Einsatzpläne in Neuss Die Spezialisten von der Feuerwehr

Neuss · Besondere Lagen erfordern besondere Maßnahmen. Die Feuerwehr Neuss ist auf viele verschiedene Szenarien vorbereitet. Das Gefahrenpotenzial ist groß: Vielfältige Industriebetriebe in der Stadt, die Autobahnen im Umkreis, der Hafen – überall wäre im Brandfall Spezialisten gefragt.

 Autobahnen, Häfen und große Betriebe, in denen mit gefährlichen Stoffen gearbeitet wird, stellen die Feuerwehr vor viele Herausforderungen.

Autobahnen, Häfen und große Betriebe, in denen mit gefährlichen Stoffen gearbeitet wird, stellen die Feuerwehr vor viele Herausforderungen.

Foto: Patrick Schüller

Es sind die „Top 35“ der Gefahrenpotenzial-Objekte in Neuss, aufgeführt im sogenannten Brandschutzbedarfsplan: In der Tabelle finden sich die Krankenhäuser im Stadtgebiet, aber auch „Industrie-Großgewerbe“ wie Alunorf, Brata (unter anderem Paniermehl) in Weckhoven und bekannte Namen aus dem Hafen wie Pierburg, Tomy und Thywissen. Die Container-Terminals gehören ebenfalls dazu. Auch FS Karton im Barbaraviertel ist verzeichnet, wo die Feuerwehr vor drei Jahren gegen einen Großbrand zu kämpfen hatte. Hinter der Mülldeponie in Grefrath und der Eissporthalle in Reuschenberg steht das Kürzel BlmSch. Gemeint ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Als „Interessante Objekte“ nennt die Liste die Kläranlage, die Skihalle sowie der Haupt- und der Güterbahnhof.

Kurz: Die Neusser Feuerwehrleute haben es mit sehr unterschiedlichen Gefahrenpotenzialen zu tun. Notrufe aus Industrie- und Gewerbegebieten ziehen Spezialeinsätze nach sich. Wie ist die Feuerwehr darauf vorbereitet?

„Einsätze in Industrie- und Gewerbegebieten haben durch verschiedene Faktoren eine besondere Bedeutung für Feuerwehren“, sagt Michael van Kempen von der Abteilung Gefahrenabwehr im städtischen Amt für Brandschutz und Rettungswesen. Durch sehr komplexe Gebäude, große Maschinen und absturzgefährdete Bereiche stellten sie für die Einsatzkräfte eine besondere Herausforderung dar. „Dazu kommen die Gefahrenstoffe, die zum Teil in großen Mengen verwendet oder verarbeitet werden. Diese stellen ein nicht unerhebliches Brand- und Explosionsrisiko dar und erfordern häufig eine besonders dimensionierte Löschwasserversorgung.“ Sprich: Es wird im Brandfall sehr viel Wasser benötigt.

Sofern Betriebe über Werkfeuerwehren verfügen, werden diese im Schadenfall zunächst erst selber tätig, die Feuerwehr Neuss wird auf Anforderung eingesetzt.

Im aktuellen Brandschutzbedarfsplan aus dem Jahr 2015 – erstellt von der Feuerwehr und einem Viersener Beratungsbüro – stehen kleine Gewerbe- oder Industriegebiete sowie Betriebe ohne erhöhten Gefahrstoffumgang oder mit Werkfeuerwehr in der dritthöchsten Gefahrenklasse (B3). Größere Gewerbe- oder Industriegebiete sowie Unternehmen mit erhöhtem Gefahrstoffumgang ohne Werkfeuerwehr haben die höchste Kategorie B4.

Grundsätzlich gilt: „Die Aufgaben der kommunalen Gefahrenabwehr werden in der Stadt Neuss von einer Freiwilligen Feuerwehr mit hauptamtlichen Kräften sichergestellt.“ Die acht Standorte der Freiwilligen Feuerwehr sind Grimlinghausen, Uedesheim, Norf, Furth, Grefrath, Holzheim, Hoisten und Rosellen. Auf der Hauptwache am Hammfelddamm, die auch Standort für den Löschzug Stadtmitte ist,  sind zwölf sogenannte hauptamtliche Brandschutzfunktionen rund um die Uhr  stationiert. Wochentags wird die Hauptwache zwischen 7 und 17 Uhr zusätzlich um sechs Hauptamtler verstärkt.

Die Feuerwehr hat verschiedenen Standorten spezielle Aufgaben zugewiesen, hierzu gehören laut Michael van Kempen eine Messeinheit für Schadstoffmessungen, eine Einheit mit speziellem Beleuchtungsmaterial sowie eine Einheit mit einer Drohne. Für die Wasserrettung und Gefahrenabwehr auf dem Rhein unterhält die Feuerwehr ein Löschboot und ein Mehrzweckboot.

Sind die Einsatzlagen sehr groß und dauern voraussichtlich mehrere Tage, kann eine Unterstützung durch andere Feuerwehren erforderlich werden. „Wenn zur Gefahrenabwehr die örtlichen Einheiten nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, werden sie in der Regel von Kräften aus benachbarten Kommunen unterstützt (gegenseitige Hilfe). Jederzeit können aber auch dermaßen außergewöhnliche Ereignisse eintreten, bei denen zur Abwehr der Gefahr auch diese zusätzlichen Kräfte quantitativ nicht ausreichen (insbesondere bei Großeinsatzlagen oder Katastrophen), da anderenfalls in den benachbarten Gebietskörperschaften ein Grundschutz nicht mehr sichergestellt werden kann“, heißt es einleitend in einem entsprechend Konzept des Landesinnenministeriums, auf das van Kempen verweist. „Um der zuständigen Einsatzleitung in diesen Fällen dennoch weitere Einheiten zur Verfügung stellen zu können“, so das Papier, „wurde in Nordrhein-Westfalen auf Bezirksebene das Konzept der vorgeplanten überörtlichen Hilfe im Feuerschutz entwickelt. Dieses Konzept ermöglicht es den Kommunen, sich gegenseitig schnell, koordiniert und landesweit vergleichbar mit einer großen Anzahl an Kräften unterstützen zu können, ohne den Grundschutz im eigenen Verantwortungsbereich zu gefährden.“

Aber auch bei kleineren Einsatzlagen ist nach Angaben des Experten von der Stadt ein überörtlicher Bedarf möglich: „Hier wird in der Regel bei einer benachbarten Feuerwehr um Hilfe ersucht.“ Insbesondere wenn Bedarf an Spezialgerät oder Einheiten besteht (etwa ein Feuerwehrkran oder die Höhenretter) fragt die Feuerwehr Neuss über die Leitstelle zum Beispiel bei der Feuerwehr Düsseldorf an, da durch die Nähe eine schnelle Unterstützung möglich ist. „Der umgekehrte Fall ist natürlich auch möglich, auch die Feuerwehr Neuss unterstützt die benachbarten Feuerwehren, sogar die Feuerwehr Düsseldorf wurde von uns schon unterstützt“, erklärt van Kempen.

Zur Warnung der Bevölkerung wird zurzeit das Sirenennetz in der Stadt Neuss und im Kreis wieder aufgebaut. Eine Warnung sei auch über bundesweite Warnsysteme wie beispielsweise die App „Nina“ möglich. In Neuss werden Informationen an die Bevölkerung auch über soziale Medien verbreitet, „dazu können lokal auch Warndurchsagen über Fahrzeuge der Feuerwehr gemacht werden“.

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