Im Rheydter Caritas-Seniorenzentrum Erinnerungsreise zum WM-Finale 1954

Rheydt · Im Caritaszentrum Rheydt gehen Senioren mit Hilfe von Ton- und Bilddokumenten auf Zeitreise. Das funktioniert auch bei Demenz.

 Bei der Erinnerungsreise im Caritaszentrum Rheydt blickten die Senioren zurück auf das Jahr 1954, als Deutschland in Bern zum ersten Mal Fußball-Weltmeister geworden ist.

Bei der Erinnerungsreise im Caritaszentrum Rheydt blickten die Senioren zurück auf das Jahr 1954, als Deutschland in Bern zum ersten Mal Fußball-Weltmeister geworden ist.

Foto: Markus Rick (rick)

Herbert Zimmermanns vor lauter Begeisterung heisere Stimme schallt durch den Raum. „Tor! Tor! Tor! Tor! Tor für Deutschland!“ Es ist die legendäre Radioreportage zum WM-Finale 1954 in Bern, dem der Radioreporter seine Stimme gibt. 65 Jahre später im Saal des Caritaszentrums Rheydt an der Preyerstraße sitzen fünf alte Herren und lassen sich von Stimme und Stimmung mitreißen. Zuvor hatten sie schon die Bilder der Wochenschau gesehen, die die Tore zum 3:2-Sieg der deutschen Mannschaft über Ungarn und den umjubelten Empfang in der Heimat zeigten. Wer die Zeit miterlebt hat, hat diese Bilder und diese Stimme nicht vergessen. Heinz Drieschmanns zum Beispiel. Der heute 90jährige erinnert sich genau.

„Ich habe das Endspiel zusammen mit meinem Vater in einer Gaststätte an der Waldhausener Straße gesehen.  Kaum jemand hatte ja einen Fernseher zu Hause. Mitten in der Übertragung fiel der Apparat aus. Wir sind alle aus der Wirtschaft gestürzt, ohne zu bezahlen und haben drei Häuser weiter vor dem  Radio- und Fernsehgeschäft weitergeguckt. Der Besitzer hat uns dann reingewunken und schließlich saßen wir alle im Laden“, erzählt der gebürtige Gladbacher. Es sei ein sehr emotionaler Moment gewesen.

Im Caritaszentrum wird an diesem Morgen eine Reise angetreten. Eine Reise in die Erinnerung. Vorbereitet hat sie Lars Zachowski, der im Rahmen der Aktion „Gladbach gewinnt“ seine Internet-Kenntnisse zur Verfügung stellt und Senioren Bilder aus der Vergangenheit präsentiert. „Das macht viel Spaß“, sagt der Inhaber einer Agentur für Online-Kommunikation. „Meist liefert man nur einen kleinen Anstoß und im Kopf der Teilnehmer geht der Film ab.“

So erlebt es auch Bernadette Engel, Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes im Caritaszentrum, die schon zweimal solche Reisen ins Internet begleitet hat. „Es kommen Erinnerungen hoch, die lange nicht präsent waren. Und es werden auch manchmal Tränen vergossen, wenn die Teilnehmer Bilder sehen, die sie vergessen hatten.“ Selbst Menschen mit demenziellen Veränderungen können sich oft wieder erinnern und erzählen liebevoll von früher. „Gerade für demenziell veränderte Menschen ist die Erinnerungspflege ganz wichtig. Und mit Hilfe des Internets können sie sich an Dinge erinnern, die sonst verloren wären“, sagt Einrichtungsleiterin Eveline Hensen. Ein Erlebnis, das auch Internet-affine Enkel ihren Großeltern schenken können.

Die beiden vorangegangenen Erinnerungsreisen im Caritaszentrum hatten sich mit der Biografie einzelner Bewohner beschäftigt, an diesem Tag aber ist die kollektive Erinnerung dran. Und was ist dafür besser geeignet als der Fußball, noch dazu in einer Stadt wie Mönchengladbach mit ihrer großen Tradition und den vielen Anekdoten rund um die Fohlen-Elf. Von der legendären Mannschaft der 1970er Jahre und dem Fußball in der Stadt erzählen die Versammelten gern. Walter Jansen berichtet von den Sonntagsspielen der Amateure auf dem Bökelberg und von einem Torhüter, der samt Ball im Netz landete. „So hart war der Elfmeter getreten.“  Er selbst hat wie sein Vater bei den Sportfreunden 06 in Neuwerk gespielt. Heinz Drieschmann war beim 1. FC. „Da hat später Netzer gespielt“, sagt er. „Und Jupp Heynckes war bei Grün-Weiß Holt“, erinnert sich Jansen.

Das gibt den Anstoß, sich die hochemotionale Pressekonferenz beim Heynckes-Abschied noch mal anzusehen. Lars Zachowski sucht sie rasch heraus. Dann geht es um Günter Netzer. Hans Netzer, der mit dem Fußball-Star den Nachnamen teilt, war schon im Fohlen-Museum und in der Ausstellung. „Ich war am Sonntag da, da war es nicht so voll“, sagt der 89jährige. Immer wieder bieten alte Bilder und Fußballthemen Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen.

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