Neusser Woche Partnerstädte Erwartung definieren, Enttäuschung ersparen

Neuss · Städtepartnerschaften haben Konjunktur. Auch in Neuss. Es geht um Völkerverständigung, Friedensarbeit oder Wirtschaft. Wer definiert die Ziele?

Neuss ist fünfeinhalb Städtepartnerschaften eingegangen. Der älteste Brückenschlag führt nach Châlons-en-Champagne (seit 1972) in Frankreich, es folgten Pskow (1990) in Russland, Rijeka (1990) in Kroatien, St. Paul (1999) in den USA und schließlich Nevsehir (2007) in der Türkei, ehe im Jahr darauf noch eine "Freundschaft" mit dem türkischen Bolu vertraglich vereinbart wurde.

Eigentlich, so hatten sich die Ratsfraktionen verständigt, sollte nach vier besiegelten Partnerschaften Schluss sein. Die Sorge, nicht noch mehr internationale Kontakte mit Leben erfüllen zu können, hatte diese Übereinkunft diktiert. Die Halbwertszeit war gering. Als die Idee einer Partnerschaft mit einer türkischen Stadt geboren war, mochte sich niemand - wohl auch mit Blick auf die rund 6000 in Neuss lebenden türkischen Staatsbürger - dem Prozess verweigern, der maßgeblich vom heutigen Bürgermeister Reiner Breuer betrieben wurde. Am Ende war nicht nur eine Partnerschaft (Nevsehir) gefunden, sondern nebenbei gab's die "Freundschaft" mit Bolu noch dazu. Inzwischen sind Neusser Politiker klug genug, sich nicht hinter selbstauferlegten Beschränkungen zu verschanzen. So muss auch niemand frühere Positionen räumen, wenn nun die Suche nach einer Partnerstadt in Israel beginnt. Das ist gut.

Wichtig wäre es, wenn die Politik für bestehende und kommende Partnerschaften formuliert, welche Erwartungen sie mit solchen offiziellen Kontakten verknüpft. Partnerschaften können ein großartiges Instrument sein - für die Stadt, die weiß, was sie auf internationaler Ebene bewirken will: Verantwortung übernehmen, Völkerverständigung und Friedensarbeit zum Beispiel oder Impulse für die Wirtschaft setzen. Zu bedenkende Faktoren sind zudem Sprache, (Alltags-)Kultur, Entfernung, Finanzierung. Im Klartext: Was eine Partnerschaft leisten soll, muss im Einzelfall definiert werden. Nur dann bleibt allen Enttäuschung erspart.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@ngz-online.de

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort