Szene in Not Wie Kunst die Krise überleben kann

Leverkusen · Abgesagte Konzerte und die ungewisse Zukunft des Kulturbetriebs drücken auf Künstler-Seelen. Bildende Künstler wie die Malerin Britta Reinhardt sind mitunter weniger betroffen. Bei anderen geht es um die Existenz.

 Die Malerin Britta Reinhardt mag Zebras. Über Internetkanäle hält sie sich und ihre Kunst bei ihren Kunden im Gespräch.

Die Malerin Britta Reinhardt mag Zebras. Über Internetkanäle hält sie sich und ihre Kunst bei ihren Kunden im Gespräch.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

„Ich habe wirklich Glück!“ Britta Reinhardt ist dankbar, dass sie vom allgemeinen wirtschaftlichen Einbruch durch die Corona-Krise nicht so betroffen ist. Obwohl sie in der Ateliergemeinschaft Künstlerbunker tatsächlich die einzige Freischaffende ist, die wirklich ausschließlich von der Kunst lebt. Alle anderen haben einen Brotberuf oder sind Rentner.

„Ich habe viele private Aufträge“, erzählt sie. Und während des Lockdowns kamen tatsächlich weitere Anfragen hinzu. „Ich liebe facebook und Instagram“ sagt die Malerin, die es großflächig und bunt mag und deren Bilder ihre eigene positive Weltsicht vermitteln. Viele Interessenten wurden über die sozialen Netzwerke auf sie aufmerksam, der Rest sei Mund zu Mund-Propaganda. So erhielt sie auch mitten im Lockdown den großartigen Auftrag in Quettingen, eine private Gartenwand zu bemalen. Und in der Altstadtstraße zeigte sie Eigeninitiative, als sie die Verschönerung einer hässlichen Bretterwand anbot. Jetzt tummelt sich dort eine rosa Zebra-Herde. In Berlin soll sie eine neue Riesenlocation mit großformatigen Bildern bestücken. Die Online-Auktionshäuser seien zum Glück offen. Nur ihre Arbeiten, die derzeit in mehreren marokkanischen Städten ausgestellt sind, wird sie wohl nicht so schnell zurückholen können.

Als Bildende Künstlerin sieht sie sich in einer deutlich besseren Lage als die Kollegen anderer Sparten, die vor Publikum agieren. „Schauspieler und Musiker sind natürlich viel stärker betroffen, wo doch alles abgesagt ist.“

Davon kann Werner Ehrhardt ein Lied singen. Obwohl die Konzerttätigkeit und damit die Einnahmen total runtergefahren sind, hat der Geiger und Leiter des Alte-Musik-Ensembles l’arte del mondo in diesen Wochen viel zu tun. Der reichlich gefüllte Terminkalender 2020 leert sich zusehends. Absagen müssen entgegengenommen und den Kollegen kommuniziert werden, parallel versucht er Ersatztermine zu finden, was manchmal nur mit anderen Partnern möglich ist. Das beeinflusst die Finanzplanung ebenso wie durch Verschiebung verlängerte Probenphasen. Abgesehen davon wisse niemand wirklich, ab wann der Konzertbetrieb wieder laufen werde und unter welchen Bedingungen, gibt Pianist und Dirigent Dirk Joeres zu Bedenken. Sein letzter Klassiksonntag mit der Westdeutschen Sinfonia Leverkusen wurde von KulturStadtLev in den Juni 2021 verschoben und wer weiß, ob der Konzertsonntag zur Saisoneröffnung im September stattfinden wird? Die Mitglieder seiner Sinfonia seien immerhin als Stimmführer oder Konzertmeister in NRW-Orchestern fest angestellt und damit finanziell abgesichert.

Das sieht bei l’arte del mondo schon anders aus, wenn nun auch den ganzen Sommer über nichts stattfinden wird. Die Einzelnen müssten von Rücklagen leben, die Oma oder den Bruder beleihen, meint Ehrhardt. Der NRW-Fördertopf für Kulturschaffende sei nach dem Windhund-Prinzip blitzschnell geleert worden, das Bundesprogramm für Soloselbständige gebe es nur für laufende Kosten, nicht für den Lebensunterhalt. Dafür müssten die Musiker Hartz IV beantragen.

Jetzt hoffen alle auf weitere Programme. Erst in der Krise werde vielen deutlich, dass Kultur nicht netter Luxus sei, sondern auch ein ganzer Wirtschaftszweig, meint Joeres, und: „Es wäre eine merkwürdige Wendung der Geschichte, wenn die Kultur von einem Virus eliminiert würde.“ Von den verzweifelten digitalen Versuchen wie Kultur aus dem Wohnzimmer hält er wenig. Das Wesen eines Konzerts sei doch das Gemeinschaftserlebnis zu gleicher Zeit am selben Ort, sonst fehle die Geschäftsgrundlage. Das genau vermisst offenbar auch das Publikum. Denn für das Ende Oktober geplante Konzert- und Vortragswochenende zu „Beethoven - im Ernst“ im Kloster Steinfeld gibt es bereits Buchungen. Unter Vorbehalt - wie derzeit alles.

Joeres arbeitet derzeit am Erklär-Video zur dritten CD der Beethoven-Reihe mit, deren Aufnahme zum Glück vor März abgeschlossen war. L’arte del mondo ruft auf der Website bereits zu Spenden auf, um das Überleben des Ensembles zu sichern. Damit das, was Werner Ehrhardt nun für die Zukunft plant, auch wirklich stattfinden kann. Etwa eine Südamerika-Tournee in 2022, für die er Xavier de Maistre gewinnen wollte. Der exquisite Harfenist habe sich über den Anruf gefreut: endlich eine Perspektive zwischen lauter schlechten Nachrichten. Die Situation drücke bei allen Künstlern auf die Seele. Regisseur Igor Folwill, der Ehrhardts Opernprojekte begleitet, empfinde es als „Gefühl der Wertlosigkeit“.

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