Handball Ein Neubeginn geht nur ohne Altlasten

Rhein-Kreis · Insolvenz, Abstieg, interne Schlammschlacht – die Handball-Spielgemeinschaft Neuss/Düsseldorf und ihr Profi-Ableger HC Rhein Vikings machen wenig rühmlich von sich reden. Doch aus den Fehlern scheint keiner der Verantwortlichen bisher etwas gelernt zu haben.

 So sah mal „Handball made in Neuss“ aus: Nach seinem Aufstieg in die Dritte Liga wurde der Neusser HV bei der städtischen Sportlerehrung als „Mannschaft des Jahres“ ausgezeichnet.

So sah mal „Handball made in Neuss“ aus: Nach seinem Aufstieg in die Dritte Liga wurde der Neusser HV bei der städtischen Sportlerehrung als „Mannschaft des Jahres“ ausgezeichnet.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Heinz Lieven hat mal ein Projekt namens „DHC Rheinland“ in den Sand gesetzt. Dass das Experiment, aus zwei siechen Handball-Klubs einen properen zu machen, in die Hose ging, war keineswegs die alleinige Schuld des umtriebigen Unternehmers aus Delhoven. Doch Heinz Lieven hat konsequent gehandelt: Nach dem Scheitern hat er sich nie wieder mit dem Thema Handball befasst.

Das Scheitern der Handball-Spielgemeinschaft (HSG) Neuss/Düsseldorf und ihres Profi-Ablegers HC Rhein Vikings übertrifft die damaligen Vorgänge bei weitem. Der DHC Rheinland hat sich nie als das „spannendste Projekt innerhalb des Deutschen Handball-Bundes“ bezeichnet. In Lievens Augen schien die geplante Handballehe zwischen Dormagen und Düsseldorf der einzige Weg, um das Überleben einer Sportart auf hohem Niveau zu sichern. Das war schon damals ein Irrtum, der über Jahre verbrannte Erde hinterlassen hat – die aktuell Verantwortlichen beim TSV Bayer Dormagen können ein Lied davon singen.

Die aktuell Verantwortlichen bei der HSG Neuss/Düsseldorf respektive der Rhein Vikings scheinen hingegen aus all den Fehlern, die sie gemacht haben, gar nichts zu lernen. Eine Insolvenz, die sie zwar öffentlich verkündet, aber der Geschäftsstelle der Handball-Bundesliga (HBL) erst auf deren Nachfrage angezeigt haben, ein sportliches Desaster (kein Klub seit Einführung der eingleisigen Zweiten Bundesliga hatte eine so schlechte Hinrundenbilanz wie die Vikings), eine Schlammschlacht zwischen Spielbetriebs GmbH und der sie finanziell unterstützenden „Sportstadt Düsseldorf“ bis hin zur Klageeinreichung des ehemaligen Geschäftsführers gegen sie, eine weitere Schlammschlacht zwischen den Trägervereinen (oder Teilen davon) – das alles scheinen in ihren Augen Kavaliersdelikte zu sein, nach denen man zur Tagesordnung übergehen kann. Und diese Tagesordnung heißt „Neubeginn“ – unter altem Namen, mit den alten Verantwortlichen und, so steht zu vermuten, mit dem alten Geldgeber.

Der einzige Unterschied: Dieser Neubeginn, der keiner ist, soll in Neuss ablaufen. Jener Stadt, der die gleichen Personen vor knapp zwei Jahren den Rücken gekehrt haben, ohne sich ordentlich zu verabschieden – nicht einmal ein  Freundschafts- oder Testspiel haben die Rhein Vikings zu der Zeit, als es ihnen vermeintlich gut ging und ihre sportlichen Leistungen und nicht ihre Schlammschlachten die Menschen interessierten, in der Stadt bestritten, in der die Wurzeln ihres zwischenzeitlichen Erfolgs liegen.

Der „Sportstadt“ Neuss stünde ein Handball-Drittligist sicher gut zu Gesicht. Aber nur ein gut geführter, seriös wirtschaftender Verein mit transparenten Strukturen. Nicht ein Konstrukt, das laut Pressemitteilung der „Sportstadt Düsseldorf“ von Montagabend „eine Deckungslücke im hohen sechsstelligen Bereich“ aufweist, die nach Auffassung der „Sportstadt“ nicht dadurch entstanden sein kann, dass sie ihren Sponsoringvertrag zum 31. Dezember 2018 aufgekündigt hat. „Die ursächliche Benennung dieser Kündigung als zentraler Punkt des Insolvenzverfahrens ist dabei in keiner Weise nachvollziehbar, da der Millionenetat der Rhein Vikings davon nicht relevant beeinflusst sein kann, da dieses Sponsoring der Sportstadt Düsseldorf monatlich einen niedrigen fünfstelligen Betrag ausgemacht hat,“ heißt es dort weiter.

Der „Sportstadt“ Neuss stünde ein Handball-Drittligist sicher gut zu Gesicht. Aber nur einer, der auch den Namen dieser Stadt trägt. Und der sich darauf besinnt, was den Neusser HV mal zu einer richtig guten Adresse im deutschen Handball gemacht hat: Talente in den Schulen (sicher auch in den unterklassigen Nachbarklubs) zu finden, abzuholen, auszubilden – und nicht erst einmal alle Jugendmannschaften für die jeweils höchste Liga anzumelden und dann zu schauen, wie man deren Kader besetzt bekommt.

So hat Handball in Neuss über Jahrzehnte funktioniert – ohne René Witte, ohne Thomas Koblenzer, ohne eine Spielgemeinschaft und ohne hochfliegende Pläne, irgendwann mal in der „stärksten Liga der Welt“ mitzumischen. Als der Neusser HV vor sechs Jahren, weitgehend mit Eigengewächsen und Spielern aus der Region, den Aufstieg in die Dritte Liga feierte, tat er das vor mehr als 800 Zuschauern. Die Rhein Vikings hatten in ihren bisherigen zehn Heimspielen einen Schnitt von 703 – und da sind die beiden „Top-Spiele“ gegen TuSEM Essen (1200) und TSV Bayer Dormagen (1001) schon eingerechnet.

Der „Sportstadt“ Neuss stünde ein Handball-Drittligist sicher gut zu gesicht. Aber nur einer ohne „Altlasten“ – Heinz Lieven hat vorgemacht, wie es geht.

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