Mönchengladbach Erste Ratssitzung: Mathematik der Macht

Mönchengladbach · Post, Schlegelmilch, Vennen, Heinrichs: Wer die lukrativen Posten als Vorsitzender eines Aufsichtsrates bekommen soll, ist jetzt klar. Und doch wird die Ratssitzung hochspannend. Denn kleine Parteien prüfen, gemeinsam zu stimmen.

In dieser Frage gibt es die größtmögliche Koalition: Egal, ob CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke oder Piraten, sie alle verbringen in diesen Tagen viel Zeit vor dem Computer - und rechnen. Denn in der morgigen Ratssitzung entscheidet sich nicht nur, wer lukrative Posten bekommt, sondern auch, mit wie viel Sitzen die jeweiligen Parteien überhaupt in den Ausschüssen und Aufsichtsräten vertreten sind. Das ist nämlich trotz der klaren Machtverhältnisse durch das Bündnis der beiden größten Parteien CDU und SPD überhaupt nicht klar und hängt davon ab, ob die kleinen Parteien Listen bilden oder wenigstens teilweise zusammen votieren. Das ist ein spannendes Rechenexempel - und zwar eines mit vielen Unbekannten.

Derweil ist klar, wer den Vorsitz der wichtigsten Aufsitzräte übernehmen wird. Der CDU-Landtagsabgeordnete Norbert Post wird nach Informationen der RP Vorsitzender des Verwaltungsrats der Stadtsparkasse. Dieses Amt hatte Post schon zu Zeiten, als CDU und FDP die Mehrheit hatten, inne. Er soll zudem offenbar Aufsichtsratsvorsitzender der Sozialholding werden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans Peter Schlegelmilch wird Vorsitzender des Aufsichtsrats der NEW AG. Sein SPD-Pendant Felix Heinrichs wird Aufsichtsratsvorsitzender der NEW mobil + aktiv. Der Sozialdemokrat Horst-Peter Vennen bleibt Vorsitzender des Aufsichtsrats der Entwicklungsgesellschaft. Als GEM-Aufsichtsratsvorsitzender kommt Markus Heynckes (CDU) in Frage . Unklar war gestern noch, wer künftig bei den Städtischen Kliniken das Sagen hat. Den Zugriff hat die SPD. Doch deren Gesundheitsexpertin Monika Berten arbeitet im Neuwerker Krankenhaus - ein kaum aufzulösender Loyalitätskonflikt.

Die spannendste Frage am Freitag ist, welche der anderen Parteien sich zusammen tun. Da über Gremien unterschiedlicher Größe zu entscheiden ist - in manchen Aufsichtsräten sitzen nur drei Ratsvertreter, in Ausschüssen sind es 19 - profitieren von Kooperationen theoretisch verschiedene Parteien. Und so rechnet nicht nur jeder für sich. "Überraschungen sind möglich", sagte der grüne Fraktionssprecher Karl Sasserath gestern Morgen - und sorgte schon am Nachmittag für den Beweis. Wahrscheinlich mit den Stimmen von Grünen, FDP, Linken und AfD wurde der FDP-Mann Peter E. Dörrenberg zum stellvertretenden Bezirksvorsteher in Süd gewählt. CDU und SPD hatten dieses Amt für die Sozialdemokratin Monika Schuster vorgesehen.

Im Rat müssten sich indes noch viel mehr Parteien einigen. Selbst den dritten Bürgermeister-Posten hat die CDU in der Theorie nicht sicher. Allerdings müssten Grüne, FDP, Linke, Piraten, Die Partei, FWG und AfD gemeinsam für Karl Sasserath stimmen. Das ist faktisch unmöglich. Zumal der FDP-Kreisparteivorsitzende Burkhard Küpper gestern kategorisch ausschloss, dass seine Partei mit Linken und Afd stimmen werde. "Wir wollen das Wahlergebnis demütig annehmen und jetzt nicht mit irgendwelchen wilden Kombinationen ein bisschen mehr für uns herausholen", so Küpper. Auch Torben Schultz von den Linken ist zurückhaltend, was derartige Rechenspiele anlangt. "Wir machen lieber Politik als Mathematik", sagte er der RP. Zwar habe er lockeren Kontakt zu anderen Parteien gehabt. Um Verabredungen beim Abstimmungsverhalten sei es dabei aber nicht gegangen. Reiner Gutowski von den Piraten sieht das anders. "Es geht darum, das Mehrheitsverhältnis, das sich im Wahlergebnis dokumentiert, auch in den Gremien abzubilden. Natürlich rechnen wir deswegen - und führen Gespräche."

Da es in einzelnen Fragen knapp werden kann, hat die CDU ihren Ratsherrn Robert Baues vorsorglich aus dem Urlaub zurückbeordert. Ob die Ratsmitglieder das WM-Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich mitbekommen werden, ist fraglich. Zwar beginnt die Sitzung schon um 13 Uhr. Doch der Wahlmarathon braucht Zeit. In Duisburg, wo Pro-NRW-Vertreter geheime Abstimmungen beantragt hatten, dauerte die konstituierende Ratssitzung bis 5 Uhr morgens. Die Verwaltung hat vorsorglich prüfen lassen, ob die Ratssitzung rechtlich bis nach Mitternacht dauern darf.

(RP)
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