Antrag auf passive Mitgliedschaft von Frauen abgelehnt Schützenverein in Neuss bleibt Männersache

Neuss · Keine Chance für Frauen im Neusser Bürger-Schützen-Verein: Die Jahreshauptversammlung hat einen Antrag, der zumindest eine passive Mitgliedschaft ermöglichen sollte, abgelehnt. Das Schützenkomitee hatte für den Antrag geworben, konnte sich aber nicht durchsetzen. Das Thema kommt aber wieder, denn zugleich wurde die Einrichtung einer Satzungskommission beschlossen, der auch Frauen angehören werden.

 Sie waren „das“ Thema des Abend: Frauen und ihre Rolle im Neusser Bürger-Schützen-Verein.

Sie waren „das“ Thema des Abend: Frauen und ihre Rolle im Neusser Bürger-Schützen-Verein.

Foto: Christoph Kleinau

Der erste Versuch einer Jahreshauptversammlung im S-Forum der Sparkasse war Mitte November bereits gescheitert, bevor Schützenpräsident Martin Flecken die Sitzung überhaupt eröffnen konnte. Zu viele Schützen im Saal, die Versammlung musste vertagt werden. „Frauen im Schützenverein“ und die Frage höherer Beiträge mobilisierten die Mitglieder wie selten zuvor.

Jetzt also Versuch Nummer zwei, diesmal mit deutlich mehr Platz in der Stadthalle. Der Abend wurde lang und gipfelte in einer emotionalen Debatte über die Frage einer zumindest Kostenpflichtiger Inhalt passiven Mitgliedschaft von Frauen im Neusser Bürger-Schützen-Verein (NSBV). Um 23.15 Uhr jedoch stand fest: Der NSBV bleibt Männersache. Der Antrag, Frauen eine passive Mitgliedschaft zu ermöglichen, hatte die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit deutlich verfehlt. Ohne Aussprache wurde danach aber die Einrichtung einer Satzungskommission beschlossen, der auch Frauen angehören sollen – und die auch dieses Thema noch einmal erörtern wird.

Erneut gab es lange Schlangen am Einlass.

Erneut gab es lange Schlangen am Einlass.

Foto: Christoph Kleinau

Vor Abstimmung und Aussprache hatte Max Nelles aus dem Schützenlustzug „Fein raus“ den Antrag zur Mitgliedschaft von Frauen im Neusser Bürger-Schützen-Verein begründet. Christoph Ulrich erläuterte die Stellungnahme des Komitees zum „Frauen-Antrag“: Komitee und Korpsführer befürworteten die passive Mitgliedschaft von Frauen im Neusser Bürger-Schützen-Verein. Ulrich mahnt gleichzeitig zum gegenseitigen Respekt in der Diskussion um die Mitgliedschaft von Frauen: „Das Thema darf keine Gräben in Freundeskreise, Familien oder Züge reißen.“ Das Komitee-Mitglied betonte auch, dass es um eine passive Mitgliedschaft von Frauen gehe. Weder das Marschieren noch andere Dinge stünden zur Diskussion. Zum Antrag des Schützenlustzuges „Fein raus“ gebe es nur eine Empfehlung: „Ein klares Ja.“ Doch die Entscheidung kommt anders. Die Mehrheit der Mitglieder folgte den Empfehlungen nicht. Der Antrag fiel durch. Die erste Reaktion der Frauen in den Sitzreihen der Stadthalle: Schweigen. Viele hatten ein solches Ergebnis offenbar nicht für möglich gehalten.

„Ein bisschen zum Fremdschämen“, fasste Walburga Ackermann etwas später den Abend, die Debatte und die Abstimmung zusammen. Es seien Scheingefechte geführt worden, aus denen sie die Angst davor herausgehört habe, „dass die Frauen das Fest entern und verändern“. Barbara Rückmann ergänzte, dass die Entscheidung „brandgefährlich“ für den NBSV sei. Viele Unternehmen würden nun ihre Compliance-Regeln anwenden müssen – „weil wir sie darauf hinweisen werden.“ Dem Bürger-Schützen-Verein könnte weitere Unterstützung wegbrechen.

