Selbstversuch Einsamer Tanz in den Mai zum Bollwerk-Livestream

Moers · Unsere Autorin macht den Selbstversuch und feiert allein, mit freundlicher Unterstützung von DJs aus dem Internet. Ein Livestream des Moerser Jugendkulturzentrums Bollwerk 107 machte es möglich.

 Auf den Wonnemonat! Auf dem Bildschirm der Livestream aus dem Bollwerk.

Auf den Wonnemonat! Auf dem Bildschirm der Livestream aus dem Bollwerk.

Foto: Jana Marquardt

Warum habe ich zu meinem Tanz in den Mai niemanden eingeladen? Das werde ich mich im Laufe des Abends immer wieder fragen. Wieso dachte ich bloß, dass ich auch alleine feiern kann? Natürlich ist es Corona geschuldet (aber auch meiner Experimentierfreude), dass ich mit meinem Altbier dem Bildschirm zuproste. Oder auch Flo Badabum, der im Livestream „High5 – (Dis)tanz in den Mai“ gerade „React“ von Erick Sermon featuring Redmann spielt. Flo legt öfter im Bollwerk 107 auf, am liebsten Hip Hop. Neben ihm tanzt seine Kollegin Kate Boss. Flo und Kate legen heute online auf. Sie ergänzen sich gut im Livestream, der um 21 Uhr auf der Facebookseite des Bollwerks gestartet ist. Keine harten Brüche, viele 2000er-Hits, auch einiges aus den Neunzigern, viel Hip Hop. Ich wäre jetzt gerne dort, wo die beiden sind. Im Bollwerk 107, auf der Tanzfläche. Stattdessen tanze ich auf meinem zerkratzten Parkett, der Wäscheständer ist das DJ-Pult – darauf der Laptop. In meiner Studentenbude gibt es Bier statt Cocktails. Gut und günstig, kein Mindestverzehr.

Natürlich habe ich schon alleine getanzt – wenn ich mal wieder die alte Black-Eyed-Peas CD herausgekramt habe, „Monkey Business“. Oder, wenn ich eine gute Nachricht bekommen habe – Prüfung bestanden, Opa geht es besser, ein ungeahntes Kompliment. Zuletzt, als ich ein Tanztraining über Youtube gemacht habe. Während der Pandemie ist Zumba nicht drin, und Bewegung muss sein. Doch mit mir selbst anstoßen – oder mit einem virtuellen DJ – das ist für mich neu. Dieses Jahr habe mich bewusst dafür entschieden, alleine zu „Hypnotize“ von The Notorious B.I.G. mitzunicken und „Can’t hold us“ von Macklemore abzufeiern, als sei ich wieder 16. Es ist seltsam. Kein Gerempel, keine verschütteten Drinks, kein flackerndes Licht. Kein klebriger Boden – schließlich habe ich nach dem letzten Beer-Pong-Spiel gewischt. Und das ist wegen der Pandemie auch schon ewig her.

Ab und zu gehe ich zum Wäscheständer und lese die Kommentare. Das ist ein bisschen so, als würde ich Gesprächsfetzen im Club hören. Feierwütige, die gegen die Musik anbrüllen. „Bei uns gibt’s Mojito und Pfeffi“, „Geil, nettes Set …“, manchmal „Willkommen zurück!“, wenn der Stream abgebrochen war. Oder einfach nur tanzende Emojis oder welche mit Partyhut. Zwischendurch schauen 67 Leute zu, dann nur halb so viele. Es werden weniger, je häufiger der Stream abbricht.

Mein Bier ist leer. Ich hole mir ein neues, schalte das Licht aus, lasse die Musik auf mich wirken, schließe die Augen. Es ist einfach nicht dasselbe. Experiment „alleine feiern“ ist aber nicht ganz gescheitert. Ich sehe es als Workout, das ich mit den Hopfengetränken gleich wieder relativiere. Als Kate „Blinding Lights“ auflegt, kommen Erinnerungen an die letzte Party hoch. Vor meinem inneren Auge bin ich wieder dort. Und hoffe, dass ich das bald wieder erlebe, mir danach eine Pizza in der Altstadt holen kann. Bis dahin werde ich mich natürlich an die Regeln halten – und höchstens mal mit meiner besten Freundin das Wohnzimmer unsicher machen.

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