Aktion von Kreis und Stadt Eltern sollen vom Handy aufschauen

Zuwendung fürs Kind statt Handy-Starren: Kreisweite Kampagne „Sprich mit mir!" gestartet. Plakate, Karten und Broschüren sollen Eltern zum bewussteren Umgang mit dem Smartphone ermuntern.

 Sechs Cartoon-Motive hat Renate Alf gezeichnet – hier sitzt die ganze Familie mit dem Smartphone am Tisch und beachtet das Baby nicht.

Sechs Cartoon-Motive hat Renate Alf gezeichnet – hier sitzt die ganze Familie mit dem Smartphone am Tisch und beachtet das Baby nicht.

Foto: RP/Repro: Stadt Meerbusch

Diese Situation müsste jedem bekannt vorkommen: Mutter starrt aufs Smartphone, Baby im Kinderwagen wird ignoriert. Mit diesem und anderen Cartoon-Motiven wirbt die Aktion „Sprich mit mir!“ für einen bewussteren Umgang mit dem Handy im Beisein von Kindern.

„Sprich mit mir – Familienzeit statt Handy-Zeit“ heißt der Titel einer Kampagne, die der Rhein-Kreis Neuss und alle acht Mitgliedskommunen jetzt gemeinsam gestartet haben. Die Botschaft, die sich insbesondere an die Eltern von Kleinkindern richtet: Überdenkt eure Handy-Gewohnheiten und schenkt euren Kindern die nötige Aufmerksamkeit!

Sechs lustige Karikaturen der Cartoonistin Renate Alf mit typischen Szenen aus dem Familienalltag unterstützen den Appell. Die Motive werden auf Postkarten und Plakaten verteilt, dazu gibt es Videos, ein Kartenspiel, eine Info-Broschüre und andere Marketing-Artikel.

Das Jugendamt der Stadt Meerbusch unterstützt die Idee. Peter Annacker, Leiter des Fachbereichs Soziale Hilfen und Jugend, weiß, wie wichtig elterliche Zuwendung, Aufmerksamkeit und Ansprache für Kinder sind: „Kinder lernen in der frühkindlichen Entwicklungszeit erstes grundlegendes Rüstzeug fürs Leben: die Sprache – und zwar durch Zuhören und Nachahmen.“ Insbesondere durch den direkten (Blick-)Kontakt der Erwachsenen mit dem Kind funktioniere eine Interaktion, die die Entwicklung im jungen Alter direkt fördert. „Sprache lernt ein Kind nun einmal nur durchs Kommunizieren und Sprechen“, so Annacker.

Alltagssituationen, die täglich zu erleben sind, würden aber zeigen, dass die Realität nicht selten anders aussieht: Mütter, die ihren Kinderwagen durch den Park schieben und dabei aufs Handy starren, während das Baby unbeachtet in den Himmel blickt, Familien, die im Restaurant sitzen und vor lauter Smartphone-Faszination ihre Umwelt, das Essen und vor allem auch das kleinste Familienmitglied vergessen, der Vater, der beim Gang durch den Supermarkt seinen Sprössling im Einkaufswagen ignoriert, weil sein Handy weit interessanter scheint.

„Dieses Verhalten kann dem Kind konkret schaden“, sagt Marion Klein, Leiterin des Kreisjugendamtes. „Auswirkungen spüren wir bereits heute.“ Eine Studie der Universität Bielefeld habe nachgewiesen, dass sich Kinder, die sich von ihren Eltern kaum oder gar nicht beachtet fühlen, Defizite im ihrem Selbstbewusstsein, im Grundvertrauen, ihrer Lebenszufriedenheit und Empathiefähigkeit aufweisen.

Bei der Kampagne – das betonen alle Beteiligten –  geht es aber nicht darum, das Handy oder andere elektronische Medien zu verteufeln. Auch gehe es nicht darum, Eltern mit erhobenem Zeigefinger zu verärgern. Deshalb wird die Botschaft auch humorvoll und mit „Schmunzelfaktor“ verbreitet. Ziel sei es, für eine bewusstere Nutzung von Handys im Beisein der Kinder zu werben. „Denn Kinder bekommen sehr viel vom Eltern-Verhalten mit und kopieren es später“, so Peter Annacker. Landrat Hans-Jürgen Petrauschke: „Für die Entwicklung von Kindern ist es unerlässlich, dass sich Mütter und Väter mit ihnen beschäftigen. Die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Eltern ist durch nichts zu ersetzen.“

 Der Vater sitzt mit seinem Kind auf dem Strandtuch, spielt lieber mit dem Handy als mit seinem Sohn.

Der Vater sitzt mit seinem Kind auf dem Strandtuch, spielt lieber mit dem Handy als mit seinem Sohn.

Foto: RP/Repro: Stadt Meerbusch
 Weil alle Erwachsenen mehr ins Handy statt auf den Weg achten, kommt es hier zur Kinderwagen-Kollision.

Weil alle Erwachsenen mehr ins Handy statt auf den Weg achten, kommt es hier zur Kinderwagen-Kollision.

Foto: RP/Repro: Stadt Meerbusch
 Auch beim einkaufen im Supermarkt könnte man mit seinem Kind reden statt ins Handy zu starren.

Auch beim einkaufen im Supermarkt könnte man mit seinem Kind reden statt ins Handy zu starren.

Foto: RP/Repro: Stadt Meerbusch
 Noch eine typische Eltern-Kind-Szene, wie man sich auf den Straßen beobachten kann.

Noch eine typische Eltern-Kind-Szene, wie man sich auf den Straßen beobachten kann.

Foto: RP/Repro: Stadt Meerbusch
 Wenn die Mutter nicht aufpasst, gerät das Kind schnell in Gefahr. Zum Beispiel ganz oben auf den Sprungturm.

Wenn die Mutter nicht aufpasst, gerät das Kind schnell in Gefahr. Zum Beispiel ganz oben auf den Sprungturm.

Foto: RP/Repro: Stadt Meerbusch

In Meerbusch soll die Kampagne nachhaltig genutzt werden. Mit Plakaten und Broschüren sollen zunächst die Eltern in den städtischen Kitas sensibilisiert werden. Im nächsten Schritt werden großformatige Citylight-Plakate in den Bushaltestellen im Stadtgebiet für Aufmerksamkeit sorgen. Auch in Schulen, Jugendeinrichtungen, in Bibliotheken, in Einzelhandel und Gastronomie sollen die Materialien nach und nach gestreut werden. Die denkbar einfache Botschaft und der bescheidene Kinderwunsch, der dahinter steckt, sollten gut ankommen: „Sprich mit mir!“

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