Doktor-Kolumne Empathie ist wichtig und erlernbar

Mönchengladbach · Was Menschen anrichten können, die Empfindungen und Emotionen anderer nicht erkennen und verstehen können, sorgt gerade für traurige Schlagzeilen. Unsere Kolumnistin befasst sich deshalb dieses Mal mit dem Thema Empathie.

 Feste Rituale und gemeinsame Nähe zwischen Eltern und Kindern kann helfen, Empathie zu trainieren.

Feste Rituale und gemeinsame Nähe zwischen Eltern und Kindern kann helfen, Empathie zu trainieren.

Foto: frei

In der jüngsten Zeit haben wir schmerzvoll lernen müssen, dass Menschen, die als empathielos zu beschreiben sind, unter Umständen das größte Unglück über andere und sicher sich selbst bringen können. Ist Empathie, also die Fähigkeit, erkennen zu können, was in anderen vorgeht, erlernbar?

Die Antwort ist: Ja. Denn eine Anlage zur Empathiefähigkeit hat jedes Kind. Sogenannte Spiegelneurone, die zwischen dem 3. und 4. Lebensjahr voll entwickelt sind, lassen Kinder schon im Kleinkindalter Handlungen und Gefühle anderer nachvollziehen. Bekommen Kinder immer wieder Gelegenheiten, Empathie zu üben, sind sie gewappnet für ein gutes Miteinander, stabile Beziehungen, soziale Verantwortung, Lösen von Konflikten und beruflichem sowie privatem Erfolg.  Empathie ist das wichtigste Gepäckstück für die Reise durch das Leben.

 Kinderärztin Renate Harnacke.

Kinderärztin Renate Harnacke.

Foto: Reichartz,Hans-Peter(hpr)/Reichartz, Hans-Peter (hpr)

„Make caring common“ ist ein von der Harvard University entwickeltes Programm, anhand dessen erlernbar ist, wie Kinder zu Empathie und Fürsorglichkeit erzogen werden können.

Wesentlich ist, dass Eltern die Zuneigung zu ihrem Kind immer wieder zeigen, dass sie für eine stabile und sichere Umgebung sorgen und die individuelle Persönlichkeit ihres Kindes respektieren.

Regelmäßige gemeinsame Zeit gibt Raum, Aufmerksamkeit zu schenken und Wertschätzung auszudrücken. Feste Rituale, z. B. regelmäßige gemeinsame Aktivitäten und häufige Gespräche auch über eigene Gefühle und Erlebnisse lehren Empathie. Interesse an Dingen, die Ihrem Kind wichtig sind, zeigt Interesse an der Persönlichkeit. Hierbei könnten Fragen verwendet werden nach dem Besten und auch nach dem Schwierigsten am Tag, nach dem, was das Kind an Freundlichkeit anderer erfahren hat und was es Freundliches für andere getan habe...

Empathie, Mitgefühl und Fürsorge sollten vorgelebt werden, insbesondere für Menschen, die sich sehr von uns unterscheiden. Es sollte beigebracht werden, wie wichtig es ist, zu anderen freundlich zu sein und sich selbst dabei wohlzufühlen. Letzteres ist natürlich wichtig, damit Kinder lernen, sich abzugrenzen und Grenzüberschreitungen – Stichwort Missbrauch – nicht hinzunehmen.

Kinder sollten auch unbedingt lernen, sich selbst zurückzunehmen, zum Beispiel auch im Haushalt einmal mitzuhelfen anstatt zu spielen oder auch, wenn ihre Laune gerade nicht so gut ist, zu anderen freundlich zu sein. Wie schon erwähnt, sind die Anlagen zur Empathie in jedem Kind angelegt. Regelmäßige Familiensitzungen, in denen man übt, die Perspektiven anderer einmal einzunehmen, Empathie bei anderen und auch fehlende Empathie bei anderen festzustellen, auch in Büchern oder Filmen, tragen wesentlich zum Einüben des „wichtigsten Gepäckstückes für die Reise durch das Leben“ bei. Gefühle sollten benannt werden. Die Frage „Ich spüre, du bist wütend! Woher kommt dieses Gefühl?“  kann hilfreich sein.

In diesem Zusammenhang lernen Kinder auch leicht, Strategien zu entwickeln, zunächst eine Gefühlskontrolle herzustellen, zum Beispiel tief  durch die Nase einzuatmen und verlängert durch den Mund auszuatmen.

Also: Es lohnt sich, mit den Kindern Empathie zu üben – und im Kopf zu behalten, dass ein gutes Eltern-Kind-Verhältnis sehr dazu beiträgt, dass Kinder ein hohes Empathievermögen entwickeln. Und das wiederum führt dazu, dass die Welt zu einem besseren Ort wird.

Dr. Renate Harnacke ist Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin.

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