Als Giesenkirchen 1988 die Stadtmeisterschaft gewann Favoritensturz, Kontroversen und ein Sensationssieger

Hallenfußball · Die Mönchengladbacher Hallenstadtmeisterschaft 1988 blieb aus vielerlei Gründen in Erinnerung: Mit A-Ligist Giesenkirchen gab es einen Überraschungssieger. Für Aufregung sorgten Tor-Entscheidungen und die Publikumsstimmung gegen den Rheydter SV.

Das Titelbild in der Mönchengladbacher Lokalausgabe der Rheinischen Post am 11. Januar 1988: Giesenkirchens Bernd Kämmerling mit dem Pokal der Stadtmeisterschaft.

Foto: Archiv Rheinische Post

Wenn ein Kreisligist groß auf der Seite eins der Mönchengladbacher Lokalausgabe der Rheinischen Post erscheint, dann muss schon etwas besonderes Geschehen sein. Ja, sogar etwas Sensationelles. Am 11. Januar 1988 war dieses Kriterium erfüllt: Der DJK/VfL Giesenkirchen gewann als A-Ligist die hiesige Hallen-Stadtmeisterschaft. Und für die Mönchengladbacher Lokalausgabe war diese Leistung Grund genug, mit Giesenkirchens Bernd Kämmerling samt Pokal das Titelblatt der Zeitung zu schmücken. Das Turnier blieb jedoch nicht nur wegen des Überraschungssiegers in Erinnerung, sondern auch aufgrund einiger Kontroversen seitens des Publikums gegenüber des Rheydter SV. Daher lautete die Schlagzeile damals: „Die Masse wollte den Sturz des Favoriten RSV.“

Der damalige Oberligist hatte bereits die beiden Austragungen zuvor in den Jahren 1986 und 1987 gewonnen. Die Herzen flogen den Rheydtern allerdings nicht zu. Daher traf es durchaus auf Wohlwollen beim Publikum, dass Rheydt nach einem souveränen Auftaktsieg gegen Blau-Weiß Dahl (3:0) sein zweites Gruppenspiel gegen TuS Wickrath mit 0:1 verlor.

Die Ergebnisse der Hallen-Stadtmeisterschaft 1988.

Foto: Archiv Rheinische Post

Der Siegtreffer des TuS kurz vor Schluss war wiederum selbst Anstoß für Diskussionen. Denn es gab verschiedene Sichtweisen, ob der Ball tatsächlich im vollen Umfang die Torlinie überquerte. „Ich stand in Höhe der Torlinie. Der Ball war nicht drin“, zitierte die Rheinische Post Giesenkirchens damaligen Trainer Hans-Willi Bisges, der den Gruppenkonkurrenten in der Entscheidung benachteiligt sah. Schiedsrichter Wolfgang Schulz befand im Spiel jedoch: Der Ball war drin. Und seine Meinung zähle letztendlich. Damit stand der Rheydter SV vor dem letzten Gruppenspiel mit dem Rücken zur Wand: Man brauchte einen Sieg mit mindestens zwei Toren Vorsprung, um das Finale zu erreichen. Es ging gegen Giesenkirchen.

Die Rheinische Post fand in der Berichterstattung damals deutliche Worte für das Spiel, schrieb unter anderem von einem „Tollhaus“. Weiter hieß es im Bericht: „Von der ersten Sekunde bis zur letzten schlug den Rheydtern eine bislang unbekannte Welle von Hass entgegen. Diese hatte mit der durchaus verständlichen Unterstützung der Kleinen im Kampf gegen die Großen nichts zu tun.“ Es soll Pfiffe bei jeder Aktion gegeben haben, Spieler seien zudem beschimpft, ja sogar bespuckt worden, ist da zu lesen. Auch Gegenstände sollen geflogen sein.

Die siegreichen Giesenkirchener bei der Stadtmeisterschaft 1988. Am Ende stieg das Team auch in die Bezirksliga auf.

