Mönchengladbach Widerstand gegen die Nazi-Diktatur

Mönchengladbach · In einigen größeren Städten Deutschlands formierten sich während der NS-Diktatur Jugendgruppen aus dem Arbeitermilieu, die in Opposition zum Zwangscharakter und zur wachsenden Militarisierung der Hitlerjugend gingen: die Edelweißpiraten.

 Der preisgekršnte Jugendbuchautor Dirk Reinhardt stellte im Gymnasium Odenkirchen seinen Roman „Edelweispiraten“ vor.

Der preisgekršnte Jugendbuchautor Dirk Reinhardt stellte im Gymnasium Odenkirchen seinen Roman „Edelweispiraten“ vor.

Foto: Jana Bauch

Der Münsteraner Jugendbuchautor Dirk Reinhardt präsentierte Schülern am Gymnasium Odenkirchen Einsichten in das Leben dieser Menschen.

Frei wollten sie sein, statt in der Hitlerjugend auf die Teilnahme am Krieg vorbereitet zu werden. Von 1933 bis 1945 trafen sie sich in Parks oder Stadtvierteln, sangen von den Nazis verbotene Lieder, trugen aus Protest vor der einheitlich uniformierten, kurz frisierten Hitlerjugend farbig auffallende Textilien und längeres Haar. Die Gruppen bestanden aus Jungen und Mädchen – ein weiterer Unterschied zur strikten Geschlechtertrennung in damaligen Schulen und in der Hitlerjugend. Was zunächst aus privaten Motiven heraus geschah, wurde später politisch. Die Edelweißpiraten provozierten, zeigten die Schandtaten der Nazis auf, legten sich mit der Hitlerjugend an, leisteten mutig Widerstand. Vielen von ihnen wurde dies zum Verhängnis.

Dirk Reinhardt hat ein Buch über die Edelweißpiraten geschrieben. Aus seinem Roman las er nun den 13- bis 14-jährigen Schülern der 9. Klasse Passagen vor. Der 55-jährige promovierte Historiker und Jugendbuchautor will seinen jungen Lesern Einsichten vermitteln und sie zum Nachdenken motivieren. Der Roman beruht auf wahren Begebenheiten. Reinhardt hat mehr als ein halbes Jahr lang in Antiquariaten, Zeitungs- und Behördenarchiven verbracht und Aufzeichnungen von Zeitzeugen gelesen. Das Buch wird auch als Unterrichtsmaterial in Schulen eingesetzt.

„Edelweißpiraten“ hat Reinhardt in Tagebuchform geschrieben. Die Eintragungen des damals 14-jährigen Kölner Edelweißpiraten Josef Gerlach beginnen 1941. Gemeinsam mit sechs anderen Jungen und drei Mädchen will Josef in den verhassten Hitlerjugendkreisen „mächtig Staub aufwirbeln“, ihnen zeigen, was man von ihnen und ihrer Gesinnung hält. Die Jugendlichen sammeln in Bombennächten verbotene Flugblätter von den Straßen auf, die Engländer abgeworfen haben, und verteilen sie in den Briefkästen der Bürger. Darauf stand die Todesstrafe. Es herrschte in der Nacht Ausgehverbot, die Edelweißpiraten machten sich also doppelt strafbar. Die Flugblätter riefen zum Arbeiterstreik auf, zur Sabotage von Maschinen zur Produktion von Waffen und Munition. Erst versucht die Polizei, die Taten der Edelweißpiraten zu unterbinden, später die SS, am Ende dann die Gestapo.

Bei einem Ausflug an einen See nahe Köln, wo sich die Ehrenfelder Gruppe mit Edelweißpiraten anderer Städte trifft, werden einige Mitglieder, darunter auch Josef, von der Gestapo brutal zusammengeschlagen, in die Kölner Gestapo-Zentrale gebracht und verhört. Man will wissen, wo die Jugendlichen Flugblätter versteckt haben. Die Edelweißpiraten leugnen, Flugblätter zu haben, und werden zunächst freigelassen. Erst geschockt, kehrt bei den Jugendlichen die Wut zurück. Sie beginnen erneut mit dem Verteilen von Flugblättern, einige werden erwischt, festgenommen, verhört, gefoltert und schließlich in Jugendkonzentrationslager deportiert oder auf offener Straße erhängt.

Die Schüler hatten genau zugehört und nach Ende der Lesung zahlreiche Fragen. Wie der Autor an die Gestapo-Aufzeichnungen gekommen sei, was genau darinstehe, und wie lange Reinhardt an dem Buch geschrieben habe, wollten sie wissen. Im nächsten Schuljahr werden die ”Edelweißpiraten” Teil des Geschichtsunterrichtes sein.

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