Mönchengladbach Stadt der Langzeitarbeitslosigkeit

Mönchengladbach · Der Boom in der Gladbacher Wirtschaft hat auch den Arbeitsmarkt erfasst. Nur haben die Menschen, die länger als ein Jahr ohne Job sind, so gut wie gar nichts davon. Das soll sich in diesem Jahr ändern.

Langzeitarbeitslose in Mönchengladbach
Foto: graf

Über viele Jahre war Mönchengladbach ein Ort der Hoffnungslosigkeit für Menschen, die ihren Job verloren haben. Hohe Arbeitslosigkeit insbesondere infolge des zeitweisen Niedergangs der Textilindustrie gehörte zur DNA dieser Stadt. Umso bemerkenswerter ist der Aufschwung, den die Wirtschaft in der Stadt seit einigen Jahren mitmacht und der auch auf dem Arbeitsmarkt ankommt: Die Arbeitslosenquote lag Ende Dezember bei nur noch 8,8 Prozent. Ende Dezember waren genau 12.279 Menschen arbeitslos gemeldet, das waren 2024 weniger als im Dezember 2017. Das entspricht einem sagenhaften Rückgang von 14,2 Prozent.

Und doch gibt es eine ziemlich große Gruppe Menschen, an denen dieser Aufschwung komplett vorbei geht: die Langzeitarbeitslosen. Im Jahresdurchschnitt waren im Jahr 2018 in Mönchengladbach 5709 Menschen langzeitarbeitslos, also länger als ein Jahr ohne Job. Das sind rund 39,8 Prozent aller Arbeitslosen überhaupt. In den vergangenen drei Jahren hat es in dieser Statistik so gut wie gar keine Veränderung gegeben. 2015 war die Zahl der Langzeitarbeitslosen sogar noch deutlich geringer, nachdem es zuvor einen spürbaren Rückgang gegeben hatte.Doch in den vergangenen Jahren hat sich nichts mehr getan. „Eine solche Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit ist typisch in der Stadt“, sagt Angela Schoofs, Geschäftsführerin der Arbeitsagentur, die außerdem auch für den Rhein-Kreis Neuss zuständig ist. Der Vergleich von Stadt und Kreis ist besonders krass, denn im Nachbarkreis sinkt die Zahl der Langzeitarbeitslosen seit Jahren kontinuierlich. In Mönchengladbach aber sind Langzeitarbeitslose vom Wirtschafts-Boom weitgehend abgehängt.

Schoofs macht deshalb den Abbau dieser Perspektivlosigkeit zum wichtigen Thema für 2019. „Arbeitgeber suchen händeringend Fachpersonal, wir können den Bedarf aber nicht decken, weil viele Langzeitarbeitslose nicht ausreichend qualifiziert sind und außerdem auch schon lange aus dem Job sind“, sagt Schoofs. Das soll unter anderem ein neues Programm des Bundes ändern. Seit Jahresbeginn gibt es neue Fördermöglichkeiten: Für Menschen, die länger als zwei Jahre ohne Job sind, wird im ersten Jahr der Anstellung ein Lohnkostenzuschuss in Höhe von 75 Prozent und im zweiten Jahr von 50 Prozent an den Arbeitgeber gezahlt. Wenn sich ein Unternehmen bereit erklärt, jemanden sozialversicherungspflichtig einzustellen, der in den vergangenen acht Jahren mindestens sieben Jahre arbeitslos war, dann bezahlt der Staat in den ersten beiden Jahren das volle Gehalt. Der Zuschuss sinkt dann bis zum Ende des fünften Jahres im Job auf 70 Prozent. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Felix Heinrichs, der in der Stadt für das Modell wirbt, glaubt, dass auf diese Weise rund 600 Stellen in der Stadt mit Langzeitarbeitslosen besetzt werden könnten.

Die Arbeitsagentur nimmt aber auch verstärkt ältere Arbeitslose in den Fokus. Die meisten Langzeitarbeitslosen sind nämlich 50 Jahre oder älter. Deshalb fordert auch der Caritasverband für das Bistum Aachen: „Politik und Wirtschaft müssen mehr dafür tun, damit das Potenzial älterer Arbeitsloser auch in der Stadt Mönchengladbach ausgeschöpft und Altersarmut vorgebeugt wird.“ Laut Caritas erhalten unter Berufung auf den Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW 82 Prozent der „Hartz-IV“-Bezieher ab 55 Jahren in Mönchengladbach seit mindestens zwei Jahren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Bei den Unter-55-Jährigen sind es hingegen nur rund 65 Prozent, die auf diese staatliche Unterstützung angewiesen sind. Dabei fehlten auch noch 368 „Hartz-IV“-Bezieher in der Statistik, die älter als 58 Jahre sind. Dabei nähmen ältere Leistungsempfänger häufiger an Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung teil als jüngere (22,5 Prozent zu 18 Prozent). Und 31,6 Prozent der „Hartz-IV“-Empfänger ab 50 Jahren werde mit Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gefördert, in denen gezielt Vermittlungshemmnisse abgebaut werden sollen.

In der jüngeren Vergleichsgruppe sind es 20,6 Prozent. „Es ist wichtig, dass spezifische Weiterbildungs- und Förderangebote für ältere Arbeitslose entwickelt und finanziert werden“, sagt Roman Schlag, Arbeitsmarkt-Experte beim Caritasverband im Bistum Aachen. Der Auusbau öffentlich geförderter Arbeitsplätze über das Teilhabenchancengesetzes des Bundes sei ein guter Schritt. Allerdings müssen dabei eben auch die Unternehmen mitmachen und bereit sein, Langzeitarbeitslose einzustellen.

Langzeitarbeitslosigkeit ist auch für die Stadt teuer. Denn Kommunen beteiligen sich etwa an den Kosten der Unterkunft mit in diesem Jahr knapp 115 Millionen Euro. Bis 2021 wird dieser Posten im Haushalt auf mehr als 120 Millionen Euro steigen, so die Kalkulation der Kämmerei.

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