Handball „WM-Effekt darf nicht schnell verpuffen“

Dormagen · Handball-Basis hofft auf Schub durch die WM-Euphorie, doch Dormagens Geschäftsführer ist eher skeptisch.

 Des einen Freud ist des anderen Leid: Ausgerechnet der in Dormagen aufgewachsene Kentin Mahé brachte als „bester Spieler“ des kleinen Finales die deutschen Handballer um Fabian Wiede und Steffen Fäth um die Bronzemedaille.(v.r.)   Foto: AP Photo

Des einen Freud ist des anderen Leid: Ausgerechnet der in Dormagen aufgewachsene Kentin Mahé brachte als „bester Spieler“ des kleinen Finales die deutschen Handballer um Fabian Wiede und Steffen Fäth um die Bronzemedaille.(v.r.) Foto: AP Photo

Foto: AP/Martin Meissner

Die „beste WM aller Zeiten“, so Hassan Moustafa, der Präsident des Handball-Weltverbandes IHF, ist Geschichte. Ihre Auswirkungen, die Euphorie, die die Titelkämpfe vor allem im Land des Mit-Ausrichters auslösten, sollen nachhaltig bleiben – darauf hoffen zumindest der Deutsche Handball-Bund (DHB) und die ihn tragenden Vereine. „Je erfolgreicher man ist, desto interessanter ist man,“ sagt dazu dessen Vorstandsvorsitzender Mark Schober.

Und erfolgreich war der DHB, auch wenn auf dem Parkett die Krönung in Form einer Medaille knapp und unglücklich verpasst wurde. 898.500 Besucher bei den insgesamt 96 Partien in Berlin, Köln, München, Hamburg und den beiden dänischen Spielorten Kopenhagen und Herning bedeuteten einen neuen Zuschauerrekord. Und die Einschaltquoten bei den Spielen mit deutscher Beteiligung brachten die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender zum Strahlen – das mit 25:31 verlorene Halbfinale gegen Norwegen sahen am Freitagabend 11,91 Millionen Menschen, was nach Angaben der ARD einem Marktanteil von 35 Prozent entsprach und das Spiel zur meistgesehenen Sendung an diesem Tag machte.

Ob davon die Basis profitiert, ob Deutschland ähnlich wie nach dem „Wintermärchen“ 2007 einen Handball-Boom erlebt und ob Verband und Vereine damit besser umgehen als vor zwölf Jahren, als der Effekt allzu schnell verpuffte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wir sprachen mit einem, der es wissen muss: Björn Barthel (41), seit 2014 Geschäftsführer der TSV Bayer Dormagen Handball GmbH und zuvor 16 Jahre als Jugendtrainer in dieser Sportart tätig.

Herr Barthel, wie haben Sie die Handball-WM erlebt?

Björn Barthel So wie wir alle, als ein Ereignis voller Euphorie und Begeisterung. Das war schon mit der Heim-WM 2007 vergleichbar, nur dass die Medienlandschaft sich in der Zwischenzeit stark verändert hat und das Ganze deshalb noch besser ’rüber kam, vor allem für diejenigen, die nicht ohnehin schon Handballfan waren. Ich finde, der Handball hat sich als tolle und begeisternde Sportart präsentiert, was an der Stimmung in den Hallen, aber auch daran lag, dass die Spiele fast alle spannend waren und einen hohen Unterhaltungswert besaßen.

Können Sie als Zweitligist, kann der deutsche Handball insgesamt von dieser Entwicklung profitieren?

Barthel Die WM war ein tolles Event, aber ob sie einen wirklich nachhaltigen Effekt auf den Handball hat, das müssen wir abwarten. Als die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft vor einem Jahr von den Olympischen Spielen mit der Silbermedaille zurückkehrte, haben auch alle von einem Eishockey-Boom gesprochen – und was ist daraus geworden? Wobei die Sportverbände das auch nicht alleine in der Hand haben, die öffentliche Wahrnehmung einer Sportart hängt in erster Linie von den Medien, insbesondere den visuellen Medien, ab. Und da bin ich gespannt, ob das Fernsehen nach den positiven WM-Erfahrungen jetzt mehr über Handball berichten wird oder ob wir ganz schnell zur Tagesordnung übergehen – und die heißt in Deutschland nun einmal Fußball.

Sollte es einen Boom geben, glauben Sie, der DHB wäre dafür gerüstet?

Barthel Nach meinem Eindruck auf jeden Fall besser als 2007. Er darf jetzt nur nicht den Fehler machen und den Fußball kopieren, seine Nationalspieler total vermarkten oder ihnen vorschreiben, was sie zu sagen haben. Das Besondere am Handball ist ja das Familiäre, das Bodenständige, dass er eine Sportart „zum Anfassen“ ist – und das muss bei aller Professionalisierung auch so bleiben.

Welche Auswirkungen erwarten  Sie für die Vereine, speziell für den TSV Bayer Dormagen? Und was müssen die Vereine jetzt tun?

Barthel Auf jeden Fall besser mit der Chance umgehen, die die WM-Euphorie ihnen bietet, als 2007. Da hatten wir in Dormagen einen enormen Zulauf an Kindern, konnten drei, vier E- und D-Jugendmannschaften bestücken. Allerdings waren die, die nur durch die WM und den damaligen Titelgewinn zum Handball gekommen sind, auch schnell wieder weg. Das müssen wir besser machen, wir müssen den Jungs und Mädchen zeigen, dass Handball auch dann eine geile Sportart ist, wenn Deutschland nicht Weltmeister wird oder gerade eine WM in Deutschland stattfindet.

Wie soll das gehen?

Barthel Das geht nur mit guten Trainern. So wie der DHB seit einigen Jahren seine Nachwuchsarbeit forciert hat, müssen das auch wir Vereine tun. Wenn außer uns nur sechs der insgesamt 20 Zweitligisten das Jugendzertifikat der HBL bekommen haben, sehe ich da noch ein großes Potenzial für unsere Sportart.

Erhoffen Sie sich von der WM-Euphorie direkte Auswirkungen auf die in der kommenden Woche neu startende Zweitliga-Saison?

Barthel Ich hoffe schon, dass der eine oder andere Zuschauer Lust bekommen hat, sich jetzt auch mal Handball live vor der Haustür anzuschauen. Im Kampf um den Klassenerhalt können wir jede Unterstützung gut gebrauchen – was Stimmung in der Halle ausmacht, haben wir bei der WM ja gesehen.

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