Für die Versammlung wurden neue Stimmkarten gedruckt.

Für die Versammlung wurden neue Stimmkarten gedruckt.

Foto: Christoph Kleinau

In den vergangenen Tagen hatten zunächst die Grüne Jugend und die Jusos darauf gedrängt, dass Frauen im Verein eine aktivere Rolle spielen sollen. Sie unterstützten damit eine Initiative einzelner Züge, allen voran der Schützenlustzug „Fein raus“, und einer Gruppe von Frauen, die sich am und nach dem jüngsten Schützenfest entsprechend positioniert hatten.

Die Grünen – sowohl auf Stadt- als auch auf Kreisebene – teilten am Montag mit, sich der Stellungnahme der Grünen Jugend und der Jusos anzuschließen – und appellieren für eine Öffnung des Neusser Bürgerschützenfestes für alle Menschen unabhängig ihres Geschlechts.

Einige Frauen hatten sich bereits vor Wochen mit einem Appell an die Neusser Bürgerinnen gewandt, passives Mitglied im Bürger-Schützen-Verein zu werden und von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Sie wollen beim Schützenfest nicht mehr nur „Blümchenbringerin“ für die Männer bleiben.

Die Fraktion von Die Linke/Die Partei hatte sogar die Zahlung städtischer Zuschüsse an den Bürger-Schützen-Verein mit einer positiven Lösung der „Frauen-Frage“ verknüpft.

Nach der Entscheidung über die Frauen-Mitgliedschaft ging es um das zweite heiße Eisen des Abends, die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge. Warum die aus Sicht des NSBV unvermeidlich sind, erläuterte Schatzmeister Robert Rath. Dabei stellte er auch erste Ergebnisse aus einer Arbeitsgruppe von Korpsführern und Komitee vor, die sich mit dem Thema befasst hatte. Das Thema Beitragserhöhung sorgte für eine kontroverse Debatte. Kurz vor Mitternacht gab Präsident Flecken den Hinweis: „Die Mietzeit für die Stadthalle endet um ein Uhr.“ Dann die Entscheidung: Der Antrag des Komitees, den Mitgliedsbeitrag auf 100 Euro zu erhöhen, scheiterte. Nach der erfolglosen Unterstützung für den Frauen-Antrag war das die zweite Klatsche des Abends für die Vereinsspitze. Auf Antrag der Schützenlust steigt der Beitrag an den Verein stattdessen auf 70 Euro pro Kopf, dafür zahlt der NBSV ab sofort keinen Musikkostenzuschuss an die Korps. Wie die das kompensieren, wird abzuwarten sein. Vermutlich müssen nun auch die Korps die Beiträge erhöhen.

Über die neuen Beiträge war bereits im Vorfeld der Versammlung kontrovers diskutiert worden. Vor dem Start ins Jubiläumsjahr 2023 ist klar – der Bürger-Schützenverein braucht Geld. Rund 100 Euro, so der Vorschlag, sollen die Schützen als Jahresbeitrag zahlen, fast eine Verdoppelung. Dagegen regte sich Widerstand.

Bis zur Ablehnung des Frauen-Antrags und der Entscheidung über die neuen Beiträge gingen am Donnerstagabend einige Stunden ins Land: Der Andrang war erneut groß. An den Registrierungstischen und im Foyer bildeten sich lange Schlangen. Rund 800 Mitglieder sind bei der etwas verspäteten Eröffnung der Jahreshauptversammlung im Saal.

Zu Beginn der Versammlung standen zunächst Formalien und ein Gedenken an die verstorbenen Mitglieder auf der Tagesordnung. Dann stellte Schriftführer Holger Schöpkens den Geschäftsbericht für das abgelaufene Jahr vor. Dabei dankte er allen Mitgliedern für das disziplinierte Auftreten beim Schützenfest im Ende August.

