Gerichtsurteil Alpener muss sechs Jahre ins Gefängnis

Alpen/Kleve · Der 34-jährige Mann hatte seinem Stiefvater ein Messer in den Rücken gestochen – in Tötungsabsicht, so das Gericht.

 Ein Justizangestellter nahm dem Angeklagten vor der Verhandlung die Handschellen ab.

Ein Justizangestellter nahm dem Angeklagten vor der Verhandlung die Handschellen ab.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Wegen vorsätzlichen Mordes und gefährlicher Körperverletzung muss ein 34-Jähriger aus Alpen sechs Jahre ins Gefängnis. Er hatte seinen Stiefvater mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Die Ehefrau brach bei der Urteilsverkündung im Gerichtssaal weinend zusammen. Der Angeklagte nahm das Urteil mit versteinerter Miene zur Kenntnis. Die Kammer unter Vorsitz von Richter van Gemmeren war überzeugt, „dass der Angeklagte mit einem Tötungsvorsatz zugestochen hat“, als er dem Opfer von hinten ein Küchenmesser in den oberen Rücken rammte.

Der Cousin habe, so van Gemmeren in der Urteilsbegründung, dem Opfer das Leben gerettet. Der ausgebildete Rettungssanitäter habe die Blutung gestillt. Als Motiv für die Tat nannte Richter van Gemmeren Rache und Wut. Der Angeklagte beschuldigte seinen Stiefvater, seine zwölfjährige Tochter sexuell missbraucht zu haben. Was dieser allerdings vehement bestreitet. Die Tochter hatte sich 14 Tage vor der Tat einer Lehrerin anvertraut, ihre Mutter hat Anzeige erstattet.

Die Staatsanwältin sah das Mordmerkmal Heimtücke erfüllt und forderte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sieben Jahre und sechs Monate Haft. Rechtsanwalt Steinert hielt zwei Jahre auf Bewährung für angemessen, weil sein Mandant „nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt“ habe und nur wegen gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen sei.

Der Cousin und dessen Mutter, also die Tante des Angeklagten, waren Zeugen des dramatischen Geschehens vom 29. September 2018 gewesen. Die beiden leben in Norddeutschland, waren mit einem Lkw nach Moers gefahren, um beim Umzug zu helfen: Der Stiefvater und seine Lebensgefährtin, die Mutter des Angeklagten, wollten an dem Tag in das Haus am Rande von Alpen einziehen, in dem ihr Sohn mit seiner Frau und den beiden damals zwölf und elf Jahre alten Kindern seit einem Jahr die obere Etage bewohnte.

Nach Aussage des Beschuldigten sei das Verhältnis zu seiner Mutter schlecht gewesen. Es habe oft Streit gegeben. Gegen 16 Uhr fuhr der Umzugswagen auf das große Grundstück. Die Ehefrau des Angeklagten hatte mit den Kindern schon vorher das Haus verlassen, weil sie, so sagte sie später im Zeugenstand, ihre Tochter schützen und nicht der Begegnung mit dem Stief-Opa aussetzen wollte.

Tante und Cousin begannen mit dem Ausladen. Der Stiefvater nahm die Kartons an, brachte sie in eine Garage. Der Angeklagte, der einiges an Ouzo-Cola getrunken hatte, nahm ein Küchenmesser aus der Schublade, steckte es in den Bund seiner Jogginghose und ging auf seinen Stiefvater mit den Worten zu: „Wir müssen reden.“ Er drängte ihn um die Garagen-Ecke herum. Er sei wütend gewesen, berichtete er später. „Was hast du mit meinem Kind gemacht?“, soll er geschrien haben.

Der Stiefvater stritt den Missbrauch ab. Er habe gar nichts gemacht, sagte er. Die beiden schrien sich an, das spätere Opfer wendete sich ab und wollte weggehen. Da stach der Angeklagte ihm von hinten das Messer in den Rücken. Der Stiefvater ging zu Boden, der Angeklagte kniete über ihm, das Messer in der rechten Hand. Mit der linken schlug er auf sein Opfer ein.

Die beiden Zeugen hörten das Geschrei. Der Cousin schaffte es, dem Angeklagten das Messer aus der Hand zu nehmen und ihn vom Opfer wegzudrängen. Das schwebte in Lebensgefahr und wurde noch am Abend operiert. Der 34-Jährige kam den Polizisten mit erhobenen Händen entgegen, ließ sich widerstandslos festnehmen. Die zwei Stunden nach der Tat genommene Blutprobe wies einen Alkoholgehalt von 1,48 Promille auf.

Rechtsanwalt Steinert will Berufung gegen das Urteil einlegen.

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