Foto: Archiv Rheinische Post

Dennoch führte Rheydt mit 1:0. Es fehlte nur noch ein Tor zum Weiterkommen. Doch Giesenkirchen hielt mit aller Kraft dagegen – und musste zeitweise sogar in Unterzahl agieren, da Kämmerling die Rote Karte sah. Kämmerling sieht die Szene über 30 Jahre später so: „In der Situation bin ich zu ungestüm auf den Torwart von Rheydt aufgelaufen. Ja, das passiert im Eifer des Gefechts.“

Bei aller Dramatik rettete der Giesenkirchener Günter Moll in den Schlussminuten noch zweimal für seinen geschlagenen Torhüter auf der Linie. Es blieb beim 1:0 aus Sicht des Rheydter SV. Damit standen Wickrath, Giesenkirchen und Rheydt mit gleicher Punktzahl und Tordifferenz an der Spitze der Gruppe 2 – doch Rheydt hatte ein Tor weniger erzielt als die Konkurrenz. „Der vom Publikum mit allen Mitteln unterstützte Favoritensturz war perfekt“, schrieb die Rheinische Post. „Wir haben spielerisch bestimmt nicht überzeugt“, gestand RSV-Trainer Peter Schleuter hinterher. Mit der Spannung in dieser Gruppe war es allerdings damit nicht vorbei. Zwischen Wickrath und Giesenkirchen musste wegen Punkt- und Torgleichheit in einem Siebenmeterschießen noch der Endspielteilnehmer ausgespielt werden: Giesenkirchen setzte sich schließlich durch. Wobei es auch hier eine Kontroverse gab: Denn die Schiedsrichter ließen Kämmerling antreten, trotz seiner zuvor erhaltenen Roten Karte. Wickrath protestierte. Doch die Rufe verstummten, als Kämmerling bei seinem Versuch das Tor verfehlte.

Im Endspiel traf Giesenkirchen dann auf den 1. FC Mönchengladbach. Der Landesligist hatte sich in der Gruppe 1 den Finaleinzug mit Siegen gegen SpVg. Odenkirchen (2:1) und SV Mannesmann (1:0) sowie einem Remis gegen Germania Geistenbeck (2:2) gesichert. Doch gegen Giesenkirchen waren auch die Westender an diesem Tag chancenlos. „Der 1. FC ließ zwar den Ball gefällig durch seine Reihen laufen, aber den Biss und den Siegeswillen der Gießenkirchener brachte der Landesligist nicht mit“, schrieb die Rheinische Post. Udo Reschke hatte den A-Ligisten in Führung gebracht. Nach dem Ausgleich durch Wolfgang Koltermann trafen Kämmerling und Moll zum 3:1-Endstand. Die Sensation war perfekt.

„Gewiss, die Schützlinge von Trainers Hans-Willi Bisges hatten das nötige Glück bei ihrem Vorstoß ins Finale. Aber sie waren kein Zufalls-Sieger“, lautete das Fazit in der Rheinische Post. Denn bereits in den Gruppenspielen sowie in der zuvor ausgespielten Zwischenrunde hatte Giesenkirchen mit gutem Fußball um den 20-jährigen Kämmerling, der bei diesem Turnier Kapitän war, Reschke und Manuel da Cunha überzeugt. Auch in der A-Liga stand man zu jenem Zeitpunkt an der Tabellenspitze. Am Ende der Saison stiegt Giesenkirchen in die Bezirksliga auf.

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Foto: Sebastian Kalenberg

1992 gewann Giesenkirchen erneut die Stadtmeisterschaft, damals bereits als Landesligist nach einem 3:0-Erfolg gegen Rot-Weiss Venn. Danach dauerte es bis 2004, ehe Giesenkirchen erneut im Finale stand – und mit 2:3 nach Verlängerung dem SC Hardt unterlag, der damit der zweite A-Ligist nach Giesenkirchen wurden, der die Meisterschaft gewann. 2006 und 2007 verlor man im Finale gegen Grün-Weiß Holt (1:3) und dem 1. FC Mönchengladbach (2:3). Damals nach Station bei den Amateuren der Borussia, in Viersen und Beeck wieder für Giesenkirchen dabei: Kämmerling.