Zum Abschluss seiner Rede rief Schöpkens zu „Demut vor der 200-jährigen Vereinsgeschichte“ auf. Dann folgt Schatzmeister Robert Rath mit dem Kassenbericht für das abgelaufene Geschäftsjahr. Und so sehen die Zahlen aus: Einnahmen: 1,04 Millionen Euro, Ausgaben: 1,128 Millionen Euro, Jahresergebnis des Neusser Bürger-Schützen-Vereins: ein Minus von rund 88.000 Euro.

„Es gibt keinen Grund für Misstrauen“, sagte Rath. Dann folgten in der Tagesordnung die Kassenprüfer. „Wir können eine korrekte Buchführung feststellen. Es ergaben sich keine Beanstandungen“, hieß es von Kassenprüfer Walter Langebeckmann. Hinterfragt wurden von den Mitgliedern die Druckkosten für das Programmheft, die Höhe der Beiträge für die passiven Mitglieder und die Kosten für Repräsentation. Schützenpräsident Martin Flecken bezog zu den Fragen Stellung. „Gewisse Kosten sind nicht einzusparen“, sagte er. Und Vizepräsident Mario Meyen ergänzte: „Wenn das Fest nur durch die Schützen bezahlt wird, müsste jedes Mitglied etwa 200 Euro pro Jahr bezahlen.“

So viele kritische Fragen hat sich das Komitee noch nie anhören müssen wie in dieser Aussprache – die übrigens losging, ohne dass dem Komitee Entlastung erteilt wäre. Die Kassenprüfer stellten dazu keinen Antrag, wollten die Entscheidung dem Souverän, also der Vollversammlung überlassen.

Allgemeines Stimmungsbild bei den Wortmeldungen war, dass jetzt noch nicht über Beiträge gesprochen werden könne – und dass es Komitee und Korpsführer ans Sparwillen fehlen lassen. Auch wurde die Frage gestellt, warum man Tribünen auf dem Markt aufstellt und sich ein gGmbH für die Vermarktung leistet, wenn unter dem Strich damit Verlust gemacht wird. Robert Rath nahm die Frage nach den Tribünen auf: „Tribünen sind nicht der Gewinnbringer. Ja. Aber sie gehören zum Gesamtbild.“

Cornel Hüsch stellte schließlich doch einen Antrag auf Entlastung des Komitees: „Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Überzeugung.“ Eine große Mehrheit stimmte zu, ein Dutzend war dagegen, in etwa ähnlich war die Zahl der Enthaltungen. Die ersten Schützen verließen unterdessen bereits die Halle.

Vor der Abstimmung über die Entlastung des Komitees kam es zu Irritationen über das Stimmrecht der Passiven. Die, die länger dabei sind und Beitrag zahlen, genießen Bestandsschutz, versicherte Martin Flecken, die, die nur den Antrag gestellt hätten, hätten kein Stimmrecht. Aber: Wer ist das? Weil die Passivenkarte auch über das Schützenbüro einfach verkauft wird, ohne dass die Daten der Erwerber erfasst werden, kann das Komitee nur sagen, wer per Lastschrift zahlt – und damit persönlich bekannt ist. Das sei aber die übergroße Mehrheit, versicherte Vizepräsident Mario Meyen.

Bei der Wahl von Komiteemitgliedern wurden Christoph Ulrich, Achim Robertz, Holger Schöpkens und Markus Jansen mit großer Mehrheit für eine weitere Amtszeit bestätigt. Es gab in einem Fall eine einzige Gegenstimme. Erstaunlich, nach den Debatten. Einziger Wermutstropfen: Für Tobi Weskamp, der aus privaten Gründen vorzeitig aus dem Amt ausgeschieden ist, fand das Komitee keinen Bewerber. Man habe viele gefragt, sagte Flecken, aber nur gehört: Das kostet zu viel Zeit – und Nerven.

Essen und Alkohol waren im Saal in der Stadthalle übrigens nicht erlaubt, nur Wasser, eine Vorgabe des Hallenbetreibers, wie der Verein mitteilte. Die Reaktion eines Users bei Instagram: „Eine JHV ohne Bier? Kannst du dir nicht ausdenken.“

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