Altersjubilare in Alpen Der 100-Jährige, der mit den Enkeln skypt

Alpen · Karl-Heinz Wüppermann wird am Dienstag 100. Der Spielmannszug Menzelenerheide kann aber diesmal nicht zum Ständchen ins Atrium im Pflegezentrum am Marienstift einziehen. Hier fühlt sich der Jubilar sehr wohl.

 Karl-Heinz Wüppermann ist auch mit 100 Jahren noch ein engagierter Gesprächspartner .

Karl-Heinz Wüppermann ist auch mit 100 Jahren noch ein engagierter Gesprächspartner .

Foto: Armin Fischer ( arfi )

Vor fünf Jahren ist der Spielmannszug Menzelnerheide ins Artium einmarschiert, um Karl-Heinz Wüppermann, der bei den Spielleuten über Jahrzehnte begeistert die Becken geschlagen und so den Takt mitbestimmt hat, ein Ständchen zu bringen. Dass muss nun, wenn der noch recht rüstige Vollblutmusiker in der schönen Seniorenwohnanlage am Marienstift am Dienstag die 100 voll macht, ausfallen. Corona lässt das einfach nicht zu. Aber Jammern ist die Sache von „Charles“ nicht. So haben ihn die Kinder und Jugendlichen einst in den Sommerlagern des Ferienhilfswerks immer gerufen. Für das hat er sich mit seiner vor 16 Jahren verstorbenen Frau Änne viele Jahre ehrenamtlich engagiert. „Mit geht es gut hier“, sagt er, im Sessel thronend, mit Blick auf den Flachbildfernseher. „Ich habe eine schöne Wohnung, die Leute sind alle sehr nett. Was will ich mehr?“, sagt er mehrfach.

Der Mann ist mit sich und seinem langen Leben im Reinen. Absolut. Das Coronavirus, das ihm objektiv ziemlich gefährlich werden könnte, scheint er nicht an sich heran lassen zu wollen. Angst davor habe er nicht. Er spricht nicht viel drüber. Auf Nachfrage bestätigt er, dass er geimpft sei. Mehr aber auch nicht. Der 100-Jährige redet lieber über das, was ihn freut. Die gemeinsamen Mahlzeiten beispielsweise mit seinen Freunden am Stammtisch in der Kantine des Marienstifts. „Die kenne ich gut“, sagt er. Auch die Betreuung sei prima. Und sein Sohn Werner komme ihn regelmäßig besuchen. Einsam sei er also nicht. Was los ist in der Welt, kriegt er mit. Er liest täglich Zeitung und schaut Fernsehen. Gern Sport, aber nicht nur.

Und etwas Bewegung sei wichtig. Er gehe noch oft raus auf die kleine Terrasse, auch ein kleiner Spaziergang ab und zu tue gut. Und abends mal ein Bierchen, und wenn er mal irgendwo eingeladen ist, auch ein Schnäpsken. „Warum denn nicht?“, fragt er gestenreich untermauert, um irgendwelche Bedenken von vorne herein zu zerstreuen.

Dass seine Spielleute zum Ehrentag ihres Ehrenmitglieds keine Flötentöne und Trommelschläge besteuern, findet er zwar schade, sei aber nicht zu ändern. „Was soll’s? Ich gehöre immer noch dazu“, sagt der Becken-Mann, der keine Noten braucht, weil er den Rhythmus im Blut hat, mit sichtlichem Stolz. „Aber das Ständchen wird nachgeholt“, verspricht Sohn Werner.

Karl-Heinz Wüppermann ist am 12. Januar 1921 in Bremerhaven geboren, hat im Schiffsbau gelernt, wurde mit 19 Jahren zur Marine eingezogen und war Soldat einer U-Boot-Besatzung. Im Krieg war er an der französischen Küste stationiert. Als er aus der Gefangenschaft heim kommt, sind sein Vater und seine Brüder gefallen oder vermisst. Bermerhaven liegt in Schutt und Asche. Der junge Mann kommt über seine Schwester, die in Rheinberg lebt, an den Niederrhein und lernt hier seiner Frau Änne aus Menzelen kennen. Nach der Hochzeit 1949 arbeitet er unter Tage auf der Zeche Friedrich Heinrich. Die Familie, die Tochter wird 1950 geboren, lebt in Kamp-Lintfort in bescheidenen Verhältnissen. Mitte der 50er Jahre baut sie ein Haus in Menzelen-West, wo 1957 Sohn Werner das Licht der Welt erblickt.

Vor sieben Jahren gehörte Karl-Heinz Wüppermann zu den ersten Senioren, die ins Atrium einzogen. Hier fühlt er sich bestens aufgehoben und betreut. An seinem Geburtstag wird der 100-Jährige mit seinen acht Urenkeln und drei Enkeln in Alpen, Bremen und Norwegen skypen. Die werden ihm sicher ein Ständchen singen, ganz gefahrlos auf Distanz, wie es in diesen Tagen so üblich ist. Sohn Werner wird sich darum kümmern, dass das mit der digitalen Verbindung auch klappt und sich sein Vater im weltweiten Netz nicht verirrt.

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