Sozialpolitik in Remscheid Haus der zerstörten Seelen

Remscheid · Ein neues Frauenhaus in der Remscheider Innenstadt bietet Schutz und Hilfe.

 Mitarbeiterinnen des neuen Frauenhauses: N. Herweg (v.l.), E. Teckentrop und Leiterin Karin Heier.

Mitarbeiterinnen des neuen Frauenhauses: N. Herweg (v.l.), E. Teckentrop und Leiterin Karin Heier.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit, sondern ein gravierender Verstoß gegen das Recht jedes Menschen auf körperliche Unversehrtheit. Dieses Recht wird oft mit Füßen getreten. Frauenhäuser bieten Betroffenen Schutz, wenn sie sich von ihrem schlagenden Ehemann oder Partner befreien wollen und nicht wissen, wo sie einen sicheren Anfang wagen können. Remscheid hat nun einen lang gehegten Plan verwirklicht und ein neues Frauenhaus im Stadtzentrum gebaut. Träger ist der Sozialdienst Katholischer Frauen Bergisches Land.

Die Beigeordnete Barbara Reul-Nocke zählte am Dienstag bei der Eröffnung auf, was zu den gemeinsamen Merkmalen der Gewalterfahrung von Frauen gehört. Sie leiden massiv unter Angst- und Schlafstörungen und weisen Hieb-, Stich- und Brandverletzungen auf. Die Opfer kommen aus allen Schichten und allen Kulturen. Der Bedarf an Plätzen sei gestiegen. Zwei Prozent der Frauen kommen aus Remscheid. Die Mehrheit aus anderen Städten, weil die Gewaltopfer sich in einer neuen Umgebung sicherer fühlen.

Das Haus bietet Platz für acht Frauen. Es verfügt über Einzelzimmer und Familienzimmer für Mütter mit Kindern. Leiterin Karin Heier und ihr sechsköpfiges Team nehmen zunächst telefonisch Verbindung zu den Frauen auf, um in einem Vorgespräch zu klären, welche Hilfe geboten ist, welche Unterstützung die Frauen benötigen. Die sprachliche Verständigung gewährleistet ein Dolmetscher. Die Frauen kommen aus aller Herren Länder. Nach der Ankunft steht an erster Stelle, den seelischen Zustand durch eine Krisenintervention zu stabilisieren. Zudem schließt sich eine Reihe von Förderungen an. Kein Gespräch sei für die Betroffenen so hilfreich wie das Gespräch in der Gruppe. „Die Frauen untereinander sind die besten Ratgeberinnen“, sagt Heier.

Zugleich haben die Sozialpädagoginnen immer die Kinder mit im Blick. Kinder und Jugendliche aus diesen Familien reproduzieren die Gewalt. So entwickeln sie Überlebensstrategien, zu denen Gewalt gehört. „Diesen Kreislauf wollen wir stoppen und zeigen, wie es ohne Gewalt gehen kann“, sagt Heier. Eine Etage für Kinder und ein Spielplatz am Haus bieten gute Möglichkeiten, das Aggressionspotenzial etwas abzubauen. In der früheren Unterkunft war der Weg weit bis zum nächsten Spielplatz. Heute können die Mütter aus dem Fenster zusehen, wo ihre Kinder spielen.

In der Sozialpädagogik spricht man vom Drehtüreffekt. Kaum haben die Frauen das Haus verlassen, schon stehen sie ein paar Wochen später wieder vor der Tür. Das Projekt „Second Stage“ soll das verhindern. Es bietet für von Gewalt betroffene Frauen nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus jeweils für ein halbes Jahr Nachsorge und weitere Unterstützung an. Dies erleichtert Frauen den Neubeginn in ein gewaltfreies Leben und wirkt stabilisierend. Über die Gewag bestehen enge Kontakte zum Wohnungsmarkt. Außerdem pflegen die Mitarbeiter gute Drähte zum Jobcenter.

Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz plädierte für Präventionsarbeit mit Jungen und Männern: „Das sind die Täter.“ Auch auf dieser Seite sollte die Gesellschaft tätig werden. Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit.

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