Unterstützung für Flüchtlinge Dülkener organisieren Hilfskonvoi

Viersen · Was erst als „One-Man-Trip“ gedacht war, entwickelte sich zu einem kleinen Hilfskonvoi nach Polen. Mit in Viersen gesammelten Spenden machten sich die Helfer auf den Weg, nahmen auf der Rückfahrt aus der Ukraine geflüchtete Menschen mit nach Deutschland. Eine Wiederholung ist geplant.

 Die Helfer aus Dülken besuchten das Auffanglager im polnischen Korczowa. Dort boten sie Mitfahrgelegenheiten an. Die Suche nach Mitfahrern gestaltete sich dabei schwieriger als erwartet.

Die Helfer aus Dülken besuchten das Auffanglager im polnischen Korczowa. Dort boten sie Mitfahrgelegenheiten an. Die Suche nach Mitfahrern gestaltete sich dabei schwieriger als erwartet.

Foto: Ralf Groschopp

Die Idee kam während einer Nachrichtensendung von der polnisch-ukrainischen Grenze. „Da stand ein Mann mit einem Pappschild und bot eine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland an. Diese Idee erschien mir so einfach wie genial“, berichtet Ralf Groschopp aus Dülken. In den kommenden Tagen ging ihm dieser Gedanke nicht mehr aus dem Kopf: Vor Ort zu helfen und das mit einfachsten Mitteln.

 An einer Sammelstelle in Krakau entlud die Gruppe die in Viersen gesammelten Hilfsgüter. Sie hatte unter anderem Babynahrung, Windeln und Hygieneartikel dabei.

An einer Sammelstelle in Krakau entlud die Gruppe die in Viersen gesammelten Hilfsgüter. Sie hatte unter anderem Babynahrung, Windeln und Hygieneartikel dabei.

Foto: Ralf Groschopp

Die erste Hürde musste er in den eigenen vier Wänden nehmen. Seine Partnerin habe ihm ihre volle Unterstützung zugesagt, allerdings mit dem kleinen Hinweis: „Alleine an die Grenze? Du bist ja völlig verrückt!“ Also suchte sich Groschopp einen Mitstreiter und fand ihn im Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Dülken, Mischa Czarnecki. Sonderurlaub musste beantragt, Termine mussten verschoben werden. Schließlich stand dem Vorhaben aber nichts mehr im Wege. Als Groschopp bei der Probe seiner Band, The Greyhounds, von dem Vorhaben berichtete, waren mit Timo Wetten und Ernst-Christoph Weis zwei begeisterte Mitstreiter gefunden. Auch im Umfeld der evangelischen Gemeinde fanden sich weitere Hilfsbegeisterte. So wurde aus einem One-Man-Trip schließlich ein „Mini-Hilfskonvoi“ mit vier Fahrzeugen.

„Die Unterstützung war einfach phänomenal“, berichtet Pfarrer Czarnecki. Nachdem das Vorhaben in Freundeskreisen und Gemeinde publik gemacht wurde, folgte eine Welle der Hilfsbereitschaft – sowohl materiell als auch finanziell. Freunde und Bekannte spendeten Babynahrung, Windeln, Hygieneartikel und vieles mehr. In kürzester Zeit waren knapp 10.000 Euro an Geldspenden zusammengekommen. Die Stiftung Theresienheim Herz Jesu Dülken unterstützte die Gruppe mit der kostenfreien Bereitstellung eines neunsitzigen Busses, sogar die Spritkosten wurden übernommen. In der Anne-Frank-Gesamtschule in Viersen türmten sich die Hilfsgüter.

„Wir wollten nicht blauäugig an die Sache herangehen“, sagt Pfarrer Czarnecki. So wurden vor Abfahrt auch noch zwei Frauen ins Team geholt, die sich vor Ort auf Polnisch, Russisch und Ukrainisch verständigen konnten. „Ein Volltreffer.“ Im Vorfeld wurde Kontakt zur Polizei in Krakau aufgenommen, mit der vor Ort eine sinnvolle Entladung der Spendengüter erfolgte. In der Stadt selbst wurde das deutsche Konsulat kontaktiert. „Wir wollten wissen, wo die Not am größten ist“, sagt Groschopp. So fiel die Entscheidung bei der Wahl des Zielorts auch nicht auf das in deutschen Medien präsente Przemysl, sondern auf das Auffanglager in Korczowa.

Dort drängten sich Tausende Menschen auf engstem Raum, harrten in einem ehemaligen Einkaufszentrum aus und warteten auf Hilfe. Dennoch gestaltete sich die Suche nach „Mitfahrern“ schwieriger als erwartet. „Berlin“ hieß das Ziel der meisten Flüchtlinge, die das Ziel Deutschland ins Auge gefasst hatten. Wer kennt in Saporischschja schon Dülken? Die meisten der Frauen, die mit ihren Kindern den Weg nach Polen geschafft hatten, wollten auch nicht zu fern der Heimat eine neue Bleibe finden, mussten ihre Männer doch in der Ukraine bleiben, um das Land zu verteidigen. Wer will es ihnen verdenken?

Am ersten Tag konnten aber drei Autos den Heimweg antreten und eine Familie nach Koblenz, eine in Richtung München und einen älteren Herrn nach Kassel mitnehmen. Czarnecki und Groschopp entschieden spontan, noch einen Tag vor Ort zu bleiben. „Eine Mutter mit vier Kindern war einfach zu erschöpft für eine sofortige Weiterreise“, berichtet Groschopp. Ihr wollte man am nächsten Tag eine neue Möglichkeit anbieten, die sie schließlich nicht annehmen konnte. Dass die Dülkener dennoch nicht mit einem leeren Wagen die Heimfahrt antreten mussten, war der guten Vorbereitung geschuldet. Buchstäblich in letzter Minute erreichte die beiden ein Anruf aus Krakau, der von einer Familie berichtete, die Zuflucht suche und auch eine weite Reise an den Niederrhein nicht scheue. Wenig später gesellten sich auch noch eine ältere Dame mit ihrer Tochter hinzu. Vier Tage nachdem sich die vier Autos auf den Weg gemacht hatten, traf der letzte Wagen wieder in der Heimat ein. Alle Flüchtlinge konnten in private Unterkünfte vermittelt werden. Die fünfköpfige Familie hat ihr neues Zuhause in Dülken gefunden. „Hier haben wir sie zum ersten Mal richtig lachen sehen“, sagt Groschopp. „Das war alle Strapazen wert.“

Die Erinnerungen aus dem Flüchtlingslager haben sich allen Teilnehmern ins Gedächtnis gebrannt. So sehr, dass sich am kommenden Wochenende erneut ein Team auf den Weg macht. 

(RP)
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