Orchester verschiebt Projekt L’arte del mondo in der Warteschleife

Leverkusen · Die „Matthäus-Passion 2727“ fällt vorerst aus. Werner Erhardt plant für sein Orchester um.

 Die Matthäus-Passion neu interpretiert, hier ein Szenenfoto von den Proben der Kamea Dance Company, fällt am Palmsonntag aus.

Die Matthäus-Passion neu interpretiert, hier ein Szenenfoto von den Proben der Kamea Dance Company, fällt am Palmsonntag aus.

Foto: Kfir Bolotin

Es war ein aufwändiges Projekt, mit dem Werner Ehrhardt und sein Orchester l’arte del mondo vor drei Jahren das Leverkusener Publikum im Erholungshaus faszinierten: „Matthäus-Passion 2727“. Eine gelungene interdisziplinäre wie interreligiöse Zusammenarbeit des Leverkusener Orchesters mit der Wuppertaler Kantorei Barmen-Gemarke, Solisten und einer der führenden israelischen Tanzcompagnien.

Für den Palmsonntag war die Wiederaufführung dieser kompakten und durch Bewegungssprache ergänzten Version der Bach’schen Passion geplant, die mit dem Schlusschor beginnend die Leidensgeschichte Jesu in neuer Ordnung „erzählt“, sozusagen rückblickend aus dem Jahr 2727. Seit vergangener Woche sind jedoch wegen der Corona-Infektionsgefahr alle Kulturtermine bis mindestens 19. April abgesagt. Und schon vorher war klar, dass der israelische Choreograf Tamir Ginz und seine Kamea Dance Company aus Be’er Sheva nicht anreisen können. Nun werden weder die Aufführung bei Bayer Kultur stattfinden noch die geplanten Vorstellungen in Fürth, Aschaffenburg und Meiningen. Er bemühe sich derzeit um neue Termine für dieser außergewöhnliche Produktion, erzählt Werner Ehrhardt, der momentan viel Zeit für Planungen und Gespräche hat, weil die Einträge in seinem Terminkalender vorläufig alle gestrichen sind.

Gerade hat er die Notbremse gezogen für die Proben, die am kommenden Wochenende stattfinden sollten  – nach langem Zögern, weil es nämlich zwei Monate gebraucht hätte, die Anreisen aller Beteiligten zu koordinieren. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein außergewöhnliches und ganz neues Konzept mit Flöten von der Steinzeit bis heute und der Blockflötenqueen Dorothee Oberlinger als Solopartnerin, für das einige Neukompositionen geschrieben wurden. Die Premiere ist (noch) für den 4. Juni bei den Ludwigsburger Festspielen geplant, Wiederholungen an mehreren anderen Orten.

Für die Sommermonate ist der Terminkalender von l’arte del mondo gut gefüllt, denn das ist die Zeit der Festspiele. Ob die tatsächlich stattfinden werden, vermag noch niemand zu sagen. Die Organisatoren der Schwetzinger Festspiele wollen am 4. April eine Entscheidung treffen, wurde Ehrhardt informiert. Dort soll am 24. Mai die aufwändigste Produktion des Jahres, die Opernentdeckung „L’Isola d’alcina“ von Giuseppe Gazzaniga uraufgeführt werden. Die Jahresplanung muss er normalerweise frühzeitig festzurren. Nicht nur der Veranstalter und der gefragten Solopartner wegen, sondern auch wegen seiner Orchestermitglieder, die ihren Lebensunterhalt durch einen Mix aus Musizieren in verschiedenen Ensembles und durch Unterrichten verdienen. Beide Standbeine sind derzeit weitgehend weggebrochen, weil nicht nur der Konzertbetrieb stillgelegt wurde, sondern auch die Musikschulen schließen. Für Honorarkräfte, die als Freiberufler nach erteilten Unterrichtsstunden bezahlt werden, bedeute das Null Einnahmen.

Werner Ehrhardt, der sich so schnell nicht bange machen lässt, sondern eher kreativ nach vorne sehen möchte, belastet die derzeitige Lage in dreifacher Hinsicht: für sich persönlich als Künstler und Dirigent, für seine Kollegen im Orchester und den Betrieb l’arte del mondo, der sich in den vergangenen Jahren sehr professionell entwickelt hat. „Im Kulturbetrieb gibt es keine hohen Gewinnmargen, man schafft es gerade so, die Projekte kostendeckend zu realisieren“, erläutert Ehrhardt. Selbst wenn sich einzelne Auftritte in den Herbst verschieben lassen, fehlen jetzt die Einnahmen, während die festen Kosten weiterlaufen.

Und täglich muss nun neu bewertet, disponiert und geplant werden. „Es ist eben keine Selbstverständlichkeit, dass es so ein Orchester in Leverkusen gibt“, ist Erhardts einfache Erkenntnis in der Krise. Es ist ein ebenso kostbares wie fragiles Gebilde.

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