Im Auftrag der Welthungerhilfe Leverkusenerin hilft Flüchtlingen in der Grenzregion

Leverkusen/Krakau · Kerstin Bandsom aus Schlebusch arbeitet seit vielen Jahren für die Welthungerhilfe in Krisengebieten. Nun ist sie mit einem achtköpfigen Team an die ukrainische Grenze gefahren. Das Leid der Flüchtlinge hat sie tief beeindruckt.

Kerstin Bandsom war acht Tage lang im Hilfseinsatz der Welthungerhilfe im ukrainischen Grenzgebiet unterwegs.

Kerstin Bandsom war acht Tage lang im Hilfseinsatz der Welthungerhilfe im ukrainischen Grenzgebiet unterwegs.

Foto: Welthungerhilfe

Kerstin Bandsom war am Rosenmontag auf dem Weg zur großen Kölner Friedensdemo, als am Rudolfplatz ihr Handy klingelte. Am anderen Ende der Leitung meldete sich ihre Chefin: „Kerstin, mach‘ dich bereit, morgen geht es los.“ Die Schlebuscherin kennt solche Anrufe. Seit 2010 begleitet sie Auslandseinsätze als Mitarbeiterin der Welthungerhilfe. Bolivien, Peru, Somalia, Mosambik, Bangla Desh und nun eben Krakau und von dort aus in die Grenzländer der Ukraine: Polen, die Republik Moldau, Rumänien.

Ihr Fachbereich ist die Kommunikation. Sie sammelt persönliche Berichte ein, um mehr Klarheit über die Lage an den Grenzstationen zu bekommen, sucht das Gespräch mit den Flüchtlingen. „Wir wollen von den Menschen direkt wissen, was sie brauchen“, sagt die 58-jährige Leverkusenerin. Das sei wichtig, um Hilfsaktionen gezielt zu steuern. Dabei ist sie nicht allein, sondern arbeitet in einem achtköpfigen internationalen Team der Welthungerhilfe. Ein deutscher Nothilfekoordinator ist darunter ebenso wie Kollegen aus Irland und ein italienischer Sicherheitsexperte.

Notdürftige Unterkünfte sind im Grenzgebiet gefragt, wie hier in einem Kaufhaus in Rumänien.

Notdürftige Unterkünfte sind im Grenzgebiet gefragt, wie hier in einem Kaufhaus in Rumänien.

Foto: Welthungerhilfe

Unterstützt werden sie von tschechischen Kollegen der Welthungerhilfe, die viel Erfahrung bei Hilfseinsätzen in der Ukraine haben und über notwendige Kontakte verfügen. Schnell wird klar, was an den Grenzstationen gebraucht wird: „Das Wichtigste sind warmes Essen und Getränke“, sagt Bandsom. Schließlich seien die Menschen über viele Stunden bei Schnee und tiefen Minusgraden unterwegs, nicht wenige zu Fuß. Die Hilfsbereitschaft an den Grenzen sei riesengroß. In einem rumänischen Grenzort habe ein Warenhausbesitzer das komplette Kaufhaus für Flüchtlinge leergeräumt, berichtet Bandsom. Tee, heiße Suppen, warme Sachen seien bereits vorhanden, doch fehle es etwa an Babynahrung, Windeln, Kinderwaren. „Eine Frage des Geldes“, sagt die Helferin. Mit schnell freigegebenen Finanzmitteln der Welthungerhilfe und anderer Hilfsorganisationen könnten freiwillige Helfer einkaufen, was benötigt wird.

Privat organisierte Hilfsaktionen seien nicht per se schlecht, sondern könnten wichtig sein. „Die Betroffenen sind dafür sehr dankbar.“ Unabdingbare Voraussetzung sei aber ein Kontakt im Grenzgebiet, der sicherstellt, dass das ankommt, was auch benötigt wird.

Alina (30) ist aus Kiew geflüchtet und erschöpft von einer 30-stündigen Reise. Ein Bekannter bringt sie nach Portugal. 

Alina (30) ist aus Kiew geflüchtet und erschöpft von einer 30-stündigen Reise. Ein Bekannter bringt sie nach Portugal. 

Foto: Welthungerhilfe

Kerstin Bandsom und ihr Team haben große Erfahrung und arbeiten professionell. „Dazu braucht man Distanz, und das haben wir trainiert“, sagt die Leverkusenerin. „Und doch lässt einen das nicht kalt.“ Immer wieder kommt es zu persönlichen Begegnungen, bei denen auch die Helfer an ihre emotionalen Grenzen gelangen. Eine ältere Dame, die allein und zu Fuß mit zwei Plastiktüten geflüchtet war und sich nun vor dem Bürgermeisteramt von Unguri/Moldau ihre Hände an einer heißen Tasse wärmt, treibt Bandsom die Tränen in die Augen.

Männer kommen in Autokolonnen aus zerstörten Städten, setzen ihre Familien an der Grenze ab und fahren zurück in den Krieg. Alina (30) aus Kiew, die 30 Stunden im Zug und zu Fuß unterwegs war und sich in gutem Englisch darüber beklagt, dass sie Eltern und Geschwister zurücklassen musste, nimmt Bandsom spontan in den Arm und tröstet sie. Alina hat Glück. Ein Bekannter aus Portugal, den sie zuvor auf einer Urlaubsreise kennengelernt hat, fährt quer durch Europa und holt sie mit dem Auto ab. „I am save“, schreibt Alina der Helferin aus Leverkusen zwei Tage nach ihrer Begegnung in Polen aus Portugal.

Längst haben Krieg, Flucht und Angst die Grenzen der Ukraine überschritten. Bandsoms Übersetzerin, eine Englisch-Professorin aus Moldau, begleitet Bandsom zum Haus von deren Mutter. Es hat einen großen Garten, steht aber leer. Die Mutter lebt jetzt bei den Kindern in der Stadt. Am Tag der Invasion hatte die alte Dame Bombeneinschläge jenseits der 16 Kilometer entfernten Grenze zur Ukraine gehört. Die Kinder glaubten an ein „Gewitter“, die Mutter bestand darauf. „Ich kenne das“, sagte sie und sollte Recht behalten. Seither sitzt die Familie der Übersetzerin auf gepackten Taschen. „Der Wagen ist vollgetankt“, sagt Bandsom. „Sie haben Angst.“

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