsprechend schlecht: „Wir sind frustiert, müde, kaputt, mit den Nerven am Ende und wütend. Nichts ist mehr planbar, wir sind in einem Dauerstressmodus gefangen und werden immer wieder vertröstet.“ Berufstätige Väter und Mütter sähen sich einem schwindenden Verständnis von Arbeitgebern gegenüber und so viele Urlaubs- oder Kinderkrankentage wie im Moment gebraucht würden, könne man gar nicht nehmen.

Die Wermelskirchenerin, die eine Kopie ihres Schreibens auch Bürgermeisterin Marion Lück zukommen ließ, listet Fragen an die Ministerien auf: „Wann beginnen sie darüber nachzudenken, ob diese Maßnahmen unseren Kindern vielleicht doch mehr schaden als nutzen? Wann kommt eine klare Linie in diesem Dschungel aus Maßnahmen, wann wird rechtzeitig informiert? Wie kann es sein, dass nach zwei Wochen optimiertem Testverfahren in den Grundschulen und einer Woche Pooltest in den Kindergärten festgestellt wird, dass die Labore nicht genügend Kapazitäten haben? Wäre es nicht sinnvoll, erst die Kapazitäten zu überprüfen und dann die Maßnahmen anzupassen?“ Die Omikron-Variante mit milderem Krankheitsverlauf mache die Zeit reif, auch in Bezug auf die Maßnahmen und deren Angemessenheit nachzudenken, regt Anne Biermann an: „Warum nicht auf das altbewährte zurückgreifen: Wer krank ist, bleibt zu Hause und testet sich, anstatt Woche für Woche Klassen und Gruppen auseinanderzureißen.“

Die Absenderin macht am Ende ihres Schreibens Druck und bittet um Antwort bis 11. Februar: „Ich erwarte, dass sie sich zügig mit diesen Fragen auseinandersetzen. Und zwar nicht in zwei oder drei Wochen.“ Eltern, Lehrer und Erzieher seien am Limit, es drohe der Kollaps.

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