Langenfeld Expertin für essbare Kräuter am Wegesrand

Langenfeld · Marianne Radtke hat ihren Natursteinhof in ein Biotop verwandelt. Ihr Wissen gibt sie gerne bei Kräuterwanderungen weiter, bei denen die über die zahllosen essbaren Wildkräuter informiert. Die jetzige Pause nutzt sie für Experimente.

 Marianne Radtke ehrt jedes Kraut - und sei es noch so unscheinbar.

Marianne Radtke ehrt jedes Kraut - und sei es noch so unscheinbar.

Foto: Matzerath, Ralph (rm)/Matzerath, Ralph (rm-)

Dem unansehnlichen Grünzeugs, den spirreligen Sprossen geschossener Gemüsepflanzen, den armseligen Zweigen abgestorben wirkender Gehölze gehört ihre ganze Liebe. Zugegeben: Der Natursteinhof von Marianne Radtke an der Trompeter Straße ist nicht gerade das, was man sich unter einer gepflegten Grünanlage vorstellt. Aber sie lebt und schenkt Leben und wurde deshalb 2019 im Rahmen der UN-Dekade für ihre biologische Vielfalt ausgezeichnet. 12.000 Quadratmeter Pflanzen und Steine sowie Steinfiguren und Teichanlagen seien halt sehr viel zu bearbeiten für eine Frau von 66 Jahren und ihre berufstätige Tochter, sagt Marianne Radtke. Aber sicherlich ist das Paradies auf den dritten Blick vor allem der Lebenseinstellung der Unternehmerin im Rentenalter geschuldet. Kein noch so unscheinbares Pflänzchen, das auf ihrem Terrain keine Existenzberechtigung hätte.

Die Berichterstatterin steht gerade mitten in Feldsalat und Majoran, die nicht etwa im geharkten Beet wachsen, sondern wild auf Schotter und Kies. „Die Natur holt sich zurück, was sie will. Man muss es nur zulassen”, sagt Marianne Radtke. Seit die Chefin ihr Unternehmen auf Sparflamme laufen lässt, hat sie Zeit für ihre Leidenschaft: die Wegesrandernährung. Man lernt, dass vieles, was unsereiner so despektierlich als Unkraut bezeichnet, essbar ist und als würzige Beigabe sogar delikat sein kann. Zum Beispiel die kleine gelbe Blüte des unattraktiven Kohlrabi-Sprosses, der Waldklee, die Knoblauchsrauke und die wilde Möhre, ja, selbst die winzige wilde Quitte. „Jedes Kraut hat seine Aufgabe – schmecken, säubern, heilen. Nutzloses gibt es nicht”, sagt die Dame in der rustikalen Gartenkleidung, deren Lieblings-Lebensraum zweifelsohne die halb verwilderte Flora ist.

Jegliche Chemie ist ihr ein Greuel, schadet sie doch Insekten und Vögeln und letztlich dem Menschen. „Hier wird alles per Hand gemacht. Es ist alles Bio”, sagt sie. Sie ist bewundernswert konsequent und unbeirrbar in ihrer Naturliebe. Und sie gibt sie weiter – in Workshops, Seminaren und bei Wanderungen. Bis nach Australien hat sie vor Corona ihre Liebe am intakten Ökosystem getrieben – zu den Gurus der Perma-Kultur- oder Perma-Gärten. „Kleine, sich selbst speisende Systeme kann man in jedem Hausgarten anlegen, zum Beispiel die Kräuter-Spirale”, sagt Radtke. „Ein Gartenteich mit der richtigen Bepflanzung nährt Fische, filtert deren Ausscheidungen, gleichzeitig können essbare Pflanzen wie Brunnenkresse am Rand angebaut werden”, erklärt sie. „Sinn ist es, dass der Mensch so wenig wie möglich eingreift.”

Die 66-Jährige ist eine Art Tausendsassa. Sie scheint fast jede Pflanze mit Namen zu kennen sowie deren Lebensraum und Verwendungsmöglichkeiten. Ihr Englisch ist so perfekt, dass sie sogar den Australiern Wildkräuter wie Löwenzahn und Wegerich aus Deutschland nahebrachte. „Meine Großeltern hatten einen Bauernhof in Hubbelrath”, erzählt sie. „Ich bin mit der Liebe zur Natur aufgewachsen.” Die gibt sie normalerweise gerne persönlich weiter und hat ihre feste Anhängerschaft. Dass sie gerade jetzt, wo alles sprießt und blüht, keine Kräuterwanderung anbieten kann, betrübt sie, aber lässt ihr auch wiederum genug Zeit zum Experimentieren. Stolz zeigt sie für jedermann selbst zu fertigende „Bewässerungssysteme” aus Australien, so genannte „Ollas“. Zwei Blumentöpfe werden mit Lebensmittelkleber mit ihren Öffnungen auf einander gepappt und in ein Beet eingegraben, so dass ein kleines Stück übersteht. Dann gießt man Wasser in das Loch im Topfboden, das in der Erde verdunsten kann. „In Australien sind diese Gefäße kunstvoll getöpfert”, sagt Radke, „aber auf meine Weise funktionieren sie auch.”

Aus der gemäßigten Klimazone Australiens hat sie Samen alter Gemüsekulturen mitgebracht: Mais, Stangenbohnen, Kürbis beispielsweise, die sie bereits vermehrt und per Hand in 1200 Saatguttütchen gepackt hat, um sie an Interessenten weiterzugeben. Sie bewegt die Idee der feuerresistenten Pflanze in ihrem Kopf und vieles mehr.

Und letztlich sind da noch die Wildbienen in ihrem abwechslungsreichen Garten. Denn eine Ausbildung zur Imkerin hat die nimmermüde Naturfreundin auch noch absolviert. Mittlerweile hat sie sich als Herstellerin von Reusrather Heidehonig unter dem Siegel „Typisch Neanderland“ einen Namen gemacht.

Bis sie den Menschen die Vielfalt der Natur wieder persönlich vermitteln kann, werden ihr sicher noch so manche Möglichkeiten einfallen, das Wachstum auf ihrem Gelände zu fördern.

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