Theaterstück im Gemeindezentrum Mönchengladbach Zwei Einsteins zur Relativität der Zeit

Rheindahlen · Regisseur Stefan Filipiak schrieb für Bernd Schüren ein Ein-Personenstück mit zwei Rollen. Darin spielt er die Uhrmacherbrüder, die nur namensgleich mit dem Nobelpreisträger sind. Eine Seelenverwandtschaft gibt es aber.

 Der Mönchengladbacher Bernd Schüren schlüpfte in zwei Rollen in dem Ein-Personenstück „Einstein und Einstein“ im Gemeindezentrum der evangelischen Martin-Luther-Kirche.

Der Mönchengladbacher Bernd Schüren schlüpfte in zwei Rollen in dem Ein-Personenstück „Einstein und Einstein“ im Gemeindezentrum der evangelischen Martin-Luther-Kirche.

Foto: Rick, Markus (rick)/Markus Rick (rick)

Punkt 20 Uhr fängt das Spektakel an: ein Ticken und Schlagen der Uhren auf der kleinen Bühne im Gemeindezentrum der evangelischen Martin-Luther-Kirche, hier und da durchsetzt vom Ruf einer Kuckucksuhr und dem Klingeln eines Telefons. Die Besucher merken auf, erwarten jeden Augenblick den Darsteller im Ein-Personenstück mit zwei Rollen.

Doch sie müssen sich geschlagene acht Minuten gedulden und die Zeit scheinbar ungenutzt verrinnen lassen, bis Bernd Schüren im Theaterstück „Einstein und Einstein“ auftritt. Der Mönchengladbacher hat sein Publikum ohne Vorwarnung sich selbst sowie dem Ticken der Uhren überlassen und die garantiert gewünschte Irritation erreicht: die anfangs erwartungsvolle Stille im Zuschauerraum ist in der handlungsfreien Zeit hier und da einem überraschten Kichern oder Flüstern wie auch knappen Kommentaren zum unbeachteten Klingeln des Telefons gewichen. Spätestens als die mechanischen Zeitmesser schweigen und Schüren ein Bombardement rhetorischer Fragen abfeuert, steht fest: Zentrales Thema der Uraufführung nach Stefan Filipiaks Buch ist die Zeit.

Die Premiere ist das Ergebnis der bisher dritten Kooperation zwischen Schüren und dem in Ratingen lebenden Regisseur und Autor. Filipiak sagt zum Buch, es verbinde Schürens Wunsch nach einem Theaterstück mit zwei Rollen für einen Schauspieler mit seinem Vorhaben, die Charaktere zweier Brüder im unterschiedlichen Umgang mit der Zeit zu entwickeln. Das Theaterstück erzählt von den ungleichen Uhrmacherbrüdern Bert und Hendrik Einstein. Sie betonen unabhängig voneinander, mit dem namensgleichen Nobelpreisträger nicht verwandt zu sein, während Bert jedoch Seelenverwandtschaft mit dem Genie verspürt. Die Handlung ist fokussiert auf den Tag, als die Brüder einen Volkshochschulkurs zum Thema „Zeitreisen“ gestalten und die defekte Kuckucksuhr für Frau Schmidteisen reparieren sollen. Während Bert und Hendrik unter Zeitdruck stehen, philosophieren sie über Lichtgeschwindigkeit und die Relativität von Zeit.

Schüren mimt die Rolle des Bert mit Sturmfrisur und die des Hendrik mit streng gezogenem Scheitel. Die äußerliche Verwandlung vollzieht er unsichtbar für die Zuschauer hinter der Wand, deren Vorderansicht Kulisse der Uhrmacherwerkstatt ist. Im Verborgenen entfaltet Schüren knappe Dialoge zwischen den Protagonisten. Dem pedantischen Hendrik leiht er im sonoren Ton eine tiefere Stimme als dessen Bruder mit dem unbefangeneren Auftreten.

Schüren meistert die permanenten Wechsel in der Darstellung unterschiedlicher Charaktere wie auch die Herausforderung der Textfülle im Ein-Personenstück. Dabei entfaltet er lebendige Gedankenspiele über die in der Inszenierung sparsam vorgegebene Handlung. Er stellt Erkenntnisse aus Einsteins Relativitätstheorie amüsant bis nachdenklich Bonmots über die Relativität des Zeitempfindens abhängig von Tätigkeiten und Lebenserfahrung gegenüber.

In der Rolle des Bert mahnt Schüren, beim Blick auf die Zukunft gegenwärtige Möglichkeiten nicht zu übersehen. Denn nur der Versuch, in der Gegenwart zu leben, sei unabhängig von der Zeit. Die Besucher honorieren die Inszenierung mit langem und herzlichem Beifall. „Dank der akribischen Ausarbeitung der beiden Rollen hat es mir großen Spaß gemacht, die beiden Typen zu spielen“, verrät Schüren später. Ach ja, und noch etwas: Die Kuckucksuhr für den Geburtstag von Frau Schmidteisen wird niemals fertig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort