Begegnung in Corona-Zeiten in Radevormwald Hirtenfeuer erinnert an die Menschenrechte

Radevormwald · Am Dietrich-Bonhoeffer-Haus feiert die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde den Advent und nutzt die Gelegenheit für ein ernstes Thema.

 Beim Hirtenfeuer hielt Pfarrer Dieter Jeschke ein Plädoyer für Meinungs- und Pressefreiheit.

Beim Hirtenfeuer hielt Pfarrer Dieter Jeschke ein Plädoyer für Meinungs- und Pressefreiheit.

Foto: Jürgen Moll

Es ist eiskalt am Freitagabend, die meisten Menschen in Radevormwald haben sich in ihre warmen Wohnzimmer zurückgezogen. Aber am Dietrich-Bonhoeffer-Haus schimmert der Schein eines Feuers. Aus dem Fenster des Gemeindehauses klingt leise Flötenmusik, als würden die Hirten tief in der Nacht ihre Schafe hüten. Und wer etwas näher kommt, der entdeckt, dass sich Konfirmanden und Erwachsene um das Feuer versammelt haben. „Wir haben bereits im vergangenen Jahr nach Möglichkeiten gesucht, uns corona-konform zu begegnen“, wird Pfarrer Dieter Jeschke später erinnern. So sei im vergangenen Jahr die Idee des Hirtenfeuers und einem kurzen Treffen unter freiem Himmel entstanden.

Und auch im zweiten Corona-Winter hat die Gemeinde das warme Feuer am kalten Winterabend entzündet – und nutzt die Gelegenheit zugleich, um an den Beschluss der Menschenrechte am 10. Dezember 1948 zu erinnern. 73 Jahre später bringt die Gemeinde die besinnliche Adventsstimmung und den Gedenktag unter einen Hut. „Die Hirten waren die Schwerstarbeiter der Nachtschicht“, erinnert Jeschke, „sie hatten ein geringes Ansehen, ihr Wort galt vor Gericht nicht.“ Und trotzdem seien sie die ersten gewesen, die von der frohen Botschaft der Geburt Jesu gehört und sich auf den Weg gemacht hätten. Das Kind aus der Krippe machte sich nichts aus Ansehen. Christus habe den Sprachlosen ihre Stimme zurückgegeben, den Tauben ihr Hören. „Advent und Menschenrechte gehören also zusammen“, erklärt Jeschke, „wir sollten jetzt nicht müde werden, um auf das Unrecht in der Welt aufmerksam zu machen.“

Und dann hält er am Hirtenfeuer im Hof des Bonhoeffer-Hauses ein Plädoyer für Meinungs- und Pressefreiheit. Er legt den Finger in die Wunde, deutet auf Hass und persönliche Beleidigungen hin – im Internet und persönlich. „Wo Schaden für den Menschen oder die Gesellschaft entsteht, da befinden sich die Grenzen der Meinungsfreiheit“, sagt der Pfarrer und ruft die Menschen auf, einfachen Antworten und Pauschalisierungen zu misstrauen und die Aussagen in sozialen Medien unter die Lupe zu nehmen. „Wir müssen uns die Mühe machen, uns unabhängig und seriös zu informieren, statt Parolen zu folgen“, sagt Jeschke, „und wir können uns von Jesus anleiten lassen, den Mund aufzumachen für die Schwachen.“

Und während die Flötentöne langsam in der kalten Nacht verhallen und sich die Menschen auf den Heimweg machen, bildet sich in der Feuerschale eine warme Glut – als hätten sich die Hirten auf den Weg zur Krippe gemacht.

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